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Reichenbach bei Münnerstadt
Vier Söhne kamen aus dem Krieg zurück
Seit 1951 gibt es die Antonius-Kapelle in Reichenbach. Gepflegt wird sie von Eugen und Edeltrud Reiter. Sie erzählt von einem kleinen Wunder.
Erst vor zwei Jahren wurde die Reichenbacher Antonius-Kapelle von Edgar Reiter und seiner Frau Edeltrud mit einem neuen Anstrich versehen.  Foto: Gerhard Fischer       -  Erst vor zwei Jahren wurde die Reichenbacher Antonius-Kapelle von Edgar Reiter und seiner Frau Edeltrud mit einem neuen Anstrich versehen.  Foto: Gerhard Fischer
| Erst vor zwei Jahren wurde die Reichenbacher Antonius-Kapelle von Edgar Reiter und seiner Frau Edeltrud mit einem neuen Anstrich versehen. Foto: Gerhard Fischer
Redaktion
 |  aktualisiert: 18.08.2022 16:50 Uhr

Eugen Reiter ist so etwas wie das Reichenbacher statistische Gedächtnis. An der Chronik des FC Teutonia Reichenbach hat er mitgewirkt. Zudem pflegt er eine ganz besondere Sammelleidenschaft - nämlich für Sterbebildchen der Toten, die im Dorf oder der Umgebung beigesetzt wurden.

Aber noch einer anderen Sache widmet sich Reiter mit Leidenschaft . Es ist die Kapelle, die man dorfauswärts Richtung Steinach kurz vor dem Sportplatz links am Straßenrand wahrnimmt. Es ist die alte Antoniuskapelle. Dass sie dort steht, hat mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs zu tun.

"Gestiftet haben die Kapelle meine Großeltern Stephan und Monika Back", erklärt Eugen Reiter, der sich bis heute mit seiner Frau Edeltrud um den Andachtsort kümmert. Die Großeltern mussten miterleben, wie alle ihre vier Söhne in den Krieg geschickt wurden. Wenn alle Söhne heil nach Reichenbach zurückkehren, dann würden sie eine Kapelle errichten lassen, so ihr damaliges Versprechen.

Und die Kinder kamen wieder zurück. Als erster kam Marinesoldat Alois aus englischer Gefangenschaft zurück. Dann kam Bernhard zurück. Er war als Kriegsgefangener im Camp Wheeler bei New York untergebracht. Auf dem Schiff "Queen Elisabeth" kam er zurück nach Europa. Dem jüngsten Sohn Edmund gelang nach fünf Jahren die Flucht aus russischer Kriegsgefangenschaft. Der Stalingrad-Soldat hatte im Frühjahr 1949 Reichenbach erreicht, genau eine Woche nach der Hochzeit seiner Schwester Rosa. "Es waren unglaubliche Szenen, die sich damals abspielten, nach all der Zeit der Trennung", weiß Eugen Reiter aus der Familiengeschichte. Als letzter Sohn und überhaupt letzter Reichenbacher Kriegsheimkehrer kam schließlich Wilhelm 1951 aus Frankreich zurück.

Noch im gleichen Jahr wurde die Kapelle errichtet und eingeweiht. Der damalige Bürgermeister Oskar Nöth besorgte das Grundstück. Die Familie und die zurückgekehrten Brüder errichteten die Kapelle aus Steinen. Den Dachstuhl errichteten Otto Nöth, Anton Trägner und Edwin Back.

Zu Christi Himmelfahrt am 6. Mai 1951 wurde die Kapelle eingeweiht. "Meine Mutter hat mich im Kinderwagen raufgeschoben", sagt Reiter. Pater Mattäus Zimmermann war damals der Ortsgeistliche. Diesen Namen hat Eugen Reiter schnell recherchiert. Schließlich verfügt sein Archiv auch über die Liste der Reichenbacher Ortsgeistlichen vieler Jahrzehnte .

Herz der Kapelle ist ein Antoniusbild, das ein gewisser Fridolin Kern aus Herlheim bei Gerolzhofen gemalt hat. 2009 wurde das Bild von dem Künstler Gerald Kriedner restauriert, die Jahre hatten ihm doch zugesetzt. Bald 70 Jahre existiert nun die Antoniuskapelle. Ein stummes Bauwerk eigentlich, das dann doch erzählt, wieviel Angst und Not die Kriegsjahre bedeuteten. "Uns Kindern wurde ja nichts erzählt, auch nicht vom Schrecken, den mein Onkel in Stalingrad erlebte", sagt Reiter.

Eugen Reiter und seine Frau Edeltrud pflegen die Kapelle seitdem. Auch das Anlegen von Blumen und Pflanzen gehört dazu. Und vor zwei Jahren haben sie die Kapelle neu gestrichen, sie strahlt jetzt leuchtend gelb über Reichenbach. "Es bleiben nicht mehr viele übrig, die mit der Geschichte der Kapelle vertraut sind. Es ist schade, dass viele Jüngere nichts mehr drüber wissen", klagt der 68-jährige Reiter. Seine Mutter Rosa, geborene Back, war eine der beiden Schwestern. Die hatte seinerzeit angefangen mit der Sammlung von Sterbebildchen. Reiters statistische Leidenschaft geht so weit, dass er in einem Adressbuch der Stadt Münnerstadt von 2010 auch die Toten der letzten Jahre vermerkt inklusive ihres Sterbealters. Nicht minder akkurat ist er, wenn es um die Tor- und Spielstatistiken bei der Teutonia Reichenbach geht, wo er mit frappierendem Hintergrundwissen glänzt. Im Wohnzimmer im Reichenbacher Unterland steht auf dem Schrank die Kriegschronik des Vaters mit dem Satz, der für die Geschichte der Antoniuskapelle steht: "Die Tage in Ehren, jedoch mögen sie nicht wiederkehren".

 
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