Am 6. Oktober 1944 wurde die tschechische Jüdin Ilse Weber (1903-1944) gemeinsam mit ihrem zehnjährigen Sohn Tomáš und anderen Kindern unmittelbar nach Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Über das Leben und Wirken der deutschsprachigen Schriftstellerin und Lyrikerin, die als " Chronistin des Lagers Theresienstadt" der Nachwelt bekannt blieb, berichtet am Dienstag, 26. Juli (19.30 Uhr), im Rahmen der Jüdischen Kulturtage der Vortrag "Wann wohl das Leid ein Ende hat?" von Hans-Jürgen Beck, Initiator der vor 20 Jahren gemeinsam mit Stadt und Landkreis eingeführten Veranstaltungsreihe. Seinen mit zahlreichen Originalfotos unterstützten Vortragstext liest Sigismund von Dobschütz .
Ilse Weber wurde 1903 in Witkowitz (Mährisch-Ostrau, damals Österreich-Ungarn, heute Tschechien) als Ilse Herlinger geboren. In der Gaststätte ihrer Mutter, in der sie schon als Kind aushalf, trafen sich Polen, Tschechen und Deutsche, weshalb auch Ilse multikulturell und mehrsprachig aufwuchs.
Sie schrieb ihre schon zur Jugendzeit an der deutschen Schule veröffentlichten kleinen Theaterstücke, jüdischen Märchen, Kurzgeschichten und Gedichte zwar auf Deutsch, fühlte sich aber in ihrer Heimatverbundenheit eher als Tschechin. Nach der Schulzeit stieg sie in den Gastwirtschaftsbetrieb der Mutter ein, bis sie 1930 ihren Jugendfreund Willi Weber heiratete. Auch nach Geburt der beiden Söhne Hanuš (1931) und Tomáš (1934) verfasste sie weiterhin Kinder- und Jugendbücher .
Zunehmend isoliert
Mit Aufkommen des Nationalsozialismus wandten sich die Deutschen von ihr als Jüdin ab, Tschechen wiederum mieden sie als Deutsche, wodurch die Familie zunehmend isoliert wurde. Als die Pläne zur Auswanderung scheiterten, siedelte die Familie im Jahr 1939 nach Prag um. Dort gelang es ihnen, im Mai den achtjährigen Sohn Hanuš mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Wie sehr sie als Mutter darunter litt, machte Ilse Weber in einem ihrer späteren Lieder deutlich.
In Prag arbeitete Ilse Weber als Krankenschwester. Im Februar 1942 wurde die Familie getrennt, als sie mit Sohn Tomáš ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde. Auch dort arbeitete Ilse in der Krankenstation. In ihrer knappen Freizeit entstanden viele Gedichte, die sie selbst vertonte und den Kindern und Alten im Krankenrevier vorsang, sich selbst auf der Mandoline begleitend.
Als 1944 von Theresienstadt ein Kindertransport ins KZ Auschwitz ging, zu dem auch ihr zehnjähriger Sohn Tomáš eingeteilt war, begleitete Ilse diesen Transport, um ihren Sohn und die anderen Kinder nicht allein zu lassen. Doch unmittelbar nach Ankunft am 6. Oktober 1944 wurden Ilse Weber, ihr Sohn und die anderen Kinder ermordet.
Augenzeugen berichteten später, dass sie Ilse Webers Stimme noch aus der Gaskammer hörten, als sie den Kindern ihr Lied "Wiegala" vorsang: "Wiegala, wiegala, wille, / wie ist die Welt so stille! / Es stört kein Laut die süße Ruh, / schlaf, mein Kindchen, schlaf auch du. / Wiegala, wiegala, wille, / wie ist die Welt so stille!"
Veranstaltung: "Wann wohl das Leid ein Ende hat?, Ilse Weber als Chronistin von Theresienstadt", Vortrag von Hans-Jürgen Beck, gelesen von Sigismund von Dobschütz , Dienstag, 26. Juli, 19.30 Uhr, Landratsamt Bad Kissingen (Sitzungssaal), Obere Marktstraße 6. Der Eintritt ist frei.