In einem ehemaligen Steinbruch betreibt der Landkreis Bad Kissingen auf einer Fläche von 65.000 Quadratmetern seine moderne Abfalldeponie. Davor wurde zwischen 1977 und 1991 bei Arnshausen der gesamte Müll des Kreises entsorgt.
Doch gegen Ende der 80er Jahre hatte die Lagerstätte in Arnshausen ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Im August 1989 wurde deshalb mit dem Bau der Deponie Wirmsthal begonnen.
Zwei Meter dicke Tonbarriere
Der ehemalige Muschelkalksteinbruch war ein idealer Standort: 400 Meter lang, 250 Meter breit und bis zu 60 Meter tief. Trotzdem waren die Herausforderungen riesig. Über 1,2 Millionen Tonnen Gestein mussten abgesprengt werden, um die notwendige Wandneigung von 75 bis 85 Grad zu erzielen. Die Seitenabdichtungen an den Felswänden wurden mit einer zwei Meter dicken Tonbarriere mit spezieller Filterdrainage verkleidet.
Tunnel unter dem Müll
Für die Ableitung des Sickerwassers über Drainageleitungen musste unter der Deponie ein 240 Meter langer Kontrolltunnel gegraben werden. Der daran anschließende Entwässerungsstollen ist nochmal 320 Meter lang. Dazu entstanden drei Regenrückhaltebecken mit einem Gesamtvolumen von 4600 Kubikmetern und zwei Sickerwasserspeicher mit je 850 Kubikmetern. Auch überdachte Abfallumladestationen, eine aufwendige Sickerwasserreinigungsanlage und ein Blockheizkraftwerk wurden gebaut.
„TASi Siedlungsabfall“ ab 2005
Ab 1991 wurde der gesamte Abfall aus dem Landkreis Bad Kissingen auf der Deponie bei Wirmsthal abgekippt: Haus-, Gewerbe- und Sperrmüll sowie Bioabfälle. Im Jahr 2005 änderte die neue „TASi Siedlungsabfall“ alles. Diese technische Anleitung sollte unter anderem sicherstellen, „dass Abfälle so behandelt, gelagert und entsorgt werden, dass die Umweltbelastung minimiert wird“. Dabei wurde besonderer Wert auf den Schutz von Luft, Boden und Grundwasser gelegt.
Seither dürfen auf der Deponie Wirmsthal keine organischen Abfälle oder Müll, der verbrannt werden kann, eingebaut werden. Nur noch mineralischer Bauschutt, Erdaushub und die Verbrennungsschlacke aus Schweinfurt und Würzburg kommen auf die Wirmsthaler Halde.
Strom aus Gärgasen
Die Einlagerung von Haus- und Biomüll zwischen 1991 und 2005 bereitet den Deponie-Mitarbeitern auch heute noch viel Arbeit und wird sie auch noch viele Jahrzehnte beschäftigen. Denn im Untergrund vergären tausende Tonnen Haus- und Gewerbeabfälle und setzen dabei Kohlendioxid und Methangas frei. In Zeiten des Klimawandels ein großes Problem.
Bereits seit 1992 wird daher mit den Gärgasen der Altdeponie Arnshausen und der Kreismülldeponie bei Wirmsthal Strom erzeugt. 60 über die gesamte Halde verteilte Gasbrunnen, so der Fachausdruck, fangen die klimaschädlichen Ausdünstungen auf. Sie werden an eine Verdichterstation geleitet und dann im eigenen Blockheizkraftwerk für die Stromerzeugung genutzt. Etwa 50 Kilowatt Strom pro Stunde werden auf diese Weise für den Eigenverbrauch gewonnen.
Sickerwasser wird gereinigt
Auch das anfallende Sickerwasser wird in Wirmsthal mit großem Aufwand aufgefangen und gereinigt. Dazu wurde in 60 Metern Tiefe eigens ein 240 Meter langer Kontrollgang aus Stahlbeton gegraben. Dort kommt das verunreinigte Wasser der Drainageleitungen an, wird analysiert und fließt über Rohre durch den 320 Meter langen Entwässerungsstollen zur Sickerwasserreinigungsanlage. Zwischen 18.000 und 20.000 Kubikmeter Schmutzwasser aus der Deponie werden dort jährlich geklärt.
Das gereinigte Sickerwasser wird über eine 2,6 Kilometer lange Druckleitung in die Kläranlage Bad Kissingen gepumpt. Das unbelastete Regenwasser von den Dächern oder abgedeckten Flächen fließt zunächst in drei insgesamt 4600 Kubikmeter fassende Regenrückhaltebecken. Von dort wird es über einen 2,3 Kilometer langen Kanal hinter Arnshausen in den Lollbach geleitet.
Müll wird in Wirmsthal umgeladen
Obwohl normaler Haus- und Gewerbeabfall seit 2005 nicht mehr auf der Deponie des Landkreises eingebaut werden darf, landet der gesamte Unrat zunächst im Abfallwirtschaftszentrum. Die Müllwagen kippen ihre Fracht in einer überdachten Umladestation ab. Dort wird die Masse von Mitarbeitern der Deponie begutachtet. Anschließend wird er wieder auf Lastwagen geladen und in die Verbrennungsanlage nach Schweinfurt gefahren.
Den Inhalt der Papiertonnen holt eine Recyclingfirma ab, Biomüll wird von Wirmsthal aus ebenfalls nach Schweinfurt gefahren. Auf der dortigen Deponie wird aus dem Biomüll durch einen kontrollierten Vergärungsprozess Strom erzeugt und danach wertvoller Boden für Gärten oder Blumentöpfe gewonnen.
Rote Karte bei Fremdstoffen
„Dazu muss der Biomüll möglichst rein sein“, erklärt Betriebsleiter Matthias Dorn. Die Fahrzeuge sind deshalb mit Metalldetektoren ausgestattet. Schlägt ein Sensor beim Entladen der Biotonne an oder entdecken die Müllleute andere unerlaubte Stoffe, wird dem Eigentümer die rote Karte gezeigt. Ein roter Anhänger informiert darüber, dass Störstoffe im Biomüll sind.
Die Liste der falschen Stoffe ist lang: Zigarettenkippen, Dosen, Nägel, Glas, Plastiktüten und vieles mehr. Und die angeblich kompostierbaren Biokunststoffbeutel. „Sie verrotten viel langsamer als der Biomüll und stören damit den Vergärungsprozess auf der Schweinfurter Anlage“, sagt Matthias Dorn.
An durchschnittlich 20 Biotonnen hängen die Müllmänner täglich die rote Karte. Der Besitzer muss bis zur nächsten Abfuhr die Fremdstoffe beseitigen, sonst bleibt die Tonne wieder stehen.
Zehn Müllwagen für den Landkreis
Zehn Mülllaster haben die Deponiebetreiber im Einsatz, um aus den Städten und Gemeinden des Landkreises Bad Kissingen Haus- und Sperrmüll, Bioabfälle und Altpapier abzuholen. Nur die Stadt Bad Kissingen ist davon ausgenommen. Die Welterbestadt lässt mit Rücksicht auf Touristen und Kurgäste die Tonnen von eigenen Mitarbeitern und Fahrzeugen direkt von den Grundstücken oder Hinterhöfen abholen. Die Bad Kissinger müssen ihre Abfallbehälter also nicht an den Straßenrand rollen.
Bis Ende Oktober 2022 war eine private Firma mit der Abholung des Mülls im Kreis beauftragt. Die durch Corona-Krise und den Krieg in der Ukraine gestiegenen Kosten hätten dem Betrieb aber eine kostendeckende Weiterführung des Auftrags unmöglich gemacht, sagt Jürgen Metz. Er ist Vorstand des für die Deponie zuständigen „Kommunalunternehmen Abfallwirtschaft des Landkreises Bad Kissingen“.
Diese kreiseigene „Anstalt des öffentlichen Rechts“ übernahm Fahrzeuge und Mitarbeiter der Privatfirma und bewältigt die Müllabfuhr seither in Eigenregie. 26 Fahrer und Lader sind täglich im gesamten Landkreis mit dem Leeren der Tonnen beschäftigt. Dazu arbeiten 16 Leute direkt auf der Deponie und zwölf in der Verwaltung.
Anlieferung aus benachbarten Bundesländern
Mit den Müllgebühren allein könnte der Landkreis eine solch technisch aufwendige Deponie nicht finanzieren, meint Matthias Dorn. Er arbeitet seit 1995 in Wirmsthal und ist seit 2005 der Chef auf der Kippe. Der weitaus größte Teil des Materials, das auf der Deponie gelagert wird, kommt deshalb aus anderen Landkreisen, unter anderem auch aus Südbayern und Baden-Württemberg.
Denn die Kosten für den Landkreis sind enorm: Seit 1991 wurden 119 Millionen Euro in den Bau und Betrieb der Deponie gesteckt. Und der Ausbau ist noch lange nicht zu Ende. Mit jedem Meter, den die Halde in die Höhe wächst, müssen auch die Seitenabdichtungen an den Steinwänden hermetisch abgedichtet werden.
Ab 2029 nur noch kreiseigene Abfälle
Die Wirmsthaler Deponie ist für die Lagerung von 4,065 Millionen Kubikmeter Material ausgelegt. Davon sind aktuell noch etwa 1,45 Millionen Kubikmeter verfügbar. Bis 2029, so Matthias Dorn, wird in Wirmsthal noch Fremdmüll angenommen. Die dann noch freien 700.000 bis 800.000 Kubikmeter sind ab diesem Zeitpunkt ausschließlich für Material aus dem Landkreis Bad Kissingen vorgesehen. Bei einer durchschnittlichen Menge von jährlich etwa 15.000 Kubikmetern aus dem Kreis ist der Deponiebetrieb ab 2029 noch für etwa 50 Jahre sichergestellt.
Bereits ab 2035 soll in Wirmsthal schrittweise mit der Rekultivierung des Deponiegeländes begonnen werden. Dafür werden schon seit der Eröffnung im Jahr 1991 jährlich Rücklagen gebildet. Denn die Rekultivierung ist teuer und vor allem langwierig.
100 Jahre Verantwortung
Weil der abgekippte Hausmüll aus den Jahren 1991 bis 2005 immer noch gärt und somit Kohlendioxid, Methangas und Sickerwasser freisetzt, muss der Betreiber auch nach der abgeschlossenen Rekultivierung dafür sorgen, dass die Umwelt nicht belastet wird.
Die Auflagen dafür werden vom Gesetzgeber regelmäßig verschärft. Daher dürfte die Verantwortung für die Wirmsthaler Deponiebetreiber nach der Rekultivierung erst nach weiteren 100 Jahren enden. Der Landkreis Bad Kissingen kann das Kapitel Abfalldeponie bei Wirmsthal also vermutlich erst im Jahr 2180 schließen.