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Bad Kissingen
Von Bandscheiben-OP bis Schmerztherapie: Rückenspezialisten für die Rhön
Bei akuten oder komplexen Beschwerden an der Wirbelsäule hatten Patienten aus Unterfrankens Norden bisher lange Wege zum Facharzt. Eine neue Praxis in Bad Kissingen schließt die Lücke. Die Nachfrage ist riesig. Außerdem: Bei welchen Alarmsignalen sich Patienten schnell an einen Arzt wenden sollten.
Neurochirurg Adam Wohlwender wird Patienten mit Wirbelsäulenproblematiken in Bad Kissingen künftig auch mit dem 'C-Bogen', einem speziellen Röntgengerät, untersuchen.       -  Neurochirurg Adam Wohlwender wird Patienten mit Wirbelsäulenproblematiken in Bad Kissingen künftig auch mit dem 'C-Bogen', einem speziellen Röntgengerät, untersuchen.
Foto: Benedikt Borst | Neurochirurg Adam Wohlwender wird Patienten mit Wirbelsäulenproblematiken in Bad Kissingen künftig auch mit dem "C-Bogen", einem speziellen Röntgengerät, untersuchen.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 21.09.2022 16:52 Uhr

Hat ein Mensch einen akuten Bandscheibenvorfall, bei dem das Bandscheibengewebe die Nerven in der Wirbelsäule abdrückt, muss es schnell gehen. "Wichtig ist der Zeitfaktor", sagt Neurochirurg Adam Wohlwender vom Wirbelsäulenzentrum Würzburg. Je länger die Nerven gequetscht sind, umso größer ist das Risiko, dass sie nicht mehr vollständig regenerieren. Im schlimmsten Fall bleiben Langzeitschäden zurück.

Wenn sich ein Patient mit klaren Notfallindikatoren beim Wirbelsäulenzentrum meldet, werde er sofort einbestellt. Bestätigt sich bei der Untersuchung der Verdacht, muss der Arzt gemäß den Leitlinien sofort operieren. Solche Notfälle sind jedoch selten. Nicht jeder Bandscheibenvorfall muss operativ versorgt werden.

Nähere Versorgung entlastet Patienten

Von der Bandscheiben-OP über die neurochirurgische Nachsorge von Patienten nach Gehirntumor-Operationen bis zur Schmerztherapie bei Fehlhaltungen und schweren Muskelverspannungen: Das Wirbelsäulenzentrum Würzburg ist für Menschen mit komplexen, langwierigen Erkrankungen oder akuten Verletzungen an der Wirbelsäule der zentrale Ansprechpartner in der Region. Die Patienten kommen aus einem Einzugsgebiet, das sich vom Spessart im Westen bis zum Steigerwald im Südosten und zur Rhön im Norden erstreckt. Mehr als 200.000 Patienten wurden seit der Gründung der ursprünglichen Praxis in den 1990er Jahren behandelt und mehr als 30.000 Eingriffe vorgenommen.

"Die Region Bad Kissingen war schon immer stark bei uns vertreten. Für die Patienten war es aber sehr umständlich, immer nach Würzburg zu fahren. Die heimatnahe Versorgung ist sehr wichtig", sagt Praxismanagerin Gerlinde Fiedler. Das Zentrum hat in der Vergangenheit deshalb Stück für Stück ein Klinik- und Praxis-Netz aufgebaut. An den Standorten bieten die Fachärzte des Zentrums Sprechstunden an, teilweise operieren sie dort auch.

Der Norden war da bislang jedoch etwas unterrepräsentiert. Im Landkreis Bad Kissingen ist das Zentrum zwar seit etwa 20 Jahren mit seiner OP-Tätigkeit vertreten - aktuell im St. Elisabeth-Krankenhaus in Bad Kissingen . Zu den Sprechstunden mussten die Patienten aber längere Anfahrten in Richtung Süden in Kauf nehmen.

Das hat sich jetzt geändert. Das Wirbelsäulenzentrum ist ab sofort mit einer Praxis in der Klinik Bavaria (Von-der-Tann-Straße 18 - 22) in Bad Kissingen vertreten. An zwei Nachmittagen in der Woche finden Sprechstunden statt. Die Nachfrage ist groß, die Termine dort sind laut Fiedler bereits für mehrere Wochen vergeben. Akute Fälle würden jedoch zeitnah einen Termin in Bad Kissingen oder an einem der anderen Standorte erhalten, betont sie.

Knochenfräse als letztes Mittel

Das Patientenklientel des Wirbelsäulenzentrums ist im Durchschnitt 55 Jahre und älter. Im Landkreis Bad Kissingen hat die Bevölkerung ein höheres Durchschnittsalter als beispielsweise die Universitätsstadt Würzburg. Deshalb sei es umso wichtiger, in Bad Kissingen vertreten zu sein. "Unsere Schwerpunkte sind die Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sowie die peripheren Nerven", erklärt Facharzt Adam Wohlwender. Letzteres können etwa Beschwerden wie eingeschlafene Hände sein. Das Behandlungsspektrum reiche von konservativen Behandlungen, über minimalinvasive Eingriffe bis zu komplexen Operationen. "Eine wesentlich größere Anzahl unserer Patienten wird konservativ behandelt, als operativ", sagt der Arzt.

Eine Operation sei die letzte Wahl. Die Möglichkeiten hätten sich im Vergleich zu früher erheblich verbessert. Bei Bandscheibenvorfällen haben die Ärzte viele Optionen, den Patienten zu versorgen, ohne zur Knochenfräse zu greifen. Das gilt etwa, wenn die Schmerzen von Muskeln, Faszien oder Sehnen ausgehen. Wohlwender betont: "Sorgen vor unnötigen Operationen sind unbegründet. Wir operieren nicht als erstes, sondern verwenden viele andere Angebote, die die moderne Medizin zu bieten hat und die erprobt sind."

Die Sprechstunde in Bad Kissingen ist für die klassischen Beschwerden vorgesehen, soll aber auch Notfälle abdecken.

Alarmsignale Wirbelsäule: Bei Taubheit sofort zum Arzt

Patienten müssen nicht sofort bei jedem Rückenschmerz zum Arzt. "Bei der einfachen Verrenkung reichen oft lokale Wärmeanwendungen und leichte Bewegung aus", sagt Neurochirurg Wohlwender. Wenn die Schmerzen sich allerdings über einen längeren Zeitraum nicht bessern, sollte ein Facharzt konsultiert werden.

1. Ein Fall für die Wirbelsäulenspezialisten sind Rückenschmerzen, wenn sie auf andere Körperteile wie Arme und Beine ausstrahlen und vor allem wenn eine Reduktion der Muskelkraft und Taubheitsgefühle dazukommen - etwa in den Händen, in den Füßen oder im Unterleib. "Bei Rückenschmerzen mit Problemen beim Wasserlassen wird gleich eine Notfall-Operation in die Wege geleitet", sagt Wohlwender. Die Entleerung der Blase werde über Nervenbahnen im Spinalkanal der Wirbelsäule gesteuert. Ist diese Funktion gestört, ist das ein ernstes Warnzeichen.

Patienten mit Beschwerden an der Halswirbelsäule leiden häufig unter heftigen Nackenschmerzen. Falls zusätzlich der Schmerz in die Arme ausstrahlt, oder ein gestörter Gleichgewichtssinn, taube Hände oder eine eingeschränkte Feinmotorik dazukommen, ist eine Notfallvorstellung in der Praxis erforderlich. "Oft klagen Patienten zum Beispiel darüber, Messer und Gabel nicht mehr richtig halten zu können", erklärt der Facharzt .

2. Typisch für ältere Patienten ist die Schaufensterkrankheit. Betroffene müssen beim Laufen nach kurzen Strecken immer wieder Pausen einlegen, weil die Schmerzen sie dazu zwingen. Zugrunde liegt oftmals eine Spinalkanalstenose, bei der sich der Spinalkanal im Alter verengt und die Nerven einengt. "Man sollte sich nicht aufgrund seines Alters damit abfinden und sagen, dass die Schmerzen beim Laufen normal sind. Unbehandelt ziehen die Patienten sich zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurück. Dies fördert zum Beispiel die Entwicklung einer Demenz", sagt Wohlwender. Die Stenosen seien operativ gut behandelbar. Die Patienten und die Angehörigen erhalten durch eine OP ein erhebliches Stück Lebensqualität zurück.

3. Ebenfalls verbreitet leiden ältere Menschen an Osteoporose, also an einem Schwund der Knochenmasse. Manchmal reicht das bloße Körpergewicht der Betroffenen, um Wirbelkörper brechen zu lassen. Diese Frakturen führen zu erheblichen Schmerzen, teilweise entwickelt sich ein Witwenbuckel. Unbehandelt ziehen die Patienten sich zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurück, und entwickeln Parallelerkrankungen wie Demenz, Arthrose, Kurzatmigkeit und Lungenentzündungen. "Bei der Behandlung werden die Wirbel stabilisiert", erklärt der Spezialist. Bei weniger schweren Frakturen reiche es aus, Knochenzement einzuspritzen, bei schweren Verläufen werden Stäbe einoperiert.

4. Bei Bandscheibenvorfällen ist laut Wohlwender auffällig, dass zunehmend auch jüngere Patienten betroffen sind. Die meisten sind zwischen 30 und 60 Jahren alt, in Einzelfällen werden im Wirbelsäulenzentrum aber schon Betroffene im Teenager-Alter behandelt. Bewegungsmangel und stundenlanges Sitzen in einer starren Position begünstigen das, genauso wie Übergewicht.

Die Klinik Bavaria behandelt viele Patienten des Wirbelsäulenzentrums in der Reha weiter. Darüber hinaus kooperieren beide Einrichtungen bei der kurzfristigen Schmerztherapie. Das heißt, Patienten des Zentrums können sich vier Tage stationär in der Bavaria behandeln lassen. Sie bekommen Spritzen gegen reflektorische Verspannungen der Muskulatur, und zusätzlich therapeutische Anwendungen. "Das ist oft die letzte Möglichkeit vor einem operativen Eingriff", sagt Wohlwender.

Von der neuen Praxis profitiere auch die Klinik, betont Bavaria Verwaltungsleiter Heiko Escherich. "Wir sind orthopädisch bereits sehr gut aufgestellt, aber im Wirbelsäulenbereich ist es für uns ein fachlicher Zugewinn", sagt er. Die Sprechstunden kommen auch den eigenen Patienten zugute. Er freue sich aber vor allem, dass die Fachversorgung in der Rhön durch die Kooperation gestärkt werde.

Sprechstunde

Termine Der Besuch der Sprechstunde in der Klinik Bavaria ist nur mit Termin möglich. Die Terminvergabe und das Abklären der Beschwerden übernimmt das Zentrum in Würzburg. Patienten melden sich unter Tel.: 0931/ 417 910.

Die Sprechstunden finden montags und donnerstags Nachmittag statt. Die Untersuchungen übernehmen die Neurochirurgen Adam Wohlwender und Dr. Joachim Harth. Patienten werden im Testzentrum der Klinik auf Covid-19 getestet.

 
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