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Bad Kissingen
Wachmacher vor dem Abschlusskonzert
Eines der schönsten Konzerte dieses Kissinger Sommer mit der Sopranistin Measha Brueggergosman und dem Delian-Quartett
Die Sopranistin Measha Brueggergosman und das Delian-Quartett mit Miriam Prandi (Violoncello) Andreas Moscho (2. Violine), Adrian Pinzaru (1. Violine) und Georgy Kovalev (Viola).  Foto: Thomas Ahnert       -  Die Sopranistin Measha Brueggergosman und das Delian-Quartett mit Miriam Prandi (Violoncello) Andreas Moscho (2. Violine), Adrian Pinzaru (1. Violine) und Georgy Kovalev (Viola).  Foto: Thomas Ahnert
| Die Sopranistin Measha Brueggergosman und das Delian-Quartett mit Miriam Prandi (Violoncello) Andreas Moscho (2. Violine), Adrian Pinzaru (1. Violine) und Georgy Kovalev (Viola). Foto: Thomas Ahnert
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 11:40 Uhr
Selbst der letzte Tag des Kissinger Sommers 2017 war nicht frei von Überraschungen. Da schleppte man sich nach viereinhalb Wochen Turbomusik in ein Konzert, das den nicht sehr verheißungsvollen, aber zur Stimmung passenden Titel "Oder soll es Tod bedeuten?" trug - auch wenn das nur ein Liedzitat ist. Und dann verließ man am Ende bestens gelaunt und frisch gestärkt fürs Schlusskonzert den Rossini-Saal. Was war geschehen?

Das Delian-Quartett und die kanadische Sopranistin Measha Brueggergosman waren da. Das wäre an sich noch keine Nachricht, aber das, was sie taten, erwies sich als durchaus berichtenswert. Da hat so mancher eines der schönsten Konzerte dieses Sommers verpasst.

Gut, der Beginn war noch verhältnismäßig konventionell. Da spielten Adrian Pinzaru und Andreas Moscho (Violine), Georgy Kovalev (Viola) und Miriam Prandi Violoncello) drei Contrapuncti aus Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge" und, durchaus passend, den bearbeiteten Choral "Vor deinen Thron tret'* ich hiermit". Schließlich bricht der Contrapunctus XVIII mittendrin ab. Dabei spielte das Quartett nicht nur ganz klar strukturierend durch eine prägnante Hervorhebung der Themenköpfe, sondern entlockte auch mit wunderbar weichen, gedeckten Klangfarben dieser konstruierten Musik starke Aspekte des Emotionalen, des Persönlichen.

Die große Überraschung folgte: Aribert Reimann hat neun Heine_Vertonungen von Felix Mendelssohn-Bartholdy für Sopran und Streichquartett bearbeitet und mit mehreren reflektierenden Intermezzi zu einer Einheit zusammengefügt. Das Ergebnis ist geradezu überwältigend. Nicht nur, weil die dunkel timbrierte, weiche, flexible Stimme von Measha Brueggergosman so wunderbar zu den vier etwas spröden Instrumenten passte, sondern weil man ein völlig neues Bild von Romantik bekam. Denn Reimann hat die "alte" Romantik in die Klangwelten der Gegenwart geholt und dadurch die Lieder noch attraktiver gemacht. Er hat durch die Intermezzi geschickt Verbindungen zwischen den Liedern aufgebaut, so dass die Spannung ihr Niveau bruchlos halten kann
Und plötzlich machte man noch eine andere Beobachtung: Auch wenn man Lieder wie "Leise zieht durch mein Gemüt", "Auf Flügeln des Gesanges" oder "Allnächtlich im Traume" schon immer gemocht hat, kam einem die herkömmliche Klavierbegleitung plötzlich ein bisschen antiquiert vor.

Die andere Überraschung: Der Italiener Stefano Pierini hatte im Auftrag des Delian-Quartetts zehn Chansons von Kurt Weill für erweitertes Streichquartett (Miriam Prandi spielte bei drei Liedern auch Klavier): berühmte Lieder wie "September Song", "Speak low", "Youkali", "Janas Lied" oder "I'm a stranger here myself" oder "Berlin im Licht" - Lieder, die zum Teil noch vor Weills Exil entstanden sind, pfiffige, sentimentale, aufmüpfige Lieder.
Da konnte Measha Brueggergosman mit großer innerer Ruhe und Souveränität die enorme Bandbreite ihrer Stimme ausspielen, da sang sie mit einem Augenzwinkern und betätigte sich als pünktliche Perkussionistin. Und das Quartett zauberte wunderbare Stimmungsbilder. Und es wurde deutlich, was für schöne, unverkrampfte Lieder Kurt Weill schreiben konnte.
 
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