Kennengelernt haben sich der Diplom-Psychologe und die Körper-Therapeutin 2012 an ihrem Arbeitsplatz, den Heiligenfeld-Kliniken in Bad Kissingen. Und doch kam jeder von ihnen zunächst aus einer völlig anderen "Welt". Jochen Auer war früher im europäischen Computer-Großhandel tätig gewesen und war als selbstständiger Verkäufer quer durch die Welt gereist, um zahlreiche Menschen, beispielsweise in China, England und den USA, für hochentwickelte Rechner, deren Komponenten und Software zu begeistern. Irgendwann zog er eine für ihn lehrreiche Zwischenbilanz: Je mehr Geld die Leute, denen er begegnete, hatten, umso weniger glücklich schienen sie zu sein. "Damals wurde mir klar, dass ich nicht so weiter machen wollte."
Der heute 49-Jährige nahm eine einjährige Auszeit und studierte danach in Innsbruck Psychologie. Es war das, was er eigentlich schon immer hatte machen wollen und auch nach dem Abitur zunächst angestrebt hatte. Nach diesem Studium ging er in die Selbsterfahrung und forschte an der Uni in Liverpool zum Thema Achtsamkeit und Meditation.
Ein Buch zusammen mit Norbert Seeger
Dann sei er übers Internet mit dem in Fachkreisen bekannten deutschen Diplom-Pädagogen Norbert Seeger (damals Bad Orb) in Kontakt gekommen, der in seiner Arbeit unter anderem auch auf Achtsamkeitstraining setzt. Seeger wollte, dass er in die Spessartklinik kommt, erzählt Auer. Der Gestalt-Therapeut habe damals gerade ein neues Konzept zum Thema Adipositas entwickelt. Gemeinsam schrieben beide 2014 dann das Buch "Abnehmen durch Achtsamkeit". Auf Seegers Empfehlung hin sei er vor acht Jahren schließlich an die Heiligenfeld-Klinik in Bad Kissingen gekommen, in der er heute leitender Psychologe ist.
Seine Frau Anna habe er kennengelernt, als sie ein Praktikum an der Bad Kissinger Klinik machte. Gleich im ersten Monat habe es zwischen ihnen gefunkt, erinnert sich Anna Auer und lacht. Eigentlich sei sie damals gerade dabei gewesen, sich eine neue berufliche Existenz aufzubauen. Denn auch sie hatte etwas hinter sich lassen müssen. Anders als bei ihrem Mann, war bei ihr damals der Lebenstraum wie eine Seifenblase zerplatzt.
Der starke Wunsch zu tanzen
Die gebürtige Essenerin verbrachte die ersten drei Lebensjahre mit den Eltern im Senegal, wo es den Vater, der Architekt ist, damals hin verschlagen hatte. Aus dem Erlebnishorizont der westafrikanischen Republik habe sie vielleicht sogar den späteren Wunsch zu tanzen mitgebracht, sagt die heute 36-Jährige. Andererseits ist aber auch ihre Mutter eine ausgebildete Tänzerin. Für sie sei immer klar gewesen, dass sie nach der Schulzeit Bühnentanz studieren wird.
Die Ausbildung machte sie in Tilburg (Niederlande). Danach arbeitete sie als Tänzerin in Tschechien. Ihr Lebensplan schien aufzugehen. Bis zu jenem 5. Dezember 2009, als sie einen schweren Autounfall hatte. Sie war als Beifahrerin mit einem Kommilitonen im Auto unterwegs gewesen. Der junge Mann habe verkehrswidrig überholt und es sei zu einem frontalen Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug gekommen. Alle Unfallbeteiligten hätten dennoch "Glück im Unglück" gehabt. Die schweren Verletzungen seien nicht lebensbedrohlich gewesen. Allerdings hatte sie selbst aber unter anderem einen zweifachen Bruch des Sprunggelenks zu verkraften.
Eine neue Idee für die Zukunft
"Die Ärzte sagten mir ganz offen, dass ich den Bühnentanz vergessen kann." Irgendwann konnte sie zwar wieder laufen, aber die Schmerzen blieben. "Für mich war das eine Zäsur in meinem Leben, denn die Schmerzen begleiteten mich." Als sie später wieder Mut gefasst hatte, ließ sie sich zur Heilpraktikerin umschulen, und kam während dieser Ausbildung bereits mit körpertherapeutischen Methoden in Berührung - Ansätze, die ihr letztendlich selbst bei der Behandlung ihrer Schmerzen halfen, wie sie sagt.
War die Körper-Therapie vielleicht ihr Weg für die Zukunft? Um das herauszufinden, studierte sie zwei Jahre an der Uni Marburg Motologie (die Lehre vom Zusammenhang zwischen Psyche und Körper) und arbeitete später in Gießen als Tanzpädagogin. Die Bad Kissinger Kliniken empfahlen ihr Studienfreunde aus Marburg. Zunächst machte sie dort ein Praktikum und bekam dann später eine feste Stelle als Körper-Therapeutin.
Erfahrungen im Alltag nutzen
Seit Mai 2019 ist sie aber nun selbstständig und leitet das "Haus für Bewusstheit im Leben" in Stralsbach, das sie, gemeinsam mit ihrem Mann, im Juni 2016 eröffnete. "Uns verbindet die Arbeit mit dem Körper", sagt Anna Auer. Sie selbst zeige den Kursteilnehmern, wie man über die Bewegung zu innerer Kraft kommt. Ihr Mann lehre den Weg der Achtsamkeit.
"Wir haben unser Zentrum so genannt, weil jeder jeden Tag, wenn er aufsteht, die Erfahrung der Achtsamkeit machen kann", sagt Jochen Auer. "Man muss für diese Erfahrung nicht in eine Schweigekloster im Himalaya fahren." Bei den Kursen und Seminaren in Stralsbach versuchten er und seine Frau, die Gäste in solche "Erfahrungen eintauchen zu lassen", sagt der Diplom-Psychologe. Am Ende stehe die Erkenntnis, dass man "mit sich selbst im Kontakt" ist und das Leben Spaß macht.
Stralsbacher empfingen sie mit offenen Armen
Das leerstehende Haus in Stralsbach fiel beiden im Herbst 2015 ins Auge, als sie während einer Radtour durch den Ort kamen. Damals hatten sie schon länger überlegt, sich irgendwo ein Häuschen zu kaufen. Nachdem sie es besichtigt hatten, sei klar gewesen, dass es ihr neues Zuhause werden würde, sagt Anna Auer. Die Stralsbacher hätten sie denn auch sehr herzlich aufgenommen.
Ein bisschen geheimnisvoll sei ihr Vorhaben im "Haus für Bewusstheit" anfangs so manchem Ortsbewohner vielleicht schon vorgekommen, sagt Jochen Auer und erzählt amüsiert eine nette Anekdote. Eines seiner Seminare heißt "Die Dämonen füttern". Damit seien in der Psychologie innere Konflikte und Ängste gemeint. Ein Handwerker habe ihn kurze Zeit später darauf angesprochen und festgestellt: "Na, wie ich hörte, treibt ihr da oben auch Hexen aus, oder?"