Wenn else, das soziokulturelle Projekt in Münnerstadt , zu einem Event lädt, ist ein Augenzwinkern dabei inzwischen Kult.
Weihnachtsbaumversteigerungen sind nicht neu, doch die Veranstaltung „Aktion Sorgenbaum“ verursachte so viel Berührung, dass die Lachtränen teilweise in Strömen flossen.
Schuld war dabei nicht die nüchterne Versteigerungsankündigung, der kalte Schlosshof, samt seiner wärmenden Feuerschale oder Glühweins.
Sotheby’s Abgehobenheit und der Tiefsinnigkeit aus der „Anstalt“
Es war die Mischung aus Sotheby’s Abgehobenheit und der Tiefsinnigkeit aus der „Anstalt“ und vor allem die Musikalität von Barbara Moritz und Matthias Klink mit ihrem komödiantischen Auftritt, jedem der sieben Sorgenbäume eine eigene Prägung zu verschaffen.
Den ganzen äußeren Ernst persiflierte Detlev Beck als Auktionator.
Ein sorgenvolles Baum-Dasein
Ziemlich sicher hatte keiner die „Vorbesichtigung“ richtig wahrgenommen.
Diese begann erst im voll besetzten sogenannten Standesamtszimmer des Schlosses Gestalt anzunehmen, denn die insgesamt sieben Bäume zeugten von einem wirklich sorgenvollen bisherigen Dasein.
Dabei waren sie tagesaktuell geschlagen gewesen.
Bäume werden zu Identitätsfiguren
Schlank und rank wäre eine Übertreibung, dürr und passend zur klimatischen Ausdünnung, eine gewisse Kargheit ausstrahlend, wäre die bessere Beschreibung gewesen.
Das Trio des Moritz Klink Duos mit Detlev Beck trieb mit passenden Liedern sowie spontanen Eingebungen zu Publikumsreaktionen eine Begeisterung voran, die zumindest Sorgen an diesem Abend vergessen ließen.
Die Bäume wurden Identitätsfiguren, sie wurden mit – zum Teil sehr eigenwilligen – Namen versehen und jedem ein Lied gewidmet.
„Egon“ aus der Rhön
Der erste war „Egon“ aus der Rhön. „Das muss man schon aushalten, die zwei Eigenschaften von ihm, denn entweder ist er schlecht gelaunt oder besoffen.“
Barbara Moritz, deren Wiege in Gefäll stand, und die sich traut, den Reim „... mein Freund, der Weihnachtsbaum, ist tot, er starb in Frauenroth“, ohne rot zu werden, vorzutragen.
Mit ihr am Piano klärte die Stimme von Matthias Klink , samt seiner Violine, über die ganze Dramatik des Baumes von der Wurzel bis zur Säge auf, um am Ende sich volltrunken einem neuen Besitzer hinzugeben.
Dürres Bäumchen landet am Anger bei Weinlokal
Kein Auktionshaus von Welt verzichtet auf Bietende per Telefon und die Assistentin. „Charlotte“ alias Elisabeth Betzer nimmt einen ersten Anruf aus Tokio entgegen.
Das Gebot für „Egon“ liegt damit bei 2,50 Euro, doch das reicht bei weitem nicht für eine Fracht um die halbe Welt.
Am Ende landet das dürre Bäumchen am Anger als Zierde eines Weinlokals für 21 Euro.
Ersteigerte Bäume werden vom „Elsemann“ zertifiziert
Natürlich werden alle ersteigerten Bäume zertifiziert.
Die Beurkundung übernimmt der Kommunalbeamte im Ruhestand, Wilhelm Schmitt, liebevoll „Elsemann“ gerufen.
So geht das Hin und Her, und wer geglaubt hat, dass die Gebote bei dem vollen Saal nur so sprudeln, sah sich getäuscht, wenn auch nicht enttäuscht. Der Liederspaß und der Auktionatorensprech lohnten da Kommen allemal.
Kleiner Steppke gewinnt Herzen und seinen Baum
Beim zweiten Grüngewächs wollte der kleine Steppke in der ersten Reihe auch bieten und er gewann die Herzen der Gäste, indem diese bei 5,50 Euro kein Gebot mehr nachschoben.
Der Junge hatte „seinen“ Baum, der gute Onkel daneben das Nachtragen, aber auch gleichzeitig die Gute-Nacht-Geschichte.
„Frau Schmitt“ – alias Mia Hochrein – als Ordnungskraft zählte gefühlt die Nadeln nach oder ordnete das Ansehen der Bäume .
Baum „Wolfgang Amadeus“ licht im Geäst
Beispielsweise von „Wolfgang Amadeus“, dem Moritz und Klink einen Mozart hinterher spielten, oder von „Gutfriede“, der so licht im Geäst ist, dass er kaum noch Schatten wirft.
Das Landratsamt ruft an, Charlotte nimmt an: „Die wollen einen Baum, aber nichts bezahlen!“
Die Assistentin legt auf und die „else-Familie“ erinnert sich an die „Großzügigkeit“ des Landkreises beim Projekt else³ im Treibhaus. Auch der Anruf aus Großwenkheim ist erfolglos, weil das Gebot schon lange überholt war.
Baum „Kevin aus Schweinfurt“ ein Gestell
„Kevin aus Schweinfurt“ ist auch so ein Gestell aus dürrem Stamm, zarten Zweigen und eher als Halme erkennbaren Nadeln. Doch die Geschichte dahinter im Sprechgesang von Matthias Klink ist ein Provinzthriller erster Güte.
„Ich noch nie in ... in Münnerstadt !“ Ein grandioses Finale mit einer gut gebauten Kiefer, vielstimmigem Publikum und ein guter Hunderter für einen „guten Zweck“!
Die Geber sind die Baumkrücken los, die Stimmung am Lagerfeuer hat sich gehoben und die Käufer haben eine Sorge mehr: wohin damit?
Mehr aus Münnerstadt - und wie die Saale-Zeitung für einen Weihanchtsbaum-Skandal in Seubrigshausen sorgte: