zurück
Münnerstadt
Viel Erwärmendes in Münnerstadts kalter Kirche
Das Advents- und Weihnachtskonzert in der Stadtpfarrkirche bot ein besinnliches wie unterhaltsames und interessantes Programm.
Das Südthüringische Kammerorchester scheint so etwas wie das Münnerstädter Hausorchester geworden zu sein. Foto: Thomas Ahnert       -  Das Südthüringische Kammerorchester scheint so etwas wie das Münnerstädter Hausorchester geworden zu sein. Foto: Thomas Ahnert
| Das Südthüringische Kammerorchester scheint so etwas wie das Münnerstädter Hausorchester geworden zu sein. Foto: Thomas Ahnert
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 18:15 Uhr
Es war ja schon fast so eine Art Wunschkonzert, das Advents- und Weihnachtskonzert, zu dem die Pfarrgemeinde zum Sonntag Gaudete, dem 3. Advent, in die Stadtpfarrkirche eingeladen hatte. Regionalkantor Peter Rottmann hatte bei der Programmauswahl - fast - nichts ausgelassen, was, durchaus ökumenisch gesehen - die Christen hierzulande mit dieser besonderen Zeit des Jahres verbinden.

Eine große Aufgabe für seinen Chor, das Ensemble Vokal Münnerstadt, aber auch für das Südthüringische Kammerorchester, das sich sehr viele warme Gedanken machen musste, dass die Eiseskälte in dem hohen Gotteshaus nur zu spüren, nicht aber zu hören war. Das war die eine Herausforderung für alle. Die andere war, dass Peter Rottmann auch Werke von Komponisten ausgewählt hatte, von sogenannten Kleinmeistern, die, wenn überhaupt, nur Randfiguren des Repertoires sind, von Komponisten, die von der Tonträger-Industrie gerne als zu Unrecht vergessen bezeichnet werden. Die Begegnung mit Namen wie Ignaz Jakob Holzbauer, Anton Cajetan Adlgasser (nicht ganz so unbekannt), Jan Jakub Ryba und des Münnerstädter Vorklassikers Georg Joachim Joseph Hahn war lohnend und interessant.


Absolut stilsicher

Der Chor war da ganz schön gefordert, hatte er doch nahezu pausenlos zu tun, in den gut eineinhalb Stunden, sei es a cappella oder mit Orchesterbegleitung. Er erwies sich einmal mehr als absolut stilsicher, hatte er doch ein Spektrum vom Ende des 16. Jahrhunderts bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts differenziert zu gestalten. Er war sehr gut vorbereitet und konnte seine Qualitäten ausspielen: große Verantwortung jedes Einzelnen, präzise, nicht verschliffene Einsätze, eine gute Artikulation und dynamische Gestaltung, oder anders gesagt: Jeder wusste genau, was er wann zu tun hatte. Die Tenöre machten besondere Freude. Das fällt halt auf, weil die Stimmlage in den Amateurchören im Allgemeinen schwierig zu besetzen und oft ziemlich dünn ist.


Pointiert musiziert

Das Südthüringische Kammerorchester scheint so etwas wie das Münnerstädter Hausorchester geworden zu sein - und das ist gut so. Nicht nur, weil es ein harmonisch zusammengewachsenes Ensemble ist, sondern weil es sich gut auf die Situation einstellen kann. Natürlich hätte man Bach, Händel oder Vivaldi barocker, "historisch informiert" spielen können. Aber darum ging es nicht in diesem Konzert, sondern um die Schaffung einer vorweihnachtlichen Stimmung, die sich mit dem runden, warmen, lyrischen Gesamtklang des Orchesters natürlich leichter tat. Dass die Musik in der schwierigen Akustik der Kirche nicht zerfloss, lag an dem pointiert musizierenden Continuo, das dem gut abgestimmten Gesamtklang eine ganz klare Grundlage lieferte.

Womit beginnt man so ein Konzert? Mit etwas Bekanntem, Vertrauten: mit dem "Dixit Maria" a cappella von Hans Leo Hassler, einem vierstimmigen Satz, in den sich der Chor kanonisch hineinsingen und akkordische Sicherheit gewinnen konnte. Dann als Vorstellung des Orchesters die Sinfonia, mit der Händel seinen "Messias" eröffnete. Und dann, als erste Zusammenarbeit der beiden Ensembles, "Denn die Herrlichkeit Gottes", ebenfalls aus dem "Messias".


Genüsslich-feuriger Dialog

Fehlt nur noch die Solistin. Die tauchte mit Bravour auf. Die Sopranistin Radka Loudova-Remmler sang den ersten Satz aus Johann Sebastian Bachs Kantate "Jauchzet Gott in allen Landen". Mit dieser Arie hatte die Virtuosität ihren Auftritt. So lieferten sich Radka Loudova-Remmler mit ihrer instrumental geführten Stimme und ihr trompetender Partner Rüdiger Schemm einen genüsslich-feurigen Dialog. Damit waren die Akteure bekannt, war der Weg frei für ein ebenso besinnliches wie unterhaltsames und interessantes Programm. Da gab es noch einmal aus dem "Messias" den Chorsatz "Denn es ist uns ein Kind geboren" oder das "Domine Deus", eine Soloarie aus Antonio Vivaldis "Gloria" RV 589; oder Felix Mendelssohn-Bartholdys "Hört die Engelsboten singen" in einem Arrangement von Rottmann mit einer Trompetenfanfare vom Altar als Einleitung und Schluss.


Schöne tschechische Sprache

Da erklangen die ebenfalls von Rottmann bearbeitete Volksweise "Der Heiland ist geboren" und ein Strophenlied für Sopran, Flöte, Violine und Basso continuo des böhmischen Frühromantikers Jan Jakub Ryba, bei dem man wieder einmal hören konnte, wie schön die tschechische Sprache ist, auch wenn man kein Wort verstand. Giulio Caccinis "Ave Maria" für Sopran und Orchester wirkte vielleicht gerade, weil es so introvertiert gesungen und gespielt war, mit seinem chromatischen Lamento-Ton in der doch sehr deutschen Umgebung fast ein bisschen kitschig. Mozarts "Ave verum", von der Art her ähnlich , hatte da musikalisch einfach mehr zu bieten.


Spannende Lösungen

Mit Spannung hatte man auf drei Werke gewartet: Holzbauers Kantate "Wachet auf, ihr frommen Hirten", Adlgassers Offertorium "Deo in altissimis gloria" und Hahns Auszüge aus der Messe D-dur op. 2. Da war nichts von kleinmeisterlicher Floskelhaftigkeit, sondern spannende, textdienliche Lösungen, die neugierig machten auf mehr.
Natürlich durfte der Chorfetzer von Händels "Hallelujah" nicht fehlen. Aber Peter Rottmann hatte den Satz dankenswerterweise in der Mitte des Programms platziert und nicht am Ende. Der konzentrierte Eröffnungschoral "Jauchzet, frohlocket" auch Bachs Weihnachtsoratorium - für ihn beginnt Weihnachten auch mit ein paar Paukenschlägen - ist einfach besser geeignet, weihnachtliche Gedanken anzustoßen. Und wer bei dem gemeinsam gesungenen Lied "Nun freut euch, ihr Christen" draußen an der Kirche vorbeiging, konnte hören, wie die dicken Mauern diese Gedanken in das Städtchen leiteten.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Münnerstadt
Advent
Chöre
Johann Sebastian Bach
Orchester
Stadtpfarrkirchen
Tschechische Sprache
Weihnachtskonzerte
Wolfgang Amadeus Mozart
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top