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Münnerstadt
Von den Katzen überlebt nur "Dorie" das Feuer im Tierheim Wannigsmühle
Ein verheerender Brand hat das Tierheim bei Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) schwer beschädigt. 52 Katzen starben in den Flammen. Doch es gibt ein kleines Wunder.
Im Inneren des ausgebrannten Tierheims herrschen Verwüstung und Zerstörung.
Foto: Anand Anders | Im Inneren des ausgebrannten Tierheims herrschen Verwüstung und Zerstörung.
Simon Snaschel
 und  Susanne Will
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:31 Uhr

Es ist Ursula Boehm nicht anzusehen, dass sie in dieser Nacht kaum geschlafen hat. Schmal und aufrecht steht sie da, redet mit Reportern, dem Bürgermeister, dem Brandermittler, gibt Mitarbeitern Anweisungen, dankt Menschen, die gekommen sind, um ihre Hilfe anzubieten. "Es bringt ja niemandem etwas, wenn ich jetzt einen Nervenzusammenbruch bekomme. Ich funktioniere." Doch natürlich kämpft sie mit dem, was sie am Mittwochabend mitansehen musste: wie ihr Tierheim, die Wannigsmühle, abbrannte. Und in den Flammen und im Rauch 52 Katzen starben.

Rückblick: Mittwoch, 20.20 Uhr. In der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Unterfranken meldet sich eine Frau, hörbar geschockt. Die Wannigsmühle brenne, meldet sie. Die Wannigsmühle, das ist eine frühere Mühle in der Nähe von Münnerstadt, die seit den 1980er Jahren als Tierheim für den Landkreis Bad Kissingen genutzt wird. Derzeit finden dort neben Kleintieren wie Meerschweinchen und Kaninchen rund 20 Hunde Unterschlupf, im Haus leben 53 Katzen, rund um den idyllischen Platz zwischen Wäldern, Wiesen und dem Bach Wannig streifen viele Freigängerkatzen. Die Meldung kommt einer Katastrophe gleich.

Entsetzen, Fassungslosigkeit und Angst

In Minuten machen sich die Feuerwehren der ganzen Umgebung auf den Weg, doch als sie die Wannigsmühle erreichen, ist schnell klar: Das Haupthaus kann wohl kaum noch gerettet werden. Eine dicke Rauchsäule steht über dem Tal, Flammen schlagen meterhoch aus dem Dach. Während die Wehren blitzschnell ihre Schläuche ausrollen und beginnen, das Feuer mit Wasser einzudämmen, flüchten die Draußen-Katzen panisch in die Wälder, die Hunde in den Zwingern bellen, winseln, jaulen.

Zwischendrin: Ursula Boehm. Ihr Gesicht spiegelt Entsetzen, Fassungslosigkeit, Angst. Angst um ihre Mitarbeiter. "Sind die noch drin? Sind die da etwa reingelaufen, um die Tiere zu retten?", fragt sie einen Feuerwehrmann. Nein, die größte Sorge konnte ihr gleich genommen werden – es war kein Mensch mehr im Haus.

Noch ist unklar, ob das Gemäuer abgerissen werden muss.
Foto: Anand Anders | Noch ist unklar, ob das Gemäuer abgerissen werden muss.

Nach dem Aufatmen die brutale Erkenntnis: Die Tiere im Haus sind unrettbar verloren. Im ersten Stock des Gebäudes ist die Katzenstation. 53 Tiere leben dort, teils in Räumen, teils in Käfigen. Die Feuerwehr kann nichts für sie tun – ins Gebäude zu gehen wäre lebensgefährlich gewesen.

Und dann passiert ein kleines Wunder: Eine Katze hat es aufs Dach geschafft, auf einen kleinen Teil, der nicht brannte. Es ist "Dorie", eine grauschwarze Katze. Die Feuerwehr rettet das verängstigte Ding. Sie ist die einzige von 53, die es geschafft hat. Die Meldung in der Nacht, dass drei Hunde gestorben seien, entpuppt sich als Fehlermeldung. Keinem Hund wurde ein Haar gekrümmt.

Welle der Solidarität

Gar von 300 toten Tieren war anfangs die Rede. Feuerwehrleute vermuten tags darauf, die Zahl sei aus einem Hörfehler entstanden: Aus "drei Hunden" sei "dreihundert" geworden. Um Gerüchte auszuräumen, wird über die Polizei noch in der Nacht eine erste Schätzung veröffentlicht: 60 Tiere sollen verendet sein. Am Donnerstag herrscht traurige Klarheit.

Noch während der Löscharbeiten stürzt der Dachstuhl unerwartet leise in sich zusammen. Den 70 Feuerwehrmännern und –frauen aus Münnerstadt, Großwenkheim, Kleinwenkheim, Thundorf und Bad Kissingen gelingt es in der Nacht, das Feuer zu löschen. Da sind schon viele Menschen in der Wannigsmühle angekommen, um ihre Hilfe anzubieten: Tierpfleger und -pflegerinnen, Veterinäre, Gassi-Geher, die ehrenamtlich die Hunde ausführen und nun geschockt Augenzeugen der Katastrophe werden.

Tierheimleiterin Ursula Boehm mit einer Freigänger-Katze, die nach der Aufregung wieder zurückkehrte.
Foto: Susanne Will | Tierheimleiterin Ursula Boehm mit einer Freigänger-Katze, die nach der Aufregung wieder zurückkehrte.

Auch der Chef des Tierheims Schwebheim ist hier, er bietet an, Hunde bei sich unterzubringen. Da jedoch die Käfige der Hunde in einer sicheren Zone liegen, muss er nur einen mitnehmen – einen Hund, der durch Brand, Lärm, Rauch schwer verstört ist. Die Solidarität unter Gleichgesinnten bleibt nicht nur ihm im Gedächtnis. Ein Lichtblick in dunkler Stunde.

Auch Münnerstadts Bürgermeister Michael Kastl (CSU) ist gekommen. "Man hofft ja immer, dass es sich um einen Fehlalarm handelt", sagt er. Am nächsten Tag kann er noch nicht sagen, wie es mit dem Tierheim weitergehen wird.

Die Polizei beziffert den Schaden auf eine "hohe sechsstellige Summe", unklar ist, ob das Haus abgerissen werden muss. Brandermittler der Kripo Schweinfurt betreten am Donnerstagmorgen das Haus, sie tragen weiße Schutzanzüge und festes Schuhwerk. Mit einem Rechen durchforsten sie die Trümmer und die verkohlten Reste im Inneren nach Spuren. Außer ihnen darf nur Ursula Boehm ins Erdgeschoss hinein – zu groß ist die Einsturzgefahr. Sie bekommt die Gelegenheit, ins völlig durchnässte Büro zu gehen, um dort Dokumente und den Safe zu holen.

Dicke Rauchsäulen steigen am Abend des Brandes aus dem Tierheim Wannigsmühle auf.
Foto: Stefan Weber | Dicke Rauchsäulen steigen am Abend des Brandes aus dem Tierheim Wannigsmühle auf.

Noch ist völlig unklar, warum der Brand ausgebrochen ist. Ursula Boehm versucht, alle Mitarbeiter zu koordinieren, mit Behörden zu reden, so banale Dinge zu erledigen wie mit dem Stromanbieter zu telefonieren. Dann schlägt sie sich an die Stirn: "Wir haben ja derzeit keinen Strom, die Kommunikation ist schwierig – vor allem, weil unser Heim in einem absoluten Funkloch liegt."

Viele Mitarbeiter sind auch vor Ort, in ihren Augen spiegelt sich die Hoffnungslosigkeit, der Schock, einige weinen hemmungslos. Ursula Boehm geht ums Haus herum, schaut sich dort die Schäden an. Und da, plötzlich, miaut es hinter ihr. "Elvis!", ruft sie. Elvis ist einer der Freigängerkater. Er läuft aus dem Wald auf sie zu, schmiegt sich an ihre Wade. Sie nimmt ihn hoch, streichelt ihn. "Toll, dass du wieder da bist", flüstert sie ihm ins Ohr. Elvis klettert runter, läuft zu seinem Häuschen, frisst. Ursula Boehm schaut zum Haus, wo im ersten Stock, im Katzenstockwerk, die Fenster geborsten sind. "Es ist wirklich schlimm. Wir können keines dieser Lebewesen zurückholen."

Hilfe für das Tierheim Wannigsmühle

Der Brand im Tierheim hat die Menschen im Landkreis und vor allem in Münnerstadt tief erschüttert. Noch in der Nacht formierten sich auf sozialen Netzwerken im Internet Unterstützungsangebote, Menschen boten an, traumatisierte oder verletzte Hunde so lange bei sich aufzunehmen, bis das Tierheim wiederhergestellt ist. "Tierheime aus Aschaffenburg, Frankfurt, Fulda, Lohr haben uns Unterstützung zugesagt", sagt Ursula Boehm gerührt.
"Auch im Rathaus laufen die Telefone heiß – so viele wollen helfen", sagt Bürgermeister Michael Kastl. Viele Tierpfleger boten ihre Hilfe an, in dieser Redaktion meldeten sich Bürgerinnen und Bürger, die beim Aufräumen helfen wollen oder fragten, wie sie jetzt am besten helfen können. "Das ist unglaublich nett", sagt Tierheimchefin Boehm, "aber im Moment brauchen wir eigentlich nur Decken und Handtücher". Denn die sind mitverbrannt.
Was verschont blieb, war das Futterlager, auch Leinen und Geschirre sind genügend da. "Aber wir brauchen nicht drumrum reden: Was wir jetzt dringend brauchen, sind Geldspenden", sagt Ursula Boehm. 
Spendenkonto Stiftung Tierheim Wannigsmühle
IBAN: DE89 7935 1010 0031 1780 64
BIC: BYLADEM1KIS
Susanne Will
 
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Kommentare
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  • S. T.
    Danke allen Helfern und danke für das Einblenden der Spendennummer. Ich denke aber , dass hoffentlich die Kommune verstanden hat, dass Tierschutz eine KOMMUNALE Aufgabe ist und die Stadt Münnerstadt da einfach tiefer in die Tasche greifen muss , um den Verein zu unterstützen und ordentliche Infrastruktur (Behausungen, Stallungen etc.) zu unterstützen. Und vielleicht hilft auch eine Kastrationspflicht für Katzen für den Landkreis? Damit hilft man den Tieren und spart Tierleid und Kosten !
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  • R. A.
    Tierschutz haust in Schrottimmobilien und unter Wert. Siehe auch kitzingen und auch schwebheim hat massive Defizite im Brandschutz.
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  • S. K.
    da sollte man sich vordringlich drum kümmern. Das sind lebende Wesen!
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  • H. H.
    Da sprechen Sie mir aus der Seele - @ ticktricktrack -

    Tierheime sind gesetzlich geregelter Maßen eine kommunale Aufgabe, aber wenn ich nur das unwürdige Gezerre beim Tierheim Kitzingen sehe, reicht es mir schon. Der Tierheim-Verein soll wenn ich mich recht erinnere für den (aus Standsicherheitsgründen erforderlichen!) Neubau einen sechsstelligen Betrag stemmen - ja reicht es den "Offiziellen" noch nicht, dass sich die Leute teilweise bis zur Erschöpfung persönlich einbringen??? Für allen möglichen "Unsinn" wird Geld rausgehauen, aber für eine festgeschriebene(!!) Aufgabe soll es hinten und vorne nicht langen?

    Wie ich schon sagte: unwürdig.
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  • S. K.
    Wie konnte sowas Schreckliches passieren? Gibt es da kein Feuerwarn- bzw. Alarmierungssystem?
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  • R. A.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • E. D.
    Jawoll, am besten über jeder Katzenbox einen Brandmelder installieren. Wohin das führt sieht man an einen sogenannten Flughafen in Berlin.
    Es tut mir leid für die Katzen, aber irgendwann muss es auch mal gut sein.
    Es war scheinbar ein Unfall und damit isses auch gut.
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  • R. A.
    Nein, damit "isses" es nicht gut. Übertriebener Brandschutz ist eine Sache, kein Brandschutz eine ganz Andere. Es muss nicht alles aufgebläht werden, aber eine Grundsicherung muss einfach angestrebt werden. Das heisst eben auch, das was gescheites installiert werden muss und nichts aus der Baumarktschütte. Auch eine Feuerbeschau bringt Defizite im Brandschutz ans Tageslicht. Diese Pflicht, gerade bei Gewerbebetrieben, wird gerne mal unter den Tisch fallen lassen. Auch hier ist die Kommune in der Pflicht, die Versäumnisse sind aber nicht von heute, sondern schon von vorgestern.
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  • A. K.
    Hallo Frau Boehm, mein Dank an Sie!

    Bitte teilen Sie deutlich mit, was Sie brauchen-

    bitte bringt frisch GEWASCHENE Decken und Handtücher - das TH wird aktuell nicht vor Gebrauch waschen können!
    Gestresste Tiere brauchen noch mehr Hygiene!

    Alles Gute und viel Kraft
    Anja K.
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