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Bad Kissingen
Warum Synagogen viel mehr als nur Steine sind
Eine Wanderausstellung in der Oberen Saline von Bad Kissingen zeigt Baupläne, Ansichten und Fotos kleiner und großer Synagogen im Landkreis. Warum auch wir heute noch Verantwortung tragen.
Die Ausstellung 'Mehr als Steine' zeigt Synagogen als Zeichen jüdischer Kultur und jüdischen Lebens in Unterfranken.       -  Die Ausstellung 'Mehr als Steine' zeigt Synagogen als Zeichen jüdischer Kultur und jüdischen Lebens in Unterfranken.
Foto: Sigismund von Dobschütz | Die Ausstellung "Mehr als Steine" zeigt Synagogen als Zeichen jüdischer Kultur und jüdischen Lebens in Unterfranken.
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 05.09.2022 15:42 Uhr

Anlässlich des Jubiläumsjahres "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" war von vergangenem November bis Januar die Ausstellung "Mehr als Steine - Synagogen in Unterfranken " in der Würzburger Residenz zu sehen. Eine speziell auf den Landkreis Bad Kissingen bezogene Auswahl an Exponaten wird nun nach Präsentationen in Münnerstadt und Bad Brückenau im Rahmen der Jüdischen Kulturtage seit dem Wochenende in der Orangerie des Bad Kissinger Museums Obere Saline gezeigt. Die Wanderausstellung ist bis zum 31. Juli jeweils mittwochs bis sonntags von 14 bis 17 Uhr kostenfrei zu besichtigen.

Vor 20 Jahren begannen die Architektin Cornelia Berger-Dittscheid und andere Wissenschaftler mit der ersten umfassenden Dokumentation der über 200 jüdischen Gemeinden in Bayern. Ihre Forschungsergebnisse wurden in drei Gedenkbänden veröffentlicht, die die Geschichte der jüdischen Gemeinden, ihrer Einrichtungen und Synagogen aufzeigen. Der aus zwei Büchern bestehende dritte Band über die um 1930 noch 112 bestehenden Gemeinden Unterfrankens - über die Hälfte aller Gemeinden Bayerns - ist die Grundlage dieser Ausstellung, in der Baupläne, Ansichten und Fotos kleiner und großer Synagogen im Landkreis gezeigt werden.

Zwei Drittel aller früheren Synagogen bestehen als Gebäude noch heute, berichtete Berger-Dittscheid in ihrem Einführungsvortrag zur Ausstellungseröffnung. Allerdings seien diese Gebäude nach dem Krieg zu Wohnungen, Lager- oder Feuerwehrhäusern umgenutzt worden.

In ihrem Vortrag schilderte sie die bauliche Entwicklung jüdischer Einrichtungen innerhalb der vergangenen 1 200 Jahre, seitdem jüdische Gemeinden in Bayern dokumentiert sind. Sie beschrieb deren Anfänge als mittelalterliche Judenhöfe im Besitz adliger Gutsbesitzer. Für diese "Schutzjuden" oder auch "Adelsjuden", die für ihr Wohnrecht Schutzgeld zahlen mussten, wurden kleine Siedlungen mit Wohnungen, Schule und Synagoge gebaut. Ein späteres Beispiel solcher Anlagen ist der Erthal'sche Judenhof in der Bad Kissinger Bachstraße. Städtische Judenhöfe befanden sich am Ortsrand, die Bethäuser standen oft als kleine Hinterhofsynagogen versteckt hinter größeren Gebäuden.

Erst nach dem Judenedikt des Jahres 1813 entstanden Synagogen als eigenständige Gebäude, die mit zunehmender Emanzipation der Juden in Größe, Architektur und Wertigkeit christlichen Gotteshäusern glichen. Berger-Dittscheid: "Jetzt wurden die Synagogen im öffentlichen Raum wahrgenommen." Gutes Beispiel ist die 1902 geweihte Neue Synagoge an der Kissinger Maxstraße, die sich in ihrem romanischen Baustil - Architekt war der bekannte Bad Kissinger Baumeister Carl Krampf (1863-1910) - deutlich von der ersten, 1848 gebauten, bescheidenen Alten Synagoge an der Bachstraße unterschied.

Doch diese Gleichwertigkeit ihrer Synagogen mit christlichen Kirchen wurde den jüdischen Gemeinden in den 1930er Jahren zum Verhängnis, wie Referentin Berger-Dittscheid erklärte. Die auffälligen - Wohnhäuser überragenden - Kuppeln als Zeichen der veränderten gesellschaftlichen Stellung der Juden waren für die Nazis ein "Stein des Anstoßes". Deshalb wurde die in der Pogromnacht 1938 durch Feuer beschädigte Bad Kissinger Synagoge , deren einst prächtiges Aussehen man in einer von der TU Darmstadt produzierten 3-D-Virtualisierung in der Ausstellung am Großbildschirm sehen kann, nach einstimmigem Ratsbeschluss im April 1939 noch vor Beginn der Kursaison abgebrochen.

Das Jubiläumsjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" sei 2021 kein Festjahr, sondern ein "Verantwortungsjahr", betonte stellvertretende Landrätin Brigitte Meyerdierks (CSU) in ihrem Grußwort zur Ausstellungseröffnung, zu der auch Bad Kissingens 3. Bürgermeister Thomas Leiner (CSU) zahlreiche Gäste begrüßen konnte. "Wir waren zwar nicht dabei", erinnerte Meyerdierks an den Holocaust , "aber wir haben Verantwortung mitzutragen". Deshalb sei diese Ausstellung "sehr wichtig und sollte gut besucht werden".

Ausstellung "Mehr als Steine - Synagogen in Unterfranken ", Orangerie des Museums Obere Saline, bis 31. Juli jeweils mittwochs bis sonntags von 14 bis 17 Uhr, Eintritt frei

Ausstellungsband Cornelia Berger-Dittscheid: "Mehr als Steine - Synagogen in Unterfranken ", Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns, Taschenbuch, 124 Seiten, ISBN 978-3-938831-71-7

Gedenkband Hans-Christoph Dittscheid u.a. (Hrsg.): "Mehr als Steine. Synagogen-Gedenkband Unterfranken (Band 3)", gebunden, 1784 Seiten, Preis: 98 Euro, ISBN ‎978-3-898704-50-2

 
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