„20 Jahre Bad Kissinger Tafel e. V. – Ein Grund zum Feiern?!?“ – so stand es auf der Einladung zu einem Stehempfang anlässlich des Jubiläums und stellte damit die Frage, ob ein Verein, der sich um bedürftige Menschen kümmert, überhaupt feiern darf. „Wieso nicht“, war die Antwort von Dagmar Ziegler als Vorsitzender, und dies wurde in den Grußworten an Vorstand und den Helfern bestätigt: „Feiern Sie, Sie haben es verdient“, so Peter Zilles als Landesvorsitzender der bayrischen Tafeln.
Über 80 Mitglieder folgten der Einladung, um in zwangloser Atmosphäre die letzten zwei Jahrzehnte Revue passieren zu lassen. Die Initialzündung erfolgte durch Iris Hönig, die Gründungs- und langjährige Vorsitzende des 2004 gegründeten Vereins war, bei einem „Frühstücksgespräch“ mit interessierten Frauen. Sie sei begeistert gewesen von der Tafel-Idee, dass man einerseits bedürftigen Menschen mit dem Notwendigsten für den Alltag versorgt und andererseits hierfür Nahrungsmittel verwendet, die ansonsten entsorgt werden.
Durch ehrenamtliches Engagement
Bereits im Jahre 1993 wurde in Deutschland nach einem amerikanischen Vorbild die erste Tafel mit dem Ziel gegründet, die Versorgung von Obdachlosen zu verbessern. Berlin war damals der Ausgangspunkt für eine Bewegung, durch die mittlerweile 970 Tafel-Vereine bundesweit dafür sorgen, dass Nahrungsmittel eingesammelt, aufbereitet und an armutsbetroffene Menschen abgegeben werden. Grundlage ist dabei das ehrenamtliche Engagement, so Dagmar Ziegler in ihrer Begrüßung beim Jubiläums-Stehempfang, und deshalb dankte sie allen aktuellen und früheren Helfern für ihren Einsatz, der sich im vergangenen Jahr auf 7000 Stunden summierte.
Über die 20 Jahre hinweg hätte man die 100.000-Stunden-Grenze sicherlich überschritten und auch die verteilten Nahrungsmittel addierten sich auf über 1000 Tonnen. Froh war Dagmar Ziegler auch über das gute Miteinander mit den Tafel-Vereinen in Hammelburg und Bad Brückenau, deren Vertreter sie herzlich begrüßte, sowie auf Landes- und Bundesebene.
Für Bürgermeister Anton Schick ist das Engagement der Tafel-Vereine „in ihrer Art einzigartig und ein Erfolgsmodell“. Er dankte den Helfern der Kissinger Tafel für ihren Einsatz, lobte deren engen Zusammenhalt und verwies auf die notwendige Unterstützung durch Firmen oder andere Vereinigungen wie Rotary oder Lions-Club. Die Arbeit für die Tafeln werde leider nicht weniger, so Schick, und deshalb wünsche er weiterhin immer engagierte Helfer: „Ihr seid ein Vorbild in unserer Gesellschaft.“
Die Glückwünsche des Landkreises überbrachte stellvertretender Landrat Gotthard Schlereth , der der Bad Kissinger Tafel bestätigte: „Ihr leistet einen wichtigen Dienst bei der Versorgung von bedürftigen Menschen.“
800 Menschen werden über die Tafel versorgt
Die Zahlen in Bezug auf die 800 hilfsbedürftigen Menschen, die über die Ausgaben versorgt werden, belegten diese bemerkenswerte Leistung. Sein Blick ging zurück auf die Veränderungen bei den Tafelkunden durch die Krisen dieser Welt und den Wandel von dankbaren Kunden hin zu „nicht einfachen Kunden “. Landesvorsitzender Peter Zilles blickte zurück auf seine ersten Kontakte zur Kissinger Tafel: „Ich wurde von zwei jungen Damen empfangen und durch die Tafel-Räumlichkeiten im Alten Feuerwehrhaus geführt.“ Seit dieser Zeit sei der Kontakt immer konstruktiv gewesen und die Kissinger Tafel habe die Hilfsangebote vom Landesverband sowohl in organisatorischen als auch in finanziellen Bereichen an- und wahrgenommen. Eine Feier gehöre nun mal zu einem Jubiläum, so Peter Zilles, aber feiern solle man die Arbeit für das Gemeinwohl und das Engagement der Tafeln mit allen Helfern und Förderern. Er wünschte den Kissingern für die Zukunft, dass sie immer gute Nachfolgelösungen im Vorstand und immer ausreichende ehrenamtliche Helfer finden mögen.
Wie 2004 alles begann
Mit 29 Mitgliedern und 33 ehrenamtlichen Helfern startete die Tafel Bad Kissingen e.V. im Jahre 2004, und noch im gleichen Jahr konnte sie zwei Ausgaberäume in der alten Feuerwache der Stadt beziehen. Tatkräftige Unterstützung bei den erforderlichen Umbaumaßnahmen erhielten die Initiatoren rund um Gründungsvorsitzende Iris Hönig durch junge Aussiedler, die unter der Regie von Streetworker Albert Köpplin dazu beigetragen haben. Anfangs wurden wöchentlich bis zu 183 Bedürftige versorgt, die auch schon damals einen Berechtigungsschein vorlegen mussten. Mit einem von der Firma Gewürze Lay oHG finanzierten Kombi wurden die nicht verkauften Nahrungsmittel von Geschäften der Region abgeholt, vorsortiert und als festes Sortiment abgeben. Weitere Unterstützung kam vom Lions Club Bad Kissingen , der das erste Kühlhaus finanzierte. Die Bilanz nach dem 1. Jahr: 6355 armutsgefährdete Menschen wurden versorgt.
Schnell vergrößert
Danach ging es im rasanten Tempo weiter. Die Räumlichkeiten wurden auf 250 Quadratmeter vergrößert, ein Kühlfahrzeug ergänzte den Fuhrpark, pro Woche wurde bis zu 500 Personen mit Lebensmitteln versorgt, die ansonsten durch den Handel entsorgt worden wären. Im Rückblick auf das Jahr 2009 wurden 7900 ehrenamtliche Stunden und 27.000 gefahrene Kilometer bilanziert. In den Folgejahren wurde die Logistik der Tafeln in Nordbayern um ein Zentrallager in Gochsheim erweitert, wo auch die Kissinger Tafel zugreifen konnte – im Jahr 2011 waren es Waren im Wert von einer Million Euro für Nordbayern. Doch auch im lokalen Bereich erfolgte die Unterstützung auf vielfältige Weise: Aus einem Vortrag, der von Lions Club , Rotary Club und den Wirtschaftsjunioren organisiert worden war, erfolgte eine Spende in Höhe von 10.000 Euro, ein größeres Kühlfahrzeug wurde gesponsert, ein Brunch für Bedürftige wurde im Kurgarten-Café organisiert oder Spielwaren-Ahlert übergab Weihnachtsgeschenke für die Jüngsten aus bedürftigen Familien.
Ergänzt wurde die Hilfe für bedürftige Familien durch die „Versteckten Engel“, die finanzielle Unterstützung für die Kinder dieser Familien übernahmen. In den Jahresberichten zeigte sich einerseits der Bedarf an einer niedrigschwelligen sozialen Hilfe, denn aus den 183 Bedürftigen pro Woche wurden es 500 Bedürftige und sind es mittlerweile hilfsbedürftige Personen, die in 300 ehrenamtlichen Stunden durch 75 ehrenamtliche Helfer pro Woche versorgt werden. Im Durchschnitt waren es 8000 Helferstunden pro Jahr, in der Summe der 20 Jahre also die stolze Zahl von über 160.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Besondere Zeiten mit besonderen Herausforderungen waren dabei die Flüchtlingsströme aus dem Jahr 2015 und die Ukraine-Flüchtlinge aus 2022, was zu einem Aufnahmestopp bei den Tafeln bundesweit geführt hat.
Was in diesen Zahlen nicht ersichtlich ist, ist der organisatorische Aufwand dahinter, der auch mit finanziellen Dimensionen verbunden ist. Ausreichende Helfer müssen für die beiden Abgabetage gefunden werden, die Abholdienste müssen besetzt werden, Hygienerichtlinien und Kühlketten eingehalten, digitale Dokumentationen beachtet werden – und es gibt vieles mehr, was durch Vorstand und Helfer organisiert werden muss.
