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Unterfranken
Interview mit Krankenhaus-Koordinator für Unterfranken: Betten voll - wie geht es weiter?
Die Lage in den Krankenhäusern spitzt sich weiter zu. Was bedeutet das für Menschen, die nun eine intensivmedizinische Behandlung brauchen?
Im Interview haben wir mit dem Leiter der Krankenhauskoordinierung Dr. Michael Mildner darüber gesprochen, wie ernst die Lage in den Krankenhäusern ist und wie die nächsten Wochen werden könnten.       -  Im Interview haben wir mit dem Leiter der Krankenhauskoordinierung Dr. Michael Mildner darüber gesprochen, wie ernst die Lage in den Krankenhäusern ist und wie die nächsten Wochen werden könnten.
Foto: Andreas Lösch | Im Interview haben wir mit dem Leiter der Krankenhauskoordinierung Dr. Michael Mildner darüber gesprochen, wie ernst die Lage in den Krankenhäusern ist und wie die nächsten Wochen werden könnten.
Charlotte Wittnebel-Schmitz
 |  aktualisiert: 17.08.2022 00:30 Uhr

Dr. Michael Mildner ist Ärztlicher Leiter der Krankenhauskoordinierung für den Zweckverband für Rettungsdienste und Feuerwehralarmierung Schweinfurt.

Seine Aufgabe ist es, die Übersicht zu bewahren und die Verteilung der Patienten auf die Kliniken zu koordinieren. Er kennt sich daher bestens aus, wie die Lage in den Landkreisen Bad Kissingen, Haßberge, Rhön-Grabfeld, Schweinfurt sowie für die Stadt Schweinfurt ist.

Die für Corona vorgesehenen Intensivbetten waren am Dienstag in der Main-Rhön-Region erschöpft. Heißt das wirklich, es sind keine Betten mehr frei für Leute ohne Coronainfektion, die aber ein Intensivbett brauchen?

Dr. Michael Mildner: Gestern (Dienstag, 31.11.2021) gab es keine Intensivbetten mehr, auch für Leute, die keine Coronainfektion haben. Alles, was da kam, musste über das Kontingent der Intensivstationen untergebracht werden. Heute Morgen sah es besser aus, läuft aber inzwischen schon wieder zu. Aber es ist keine Frage der aufgestellten Betten. Es gibt Betten, auch auf der Intensivstation . Auch Maschinen. Aber es gibt nicht ausreichend Menschen, insbesondere in der Pflege. Es geht über die Kapazitätsgrenzen der Leute hinaus.

Kommen jetzt Mediziner, die in Pension sind, in die Intensivstationen ?

Es ist ein Verteilungskampf, der Personalpool ist begrenzt. Die Pensionäre sind überwiegend beim Impfen. Außerdem ist es nicht so sinnvoll, auf den Intensivstationen Leute einzusetzen, die schon ein paar Jahre raus sind und keine Erfahrungen mit der Behandlung von intensivpflichtigen Covid-Patienten haben. Aber keine Frage, es gibt Kollegen, die das könnten.

Sind schon Patienten in Ihrem Zuständigkeitsbereich ausgeflogen worden?

Nein, es ist noch niemand ausgeflogen worden. Ich rechne auch nicht damit. Bodengebunde Umverlegungen gibt es aber schon. Erst gestern wurde eine Person nach Würzburg gebracht.

Im Landkreis Miesbach werden bereits Leichensammelstellen vorbereitet. Ist es bei uns auch schon so weit?

Nein. Das haben wir in der ersten Welle gemacht. Bisher weiß ich nichts davon. In den südbayerischen Landkreisen hat die Kleeblattaktion für Entlastung gesorgt.

Wie geht es weiter?

Es gibt zwei Prognosen, die auf unterschiedlichen Algorithmen beruhen und wöchentlich neu berechnet werden. Die eine ist von der Universität Freiburg , die andere von der Universität Ulm . Die aus Freiburg besagt, dass am Dienstag der Scheitelpunkt war, dass es nun einen leicht rückläufigen Bedarf gibt. Das glaube ich nicht. Die Ulmer Prognose sagt, dass es noch zehn Tage ansteigen wird. Laut dieser kommt es in Unterfranken zu einer Steigerung des Intensivbettenbedarfs nochmals um 25 Prozent. Vor einer Woche lag die Prognose noch bei einer Steigerung von 30 bis 40 Prozent. Letztlich müssen wir abwarten, was eintreten wird.

Ist Triage derzeit ein Thema?

Echte Triage bei zwei Patienten mit einer gleich guten Prognose nicht.

Was meinen Sie mit echter Triage? Gibt es auch unechte?

Corona hat bei weitem keine hundertprozentige Letalität. Das gilt auch für ältere Menschen. Sie können es überstehen, allerdings mit geringeren Chancen. Es gibt Patienten, die laut Patientenverfügung invasive Maßnahmen abgelehnt haben, also nicht maximal behandelt werden wollen. Diese Erwägungen werden nun sicherlich strenger berücksichtigt. In enger Absprache mit den Angehörigen berücksichtigt man den mutmaßlichen Patientenwillen stärker. Manche verstehen darunter auch schon eine Triagesituation. Das sehe ich allerdings anders.

Manche Menschen verschieben jetzt Arbeiten. Etwa Holzarbeiten, weil sie Angst haben, sich eine Axt ins Bein zu hauen und dann nicht richtig behandelt zu werden. Ist diese Sorge begründet?

Dafür gibt es keinen Grund. Alle Notaufnahmen funktionieren und sind aufnahmebereit. Im Gegenteil, dafür ist ein Ellektivbehandlungsverbot ausgesprochen worden (Anmerkung der Redaktion: Aufschiebbare stationären Behandlungen wurden verschoben). Genau für diese Patienten, damit Spielräume da sind.

Operationen von Krebspatienten werden weiterhin nicht aufgeschoben?

Nein, nicht längerfristig, wenn, dann nur wenige Tage. Wenn man kein Intensivbett hat, dann braucht es schon mal eine Umverlegung, die organisiert werden muss. Es bedarf einer vorausschauenden Planung, aber das braucht man sonst auch.

Die Intensivbetten in der Region sind weniger geworden. Es gibt Leute, die sagen: Weniger Intensivbetten, höhere Auslastung, das bedeutet mehr Geld vom Staat. Sie werfen Krankenhäusern einen "Abrechnungsskandal" vor. Was würden Sie diesen Menschen antworten?

Solche Leute nerven mich total. Es ist das fehlende Personal, es bleiben Stellen nicht absichtlich unbesetzt. Wenn mich jemand mit so einer Aussage konfrontieren würde, würde ich eine Schicht auf der Intensivstation vorschlagen, weil man dann vielleicht am ehesten merkt, dass das so nicht stimmen kann. Sie könnten durchaus mithelfen. Wenn eine völlig erschöpfte Pflegerin zum zehnten Mal zum Labor läuft, um zum Beispiel Patientenblut zu bringen. Das könnte jemand machen, der keine medizinische Ausbildung hat.

Was erwarten Sie von der Politik?

Bisher hat man doch überwiegend von Nichtentscheidungen gehört. Oder solche, dass Fußballspiele - wie in der letzten Woche in Köln - in einem vollen Stadion abgehalten werden. Das ist extrem kontraproduktiv. Die vierte Welle kann nur durch Kontaktbeschränkung in erheblichem Maße schnell gebrochen werden.

Das, was jetzt gilt, reicht meiner Meinung nach nicht aus. Die weitere Ausweitung von 2G und 2G+ halte ich für einen sehr guten Ansatz. Natürlich muss man schon schauen, wie auch die Ungeimpften dann an ihre Lebensmittel kommen. Tabu ist für mich der nochmalige Lockdown für Schulen und Kitas, ich würde aber auf jeden Fall einen vorgezogenen Beginn der Weihnachtsferien befürworten.

 Das Gespräch führte Charlotte Wittnebel-Schmitz.

Am Dienstag meldete der Krankenhauskoordinator Dr. Michael Mildner die Stufe Rot für die Region Main-Rhön. Alle Intensivbetten waren belegt. 

 
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