Ich weiß inzwischen, wann man alt ist. Ich meine: wann genau. Ganz genau. Das scheint ja nicht immer so ganz klar. Aber es gibt zwei untrügliche Anzeichen.
Erstens: Man kauft sich an einem Tag X aus freien Stücken ein Blutdruckmessgerät.
Zweitens: Man nennt Gleichaltrige "alte Leute" und regt sich zum Beispiel darüber auf, dass diese "alten Leute" im Hallenbad so unendlich langsam umherwatscheln und alles blockieren.
Mein neues Blutdruckmessgerät hat es in sich. Es verfügt laut Inhaltsangabe über "zwei mal 30 Speicherplätze für Datum und Uhrzeit". Und weil die Augen immer mehr nachlassen und man immer tüteliger wird, weist meine Neuanschaffung "ein gut lesbares LCD-Display mit Meldung von Anwendungsfehlern" auf.
Die Freude über die Neuanschaffung währte nicht lange. Zwar hielt ich den Arm beim Messen wie gewünscht in Herz-Höhe. Das Gerät aber machte, was es wollte. Eben war der Wert noch 141/70, eine Minute später zeigte das LCD-Display gut lesbar 131/97 an. Und zwischendurch tauchte 155/151 auf.
Dafür gab es zwei Erklärungen: Entweder das Gerät spielte verrückt. Oder mein Blutdruck. Wobei mir die erste Variante um einiges lieber war. Ich wartete darauf, dass ein Anwendungsfehler aufleuchten würde. Oder dass ich einer gepflegten Ohnmacht anheim falle.
Doch nichts dergleichen. 155/151. Ich stand tagelang unter Schock und kann mit niemandem darüber sprechen. Wie gelähmt saß ich da. Während ich in jungen Jahren dem Wort "Bluthochdruck" nie Bedeutung beimaß, bestimmt es nun mein Leben.
Ich suche seither verzweifelt Menschen, die höhere Werte vorweisen können und noch am Leben sind. Bisher war diese Suche jedoch erfolglos. Neulich kapitulierte das Messgerät sogar vor meinen hohen Werten. Das war, als ich mich über ein paar Gleichaltrige aufregen musste: Wie diese alten Leute mit ihrem langsamen Gewatschel im Hallenbad den Verkehr aufhielten, war für mein Blutdruckmessgerät zu viel. Es verabschiedete sich mit einem Wort: Error.