
Katharina Wießner sitzt auf der Couch, ihre vier Wochen junge Tochter Clara ist in einer gelben Trage verschwunden. Nur die Beine schauen heraus und strampeln ein wenig, als Hebamme Franziska Stoewer das Neugeborene mit eine Hängewaage wiegt. "Erzähl mal, wie schwer es ist, eine Hebamme zu finden", meint Stoewer halb im Scherz. Schließlich ist Wießner gut versorgt, wurde während der Schwangerschaft und wird nach der Entbindung von der Hebamme aus Hetzlos versorgt.
Nachfrage ist zu groß
Es gibt im Landkreis Bad Kissingen allerdings viele Frauen, die keine Hebamme finden, die sie betreut. Das weiß Stoewer auch von Rückmeldungen ihrer Kolleginnen. Sie ist ehemalige Kreissprecherin des Hebammenverbandes. Derzeit ist der Posten zwar nicht besetzt, die Hebammen halten aber trotzdem untereinander Kontakt. "Es ist schon so, dass wir viel zu wenige Hebammen sind, für zu viele Frauen, die eine Betreuung wollen", berichtet Stoewer. Sie zählt im Kopf die Kolleginnen durch, die aktuell im Landkreis tätig sind: Ein knappes Dutzend. Zum Vergleich: Vor der Schließung der Geburtshilfe in Bad Kissingen waren es mehr als doppelt so viele.
Zwei Kolleginnen sind zuletzt für Festanstellungen an Kliniken weggezogen, eine befindet sich in einer Auszeit, ältere denken darüber nach, in Rente zu gehen oder die Arbeit zu reduzieren, jüngere haben selbst Familie und müssen die mit ihrer freiberuflichen Tätigkeit unter einen Hut bringen. Die Folge: Viele Schwangere und Mütter erhalten Absagen, egal ob für die Geburtsvorbereitung oder das Wochenbett . "Das fällt uns schon schwer." Stoewer rät, sich möglichst zeitig zu kümmern.
Sie will den Beruf nicht schlecht reden. Geburtshelferinnen sind überall gesucht. Es handle es sich um einen attraktiven Job, den die Kolleginnen gern ausüben. "Wir haben genug Arbeit, uns geht es gut", sagt die Hebamme. Dennoch sei es eine Herausforderung, derzeit den Frauen gerecht zu werden und zwischen Arbeit und vorgeschriebener Bürokratie nicht auf der Strecke zu bleiben.
Rhöner Geburtshilfe auf der Kippe
Auch in Bad Neustadt hat sich der Hebammenmangel zu Beginn des Jahres bemerkbar gemacht. Die Geburtshilfe im Rhön-Klinikum - und damit die letzte Geburtsstation im bayerischen Teil der Rhön - stand wegen eines Personalengpasses auf der Kippe. "Es wäre eine durchgängige, qualitativ hochwertige Versorgung nicht sichergestellt gewesen", sagt Pressesprecherin Heike Ochmann. Die Klinik schaltete Stellenanzeigen, schrieb Hebammenschulen an und organisierte Infoveranstaltungen. Letztlich konnte das Haus neue Fachkräfte gewinnen und die Geburtshilfe erhalten.
Die Kontaktstelle Frühe Hilfen am Kissinger Landratsamt bekommt den Hebammenmangel ebenfalls zu spüren. "Immer mehr Betroffene wenden sich an die Kollegen in der Hoffnung sie könnten ihnen eine Hebamme vermitteln", berichtet Pressesprecherin Melanie Hofmann . Familienhebammen sind allerdings ausschließlich für Familien mit zusätzlichem Unterstützungsbedarf. Allerdings werden die aktuell tätigen Hebammen im Überblick auf dem Beratungswegweiser des Landkreises veröffentlicht. "Natürlich versuchen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten gegenzusteuern. Dies gestaltet sich allerdings schwierig", sagt sie. Der Landkreis prüfe verschiedene Möglichkeiten, um die freiberuflichen Hebammen zu unterstützen. Die bayerischen Förderprogramme helfen in Bad Kissingen hingegen nicht weiter, weil hier Voraussetzung ist, dass es noch eine Geburtshilfe gibt.
Um Hebammen zu entlasten schlägt Stoewer einen zentralen Ambulanzdienst am Wochenende vor, eventuell mit einer zentralen Bereitschaftspraxis. "Das würde den Kolleginnen freie Wochenenden ermöglichen", erklärt sie. Neben finanziellen Anreizen und weniger Bürokratie fände sie auch eine Koordinierungsstelle sinnvoll, die freie Hebammen vermittelt. So müssten die Frauen nicht jede Hebamme einzeln abtelefonieren.
Hintergrund: Defizite bei der Hebammenversorgung
Bayern
Landkreis Laut staatlichem Gesundheitsamt waren 2014 noch 25 freiberufliche Hebammen im Landkreis tätig, ein Jahr später waren es 24. Im Frühjahr 2015 hat das St. Elisabeth-Krankenhaus die letzte Geburtsstation im Landkreis geschlossen. Die Zahl der Hebammen hat seitdem stark abgenommen. 2016 waren es 17, im Folgejahr noch 16 Hebammen .