
Wie alle Jahre gedachten bei der zentralen Gedenkveranstaltung Bad Kissingens am Volkstrauertag Abordnungen der Kissinger Feuerwehren , der Reservistenkameradschaft, des Technischen Hilfswerk , der Kriegsgräberfürsorge und anderer Verbände gemeinsam mit Mitgliedern des Stadtrats und Einwohnern am Ehrenrondell des Parkfriedhofs der Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft. Den musikalischen Rahmen besorgten die Kissinger Sängervereinigung und Bläser des Jugendmusikkorps.
Nach der Totenehrung zur Melodie „Ich hatt’ einen Kameraden“ mit Kranzniederlegung am großen Gedenkkreuz, der sich gleichzeitig die Reservistenkameradschaft mit eigenem Kranz anschloss, erinnerte Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD) in seiner ungewohnt tagespolitischen Ansprache an die Einführung des Volkstrauertags nach dem Ersten Weltkrieg . Damals sei es ein „nicht übersehbares Zeichen der Solidarität derjenigen, die keinen Verlust zu beklagen hatten, mit den Hinterbliebenen der Gefallenen“ gewesen.
In der Kindheit noch Kriegsteilnehmer erlebt
In seiner Kindheit in den 1980er Jahren habe er noch Männer erlebt, für die der Krieg "keine historische Betrachtung“, sondern der Volkstrauertag „ein Tag persönlicher Bewältigung und Verarbeitung“ war. Dagegen sei in folgenden Jahrzehnten die persönliche Betroffenheit durch eine wissenschaftliche Erinnerungskultur der Nachkriegsgeneration ersetzt worden mit „beinahe routinemäßigen Appellen, die „auf politischer Seite … einen formelhaften Charakter“ haben konnten.

Die alten Machtblöcke des Kalten Krieges hatten sich aufgelöst und waren durch Welthandel und Multilaterismus ersetzt worden. Vogel: „Mit dieser Illusion ließ sich gut leben. Militärische Gegner und ideologische Konkurrenten waren nun Handelspartner.“ „Wir haben lieber von militärischen Operationen hören, als Krieg wahrhaben wollen.“
Nach wie vor Länder, die Krieg als Mittel der Politik sehen
Doch mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine habe es einen Bruch gegeben, so der OB. „Die neue Front ist gut 2.000 Kilometer entfernt, nur zweimal nach Kiel und zurück.“ Seitdem lasse sich nicht mehr leugnen, „dass es nach wie vor oder wieder Länder gibt, für die Krieg nur die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln ist.“
Dabei sei die wechselseitige Anerkennung der Grenzen die zentrale Voraussetzung für die lange Friedensperiode nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Vogel: „Wer die Grenzen in Europa verrückt, öffnet die Büchse der Pandora.“
Gleichgewicht der Abschreckung aus dem Lot geraten
In vergangenen Jahrzehnten habe auch militärisches Gleichgewicht für Abschreckung und Frieden gesorgt. „Der neue Kriegswille Russlands muss in einer neuen Kriegsfähigkeit Deutschlands und Europas münden“, folgerte Vogel, ergänzte aber zugleich, „um am Ende, paradoxerweise, keinen Krieg führen zu müssen.“

Doch die Bundesregierung reagiere verwirrt und verzagt, kritisierte er. „Wie können wir als Land ernsthaft noch darüber diskutieren, ob wir eine allgemeine Dienst- und Wehrpflicht wieder brauchen? Wie soll eine echte Abschreckung in Zukunft noch funktionieren?“
Bewährte Konzepte aus Naivität abgeschafft
Der Luxus einer Debatte müsse begrenzt werden: „Äußere Sicherheit entsteht nicht auf dem Papier.“ In vergangenen Jahren seien bewährte Konzepte „aus einem Anfall von Naivität“ vorschnell abgeschafft worden. Vogel: „Wir sollten schon seit zwei Jahren an der Umsetzung arbeiten; stattdessen präsentieren wir Scheinlösungen.“
Die alten Männer seiner Kindheit, so der Oberbürgermeister abschließend, die ihre besten Jahre in Weltkriegen verloren hatten, würden die aktuelle Lage [in Deutschland, der Verfasser] nicht als dramatisch ansehen, solange kein echter Krieg ausbreche. Schließlich war zu ihrer Zeit der Schutz durch amerikanische Streitkräfte in den Kasernen in Bad Kissingen und Schweinfurt gegeben. „Aber die aktuelle Unfähigkeit, Entscheidungen und Vorkehrungen zur objektiv vorhandenen Lage zu treffen; die würden sie schon dramatisch finden.“
Die Berichterstattung über den Volkstrauertag in Bad Kissingen steht für ähnliche Veranstaltungen, die im Landkreis stattgefunden haben.
Aus "Nie mehr Krieg" wurde "wir müssen wieder kriegstüchtig werden". Was für ein Wahnsinn.
Willy Brandt, der große Mann der SPD, der sich für Frieden, Völkerverständigung und Abrüstung einsetzte, würde sich vermutlich im Grabe umdrehen.