Oberzell mit Ziegelhütte
Wagen ist auch in Detroit gefragt
Helmut Gärtner aus Oberzell kann in seiner Sammlung mehr als 60 Oldtimer präsentieren. Sein 1922er Columbia Super Six ist beispielsweise ein Unikat.
Nachdem Helmut Gärtner 2012 seinen Fuhr- und Baggerbetrieb an seinen Sohn Matthias abgegeben hatte, ist der heute 70-Jährige ganz in sein Hobby eingestiegen: Mehr als 60 Oldtimer nennt er sein Eigen. Etliche davon stehen in seiner Classic-Halle in Oberzell.
Ein gewaltiger Cadillac präsentiert sich neben einem schicken Triumph und einem kleinen Goggo-Mobil - alle in leuchtendem Rot. Es ist ein imposanter Anblick, der sich schon beim Betreten einer der Hallen in Oberzell bietet, wenn Helmut Gärtner das Garagentor öffnet. Weiter hinten im Raum stehen etliche Motorräder - darunter eine "Wanderer" aus den 1930er Jahren. "Die sind alle fahrbereit", versichert Gärtner.
Das gilt auch für die Autos im Obergeschoss, wo sich auch sein erster Oldtimer befindet: Mit dem Mercedes 170V, Baujahr 1951, fing 1984 alles an. "Innerhalb von zehn Minuten kriege ich jedes Fahrzeug flott. Ich muss nur die Batterien einbauen oder anschließen. Die sind nämlich wegen der Brandgefahr abgeklemmt", erläutert der einstige Fuhrunternehmer.
Jeden Tag, so sagt er, komme er nach Oberzell in die Halle und arbeite an den Fahrzeugen zusammen mit einem angestellten Schlosser. "Wir verstehen uns prächtig. Jeden Mittag sitzen wir bei Kaffee und Kuchen zusammen - auch wenn mal etwas nicht so richtig geklappt hat", berichtet Gärtner. Aktuell arbeiten sie an einem Mercedes-Lastwagen 1624, Baujahr 1970, Tachostand 1,8 Millionen Kilometer. Der größere Bruder, ein drei-achsiger 2624, steht schon in einer der Hallen. Der 1624er soll Ende des Jahres oder kommendes Frühjahr fertig sein.
"Im Grunde muss man immer zwei Fahrzeuge in Arbeit haben. Wenn es an einem nicht weitergeht, weil vielleicht Ersatzteile fehlen, dann kann man am anderen weiterschrauben", sagt Gärtner, der nach der Übergabe seines Fuhrbetriebs 2012 nach einer neuen Beschäftigung suchte und dann richtig in sein Hobby einstieg. "Ein Hausmann war er nie", sagt seine Frau Minna mit einem Lachen.
Also kaufte er eine alte Schreinerei, restaurierte die Hallen und zog mit seinen Fahrzeugen, die zuvor zum Teil bei Bekannten in Scheunen untergestellt waren, in Oberzell ein. Der Standort sei optimal, sagt Gärtner. Die Landschaft biete eine tolle Kulisse, über die Autobahn gehe es schnell nach Fulda. Bad Brückenau und Schlüchtern seien auch schnell erreichbar. Das sei vor allem bei der Ersatzteilbeschaffung von Vorteil. Dazu hat Gärtner unter den "Kollegen", wie er die anderen Oldtimer-Liebhaber nennt, bereits ein Netzwerk geknüpft.
So kam er auch an sein größtes Schmuckstück, das er nicht selbst wieder auf die Räder gebracht hat. Den Columbia Super Six, Baujahr 1922, entdeckte er in Thüringen bei einem Automobilrestaurator unter einer Plane. Der Mann und seine Frau, die in diesem Wagen geheiratet hatten, wollten den Columbia eigentlich nicht verkaufen. "Es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis ich ihnen den abgeschwatzt hatte", erinnert sich Gärtner. Der Kontakt zu den Thüringern besteht noch immer. Das Paar hatte es sich damals ausbedungen, den Wagen immer mal wieder anschauen zu können.
Dreimal sei bereits eine Delegation aus Detroit in Oberzell gewesen. "Die wollen den Columbia unbedingt. Aber den verkaufe ich nicht. Das Geld brauche ich nicht und will ich auch gar nicht", sagt Gärtner über den Schatz auf vier Holzrädern, den er in der Region gelegentlich ausfährt - wenn auch sehr selten. Aber - und das gilt für alle seine Fahrzeuge - Autos und Motorräder wollen hin und wieder bewegt werden.
Nur wenige Meter weiter im Obergeschoss, in das die Autos über einen Aufzug kommen, steht eine weitere Rarität. Ein amerikanischer Hudson - Acht-Zylinder-Reihenmotor. Für den hat Gärtner noch sämtliche Papiere: Reparatur- und Pflegeunterlagen bis zurück zum Kaufvertrag. 1001 US-Dollar hat das Coupé mit im Heck ausklappbarem "Schwiegermuttersitz" gekostet - 900 Euro Grundpreis. Ersatzräder an der Seite und Innenspiegel mit eingebauter Uhr waren Sonderausstattung. Vier, vielleicht fünf Exemplare gibt es vom Hudson noch, schätzt Gärtner. Mit einem ähnlichen Modell, allerdings keinem Coupé, fuhr die fast 80-jährige Berliner Autohändlerin und Rallyefahrerin Heidi Hetzer zweieinhalb Jahre rund um die Welt.
Gärtner kommt in seiner Halle kaum aus dem Schwärmen heraus und zeigt schon auf die nächste Seltenheit: ein Aero 500, den er einst für 10 000 Mark aus Tschechien importiert hat. Die Geschichte dahinter ist durchaus tragisch. Im Tausch gegen einen lebenswichtigen Dialyseapparat wollte der Vorbesitzer Gärtner den Wagen überlassen. Der Staat habe den Handel jedoch zunächst verhindert. Drei Jahre später - der potenzielle Verkäufer war unterdessen gestorben - rief dessen Sohn bei Gärtner an, der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Aero an der Grenze übernahm. Durch Beziehungen hatte der Sohn eine Ausfuhrgenehmigung erwirkt. "Aber das Geschäft musste schnell und zu jenem bestimmten Zeitpunkt über die Bühne gehen", erinnert sich der Schlüchterner.
"Ich habe hier so viel Material, dass ich 100 werden müsste", sagt Gärtner mit einem Lachen. Besonders begeistert ist er von seinem nächsten Projekt. Neben den historischen Baumaschinen ist eine Grünfläche zu sehen. Dort soll bald eine "Schau-Tankstelle" entstehen. Das Gebäude aus den 1950er Jahren hat er bereits gekauft. Dazu passen würde der große Mercedes-Tanklastzug, der wie viele andere seiner Sammlerstücken die Aufschrift "Helmut Gärtner Fuhr- und Baggerbetrieb" trägt.
Weiteres Projekt
Lok umgebaut Neben der Restaurierung weiterer Oldtimer und dem Aufbau einer historischen Schau-Tankstelle auf seinem Grundstück hat Helmut Gärtner noch ein weiteres Projekt in Planung:
Rechtzeitig zur 850-Jahr-Feier in Oberzell wurde sein Grill fertig. Und er wäre nicht Helmut Gärtner, wenn der Grill nicht auch noch etwas mit Fahrzeugen zu tun hätte. Zu diesem Zweck hatte er eine Lok umgebaut, die einst in Ronneburg im Bergwerksbetrieb fuhr. In nächstem Jahr soll diese Lok, an der auch kleine Wagen hängen, in Gärtners idyllischem Garten in Oberzell auf Schienen stehen und über das Grundstück rollen können. au
Ein gewaltiger Cadillac präsentiert sich neben einem schicken Triumph und einem kleinen Goggo-Mobil - alle in leuchtendem Rot. Es ist ein imposanter Anblick, der sich schon beim Betreten einer der Hallen in Oberzell bietet, wenn Helmut Gärtner das Garagentor öffnet. Weiter hinten im Raum stehen etliche Motorräder - darunter eine "Wanderer" aus den 1930er Jahren. "Die sind alle fahrbereit", versichert Gärtner.
Das gilt auch für die Autos im Obergeschoss, wo sich auch sein erster Oldtimer befindet: Mit dem Mercedes 170V, Baujahr 1951, fing 1984 alles an. "Innerhalb von zehn Minuten kriege ich jedes Fahrzeug flott. Ich muss nur die Batterien einbauen oder anschließen. Die sind nämlich wegen der Brandgefahr abgeklemmt", erläutert der einstige Fuhrunternehmer.
Jeden Tag, so sagt er, komme er nach Oberzell in die Halle und arbeite an den Fahrzeugen zusammen mit einem angestellten Schlosser. "Wir verstehen uns prächtig. Jeden Mittag sitzen wir bei Kaffee und Kuchen zusammen - auch wenn mal etwas nicht so richtig geklappt hat", berichtet Gärtner. Aktuell arbeiten sie an einem Mercedes-Lastwagen 1624, Baujahr 1970, Tachostand 1,8 Millionen Kilometer. Der größere Bruder, ein drei-achsiger 2624, steht schon in einer der Hallen. Der 1624er soll Ende des Jahres oder kommendes Frühjahr fertig sein.
"Im Grunde muss man immer zwei Fahrzeuge in Arbeit haben. Wenn es an einem nicht weitergeht, weil vielleicht Ersatzteile fehlen, dann kann man am anderen weiterschrauben", sagt Gärtner, der nach der Übergabe seines Fuhrbetriebs 2012 nach einer neuen Beschäftigung suchte und dann richtig in sein Hobby einstieg. "Ein Hausmann war er nie", sagt seine Frau Minna mit einem Lachen.
Also kaufte er eine alte Schreinerei, restaurierte die Hallen und zog mit seinen Fahrzeugen, die zuvor zum Teil bei Bekannten in Scheunen untergestellt waren, in Oberzell ein. Der Standort sei optimal, sagt Gärtner. Die Landschaft biete eine tolle Kulisse, über die Autobahn gehe es schnell nach Fulda. Bad Brückenau und Schlüchtern seien auch schnell erreichbar. Das sei vor allem bei der Ersatzteilbeschaffung von Vorteil. Dazu hat Gärtner unter den "Kollegen", wie er die anderen Oldtimer-Liebhaber nennt, bereits ein Netzwerk geknüpft.
So kam er auch an sein größtes Schmuckstück, das er nicht selbst wieder auf die Räder gebracht hat. Den Columbia Super Six, Baujahr 1922, entdeckte er in Thüringen bei einem Automobilrestaurator unter einer Plane. Der Mann und seine Frau, die in diesem Wagen geheiratet hatten, wollten den Columbia eigentlich nicht verkaufen. "Es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis ich ihnen den abgeschwatzt hatte", erinnert sich Gärtner. Der Kontakt zu den Thüringern besteht noch immer. Das Paar hatte es sich damals ausbedungen, den Wagen immer mal wieder anschauen zu können.
Dreimal sei bereits eine Delegation aus Detroit in Oberzell gewesen. "Die wollen den Columbia unbedingt. Aber den verkaufe ich nicht. Das Geld brauche ich nicht und will ich auch gar nicht", sagt Gärtner über den Schatz auf vier Holzrädern, den er in der Region gelegentlich ausfährt - wenn auch sehr selten. Aber - und das gilt für alle seine Fahrzeuge - Autos und Motorräder wollen hin und wieder bewegt werden.
Nur wenige Meter weiter im Obergeschoss, in das die Autos über einen Aufzug kommen, steht eine weitere Rarität. Ein amerikanischer Hudson - Acht-Zylinder-Reihenmotor. Für den hat Gärtner noch sämtliche Papiere: Reparatur- und Pflegeunterlagen bis zurück zum Kaufvertrag. 1001 US-Dollar hat das Coupé mit im Heck ausklappbarem "Schwiegermuttersitz" gekostet - 900 Euro Grundpreis. Ersatzräder an der Seite und Innenspiegel mit eingebauter Uhr waren Sonderausstattung. Vier, vielleicht fünf Exemplare gibt es vom Hudson noch, schätzt Gärtner. Mit einem ähnlichen Modell, allerdings keinem Coupé, fuhr die fast 80-jährige Berliner Autohändlerin und Rallyefahrerin Heidi Hetzer zweieinhalb Jahre rund um die Welt.
Teils tragische Hintergründe
Gärtner kommt in seiner Halle kaum aus dem Schwärmen heraus und zeigt schon auf die nächste Seltenheit: ein Aero 500, den er einst für 10 000 Mark aus Tschechien importiert hat. Die Geschichte dahinter ist durchaus tragisch. Im Tausch gegen einen lebenswichtigen Dialyseapparat wollte der Vorbesitzer Gärtner den Wagen überlassen. Der Staat habe den Handel jedoch zunächst verhindert. Drei Jahre später - der potenzielle Verkäufer war unterdessen gestorben - rief dessen Sohn bei Gärtner an, der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Aero an der Grenze übernahm. Durch Beziehungen hatte der Sohn eine Ausfuhrgenehmigung erwirkt. "Aber das Geschäft musste schnell und zu jenem bestimmten Zeitpunkt über die Bühne gehen", erinnert sich der Schlüchterner. "Ich habe hier so viel Material, dass ich 100 werden müsste", sagt Gärtner mit einem Lachen. Besonders begeistert ist er von seinem nächsten Projekt. Neben den historischen Baumaschinen ist eine Grünfläche zu sehen. Dort soll bald eine "Schau-Tankstelle" entstehen. Das Gebäude aus den 1950er Jahren hat er bereits gekauft. Dazu passen würde der große Mercedes-Tanklastzug, der wie viele andere seiner Sammlerstücken die Aufschrift "Helmut Gärtner Fuhr- und Baggerbetrieb" trägt.
Weiteres Projekt
Lok umgebaut Neben der Restaurierung weiterer Oldtimer und dem Aufbau einer historischen Schau-Tankstelle auf seinem Grundstück hat Helmut Gärtner noch ein weiteres Projekt in Planung:
Rechtzeitig zur 850-Jahr-Feier in Oberzell wurde sein Grill fertig. Und er wäre nicht Helmut Gärtner, wenn der Grill nicht auch noch etwas mit Fahrzeugen zu tun hätte. Zu diesem Zweck hatte er eine Lok umgebaut, die einst in Ronneburg im Bergwerksbetrieb fuhr. In nächstem Jahr soll diese Lok, an der auch kleine Wagen hängen, in Gärtners idyllischem Garten in Oberzell auf Schienen stehen und über das Grundstück rollen können. au
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