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Bad Kissingen
Was eine Stimme alles bewirken kann
Anspruchsvolle Kammermusik, ein renommierter Erzähler, ausgesuchter Literatur- und das am Weihnachts-Vorabend. Das muss ein Erfolg werden. War es auch.
Friedrich von Thun und das Südwestdeutsche Kammero0rchester unter Timo Handschuh. Werner Vogel       -  Friedrich von Thun und das Südwestdeutsche Kammero0rchester unter Timo Handschuh. Werner Vogel
| Friedrich von Thun und das Südwestdeutsche Kammero0rchester unter Timo Handschuh. Werner Vogel
Werner Vogel
 |  aktualisiert: 19.08.2022 03:05 Uhr
Einem Grandseigneur -den er in Filmen gerne spielt- nimmt man das ab: Friedrich Graf von Thun-Hohenstein, alter böhmischer Adel und als Friedrich von Thun einer der großen Gesichter von Film und Fernsehen, schickt seiner Lesung beim Winterzauber eine Botschaft voraus, die das Publikum, Kissingen und den Abend schon adelt, bevor auch nur der erste Satz gesprochen ist: "Das muss ich jetzt einfach loswerden", begrüßt von Thun das Publikum im vollbesetzten Max-Littmann Saal. "So viele Menschen, die sich nicht um die Gans oder den Karpfen in der Küche kümmern, sondern in diesen wunderschönen Saal gekommen sind. Mir macht das eine große Freude". Das Publikum spürt, das ist kein "Fishing for Compliments", der Mann hat schon so viel gesehen: Da spricht einer der großen Mimen, der auch mit 75 Jahren, Menschen mit seiner Kunst glücklich machen will.


Dialog von Wort und Musik

Rechts auf der Bühne ein schöner Christbaum, dekoriert mit roten Sternen. Links bescheiden an die Seite der Bühne gerückt ein kleiner Tisch mit dekorativen Band und Adventkranz. In der Mitte kein Dirigentenpult, sondern ein Cembalo. Teils davor stehend, teils als Pianist auf dem Klavierstuhl leitet der junge Timo Handschuh das Südwestdeutsche Kammerorchester. Über die Gewichtung des Abends sagt das nichts aus und es ist still, als Friedrich von Thun zu lesen beginnt, obwohl ihn der Balkon links gar nicht sehen kann.

Nein, eigentlich liest er nicht, trägt auch nicht vor. Er erzählt einfach, was auf dem Blatt steht, nimmt Anteil, unterstreicht mit knappen Gesten und fesselt ohne jedes Pathos mit seiner warmen, leicht rauchigen, unverwechselbaren Stimme, die ihn durch ein ganzes Schauspielerleben getragen hat. Seine Stimme richtet alles, und tatsächlich entspinnt sich im Lauf des Abends ein von beiden Seiten leidenschaftlich geführter Dialog in Wort und Musik.


Das letzte Wort hat der Kontrabass

Das Südwestdeutsche Kammerorchester, ein anerkanntes Musikensemble, das über 200 CDs eingespielt hat, unter anderem mit dem Grand Prix du Disque ausgezeichnet worden ist , hat sich auch als vielbeschäftigtes Festivalorchester einen Namen gemacht.

Mit einer herzaufschließenden Überraschung beginnen das international besetzte Profiorchester. Timo Handschuh - er dirigiert unaufgeregt, aber bestimmt - hat "Zwölf Tonbilder für Orchester" von Carl Reinecke ausgewählt. Der Zeitgenosse von Schumann und Brahms, hat darin Stücke aus seinen Märchenopern zusammengefasst. Die eingängigen Melodien sind einfühlsamer Einstieg in die "liebevolle Wärme von Weihnachten " wie es in der darauffolgenden Geschichte um das Hirtenfeuer von Selma Lagerlöf heißt.

Besonders das dritte Tonbild gelingt dem Orchester wunderbar leicht, als der Kontrabass dem Pizzicato der Violinen und Celli selbstbewusste Antworten entgegensetzt und dabei gern das letzte Wort behält. Dem Publikum wachsen die Bassgeige und Matthias Botzet mit ausdrucksvollem Spiel richtig ans Herz.


Oscar Wilde und Chassidische Legenden

Auch Friedrich von Thun hat Überraschendes auf Lager, erzählt Oscar Wildes Geschichte von den zwölf Pfirsichbäumen und dem Riesen, in der unverstelltes Kinderleben hartherzige, mürrische Menschen zum Nachdenken bringt. Treffend zur einer Weihnachtsgeschichte aus Finnland, erklingt Edvard Griegs Suite "Aus Holbergs Zeit". Der Beifall zeigt: Nordisch klar, das können Handschuh und seine Musiker besonders gut. Aber auch dem - fast schon unvermeidlichen - Weihnachtskonzert von Torelli gewinnen die Musiker neue, weil von Schmalz befreite Seiten ab.

Ein persönliches Anliegen für Friedrich von Thun ist eine Geschichte von Axel Corti. Den vielseitigen Künstler kannte von Thun persönlich. Diese chassidische Legende um den jüdischen Rabbi Hillel bringt die Religionen einander näher. Hier wie dort kommt es nicht darauf an, etwas Besonderes zu sein. Eher muss sich jeder der am Ende die Frage stellen: "Wie hast Du dich bemüht, der zu sein, der du bist? Wie das von Thun schildert, das geht dann schon bei vielen unter die Haut. Aber es wird wieder versöhnlicher mit Musik von Niels W. Gades "Weihnachts-Abend" op. 36.

Und dann darf sogar gelacht werden. Friedrich von Thun hatte sich Ludwig Thoma für den Schluss aufgehoben. Genüsslich und allzu menschlich spöttelt er über das Weihnachtsessen, zu dem ein besserer Herr geladen war. Er sieht sich drei übriggebliebenen Töchtern gegenüber, die aber durchaus "dem ledigen Stand zu entsagen bereit waren", kann sich für den Ehestand erwärmen, verlobt sich an Neujahr aber mit der Tochter des Apothekers. Auflockernder heiterer Ausklang.

Wem die Tradition des Festes am Herzen liegt, wer Erbauliches, Besinnliches und Heiteres gerne mit schöner Musik verbindet, der ging am Vorweihnachtsabend beglückt vom Winterzauber nach Hause.
 
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