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BAD KISSINGEN
Was Kissingen liest – und was es lesen sollte
Von unserem Redaktionsmitglied Siegfried Farkas
 |  aktualisiert: 07.01.2016 14:53 Uhr

Wenn der Kissinger zum Buch greift, dann hat er am Ende oft Dieter Wellershoffs Werk „Der Himmel ist kein Ort“ in der Hand. Für immer und alle Zeiten gilt diese Aussage nicht. Wohl aber für das vergangene Jahr. Da lag besagtes Buch in der Bilanz der Entleihungen in der Stadtbibliothek ganz vorne. Die Statistik liefert zwar kein vollständiges und objektives Abbild. Hinweise darauf, was die Kissinger lesen, lassen sich daraus aber schon ableiten.

Im Bereich Romane war 2011 besagtes Werk von Dieter Wellershoff Favorit. Es kam auf stolze 23 Entleihungen. Den zweiten Platz nehmen gleichauf Sebastian Fitzeks Augensammler ein und Seit er tot ist von Nicci French (je 21). Es folgen sieben Romane mit je 20 Entleihungen.

Mit Wellness & Beauty von Arnd Stein führt ein Frauenbuch die Entleihstatistik bei den Sachbüchern an. Es folgen Josef Wilflings Abgründe, In der Mitte des Lebens von Margot Käßmann und Robert Enke von Ronald Reng.

Buchreihen haben es Kindern und Jugendlichen besonders angetan. Rang eins und vier nehmen zwei Werke um Schwammkopf SpongeBob ein. Jeff Kinney ist mit mehreren Ausgaben von Gregs Tagebuch unter den ersten zehn. Gleiches gilt für Fantasybücher von P. C. Cast.

„Unbedingt im Herbst lesen, nicht jetzt.“
Bruno Bandulet über Adalbert Stifters Nachsommer

Was die Kissinger lesen, offenbart die Statistik der Bücherei. Was sie lesen sollten, erzählen im Folgenden Anne Maar, Christian Försch, Gerhild Ahnert, Bruno Bandulet, Sylvia Schottdorf-Röttinger und Hilla-Schütze. Sie haben allesamt entweder als Autoren, beruflich oder aus Leidenschaft mit Büchern zu tun.

Anne Maar ist nicht nur Leiterin des Fränkischen Theaters Schloss Maßbach, sondern auch Kinderbuchautorin. In dieser Eigenschaft legt sie jungen Lesern vor allem Andreas Steinhöfels Rico, Oskar und die Tieferschatten sowie die anderen Bücher dieser Reihe ans Herz. Sie seien „originell und mit viel Wärme“ erzählt. Für Erwachsene empfiehlt sie Somerset Maughams Der Menschen Hörigkeit. Bemerkenswert sei daran vor allem die „grausame Ehrlichkeit, mit der die Ich-Figur beschrieben“ sei. „Fein beobachtet und melancholisch“ – so fasst Anne Maar die Vorzüge von Steve Tesichs Buch Letzter Sommer zusammen, das sie als zweite Empfehlung für Erwachsene nennt.

Christian Försch sagt, er sei von Bestsellern selten begeistert. Bei Ferdinand von Schirachs Buch Verbrechen ist das anders. Dessen Fälle aus dem Inneren der Strafjustiz seien packend und nuancenreich. Der Klang der Fremde von Kim Thúy beeindruckte Försch, weil es „unsentimental und frei von jedem Selbstmitleid“ erzählt. Die Autorin war Kind einer privilegierten Kaste, das durch die Flucht aus Vietnam die Welt aus der Sicht von Parias kennenlernt.

Roald Dahls Klassiker Matilda empfiehlt Försch bei den Kinderbüchern. Dahl zeige auf höchst amüsante Weise, wie viel Kreativität in Kindern schlummere und wie fantasielos Erwachsene diese verwalten.

Eine ganze Bücherliste hat Gerhild Ahnert parat. Die Vorsitzende des Kissinger Kunst- und Kulturkreises ist treibende Kraft des Literaturwettbewerbs Junges Schreiben am Gymnasium und eifrige Leserin. Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand von Jonas Jonasson sei „sehr vergnüglich“ und steht deshalb oben auf der Liste. Emma Donoghues Raum beschreibt Gerhild Ahnert als Geschichte zweier Menschen, Mutter und Sohn, die eingesperrt sind und sich in ihrer Gefangenschaft eine eigene Welt geschaffen haben. Der weiße Tiger von Aravind Adiga zeige den einzigen Weg auf, „wie man in Indien als armer Mensch reich werden kann: Mit Mord“. Im Genre Kriminalroman empfiehlt sie Val McDermid. Dessen Bücher seien echte Thriller. Auch Lee Child und Dan Brown mag sie.

„Fein beobachtet und melancholisch.“
Anne Maar über Steve Tesichs Letzter Sommer

Bei den Sachbüchern fällt ihr Nicholas Carrs The Shallows ein, zu deutsch, Wer bin ich, wenn ich online bin. Carr beschreibe darin, wie das Internet Menschen verändert. Um Mobbing geht es in Ahnerts Empfehlung für junge Leser: Wer stoppt Melanie Prosser von Aidan Chambers. Das lese sie mit ihrer sechsten Klasse, erzählt die stellvertretende Leiterin des Gymnasiums.

Bruno Bandulet, der selbst schon viel über Gold und Geld geschrieben hat, empfiehlt als Sachbuchautoren den kürzlich verstorbenen Ökonomen Roland Baader. Von dem könne man eigentlich alles lesen. Gleiches gelte bei den Romanen für Fontane. Überhaupt offenbart Bandulet Neigung zu Klassikern. Der Franzose Emile Zola etwa zeige in Das Geld, dass Börsenspekulation im 19. Jahrhundert schon genauso ablief wie heute. „Unbedingt im Herbst lesen, nicht jetzt“ solle man Adalbert Stifters Nachsommer. Er selbst habe zuletzt Gabriel Garcia Marquez Liebe in den Zeiten der Cholera gelesen. „Ganz leicht und wahnsinnig spannend“ seien alle Bücher von Lee Child (siehe Gerhild Ahnert).

Ebenfalls eine zweite Nennung erfährt Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand. Sylvia Schottdorf-Röttinger von der Buchhandlung Reinisch nennt Jonas Jonassons Buch „sehr witzig und amüsant zu lesen“.

Bei den Kinderbüchern fällt Sylvia Schottdorf-Röttinger Jeff Kinneys beliebte Greg-Reihe ein. Wegen deren Mischung von Text und Comics würden diese Bücher „teilweise auch von Kindern gelesen, die sonst nicht so viel lesen“. Zudem spreche die Reihe Mädchen und Jungen gleichermaßen an. Immer wieder gut gingen Kinderbuchklassiker von Paul Maar oder Otfried Preußler.

„Auch von Kindern gelesen, die sonst nicht so viel lesen.“
Sylvia Schottdorf-Röttinger über Bücher der Greg-Reihe

In der Welt der modernen Medien gerade besonders aktuell sei bei den Sachbüchern die Biografie über Steve Jobs. „Überparteilich gern gelesen“ werde alles von Altbundeskanzler Helmut Schmidt.

Hilla Schütze, die vermutlich Kissingens größte Sammlung von Kinderbüchern ihr Eigen nennt, führt als erste Empfehlung Katrin Wiehles großformatiges Bilderbuch Professor Pfeffers tierisches Abenteuer an. Wegen seiner ungewöhnlichen Gestaltung mit „sehr subtilen farbigen Scherenschnitten“ von über 90 Tierarten sei es bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden.

Sehr empfehlen könne sie Professor Hans Maiers Böse Jahre, gute Jahre. Die Lebenserinnerungen des früheren bayerischen Kultusministers und Schirmherrn des Kissinger Sommers böten „hervorragenden Einblick in die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts“. Lesenswert sei auch Alexander von Humboldts Bericht über die Reise durchs Baltikum nach Russland und Sibirien.

 
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