Elisabeth Fußeders bisherige Laufbahn ist bemerkenswert. In der 10. Klasse erhielt sie Kompositionsunterricht an ihrer Schule, dem Camerloher-Gymnasium in Freising. Seit Oktober 2020 studiert die 23-Jährige Komposition bei Professor Brice Pauset und Gehörbildung bei Professor Konrad Georgi an der Hochschule für Musik Freiburg. Aktuell befindet sie sich in einem Auslandssemester an der Sibelius-Academy in Helsinki.
Im Interview spricht sie über den Einfluss ihrer Jugend auf ihre Kompositionen, den neuen Möglichkeiten und die Bedeutung des Valentin-Becker-Preises, der alle drei Jahre in Bad Brückenau verliehen wird.
Frau Fußeder, Sie sind gerade einmal 23 Jahre alt. Wie kommen Sie in so jungen Jahren dazu, eigene Stücke zu komponieren?
Elisabeth Fußeder: Ich hatte das Glück, dass der Freisinger Musiklehrer und Komponist Rodolphe Haimann einen Kompositionswahlkurs an dem musischen Camerloher-Gymnasium anbot, das ich besuchte. In diesem Gruppenunterricht, den ich ab der 10. Klasse besuchte, gab es immer wieder Hausaufgaben, etwas zu arrangieren, instrumentieren oder zu variieren.
Rodolphe motivierte mich auch, meine Stücke bei Wettbewerben wie zum Beispiel. re:compose (Edukationsprojekt des Bayerischen Rundfunks ) oder Jugend Komponiert Bayern einzureichen, was wunderbare Früchte trug und mich noch mehr motivierte, weitere Stücke zu schreiben. Mittlerweile studiere ich Komposition in Freiburg und darf gerade ein sehr bereicherndes Auslandsjahr an der Sibelius-Academy in Helsinki machen.
Spiegelt sich Ihr Alter, vielleicht ihre Jugendlichkeit, in Ihren Werken wieder?
Das ist für mich selbst schwierig zu beurteilen. Vermutlich lässt es sich in zehn, zwanzig Jahren einfacher sagen, wenn ich meine dann aktuellen Werke mit den früheren Stücken vergleiche. Natürlich lernt man mit jedem Stück, mit jedem Jahr und mit jeder Ausbildungsstufe viel dazu und gewinnt an Erfahrung.
Das muss aber übrigens nicht heißen, dass Stücke aus späteren Schaffensphasen von Komponist*innen grundsätzlich besser oder beliebter sind als frühe Werke: Zum Beispiel wird die Ouvertüre „Ein Sommernachtstraum“, von Felix Mendelssohn mit jungen 17 Jahren geschrieben, sehr häufig gespielt, während man die frühen Werke Richard Wagners oder Luciano Berios so gut wie nie im Konzert hört.
Wie kamen Sie dazu, ein eigenes Stück beim Komponistenwettbewerb Valentin-Becker-Preis einzureichen?
Meine ehemalige Chorleitungsdozentin Katrin Ferenz hat mich auf den Wettbewerb aufmerksam gemacht. Da ich meine musikalische Grundausbildung als Kind und Jugendliche fast ausschließlich in Chören erhalten habe, betrachte ich den Chor für mich als Komponistin sozusagen als mein Hauptinstrument (so wie andere Komponist*innen zum Beispiel vom Klavier oder der Violine kommen).
Das Schreiben von Chormusik war demnach schon von Beginn an eine Vorliebe von mir und so habe ich zwei meiner Stücke ausgewählt, um sie beim Valentin-Becker-Wettbewerb einzureichen.
Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Ich bin sehr glücklich und dankbar für die Auszeichnung und Anerkennung meiner Chorkomposition. Am Abend der Preisverleihung durfte ich mit einigen Menschen sehr intensive und bereichernde Unterhaltungen führen. Besonders freut es mich auch, dass mit Sylke Zimpel und mir seit 1985 erstmals wieder auch weibliche Preisträgerinnen ausgezeichnet wurden. Ich finde es großartig, dass es den Valentin-Becker-Wettbewerb gibt: Es ist so wichtig, dass es gerade im Bereich der Laienchöre neue Kompositionen gibt, die gute Umsetzbarkeit, Spaß und künstlerischen Anspruch miteinander vereinen.
Warum ist das Komponieren nach wie vor eine Männerdomäne?
Die Arbeit von Komponistinnen wurde jahrhundertelang zu unterbinden versucht, zum Beispiel durch verwehrten Bildungszugang oder biologistisch begründeten Ausschluss aus der Musik. Daher ist es kaum verwunderlich, dass in den letzten Jahrhunderten nur sehr wenige Namen von Komponistinnen bekannt wurden.
Ihre Zahl nimmt jedoch zu: In der zeitgenössischen Musik werden zum Beispiel Rebecca Saunders, Lisa Streich oder Annesley Black häufig gespielt. Auch in der Nachwuchsarbeit gibt es Entwicklung: Ein gutes Beispiel dafür sind Projekte wie der Wettbewerb Jugend Komponiert, der in Deutschland jährlich ausgetragen wird. Bei Jugend Komponiert Bayern haben sich in den vergangenen Jahren immerhin zu circa einem Viertel junge Komponistinnen mit ihren Stücken beworben, Tendenz leicht steigend. Zu einem ausgewogenen Verhältnis ist noch viel Arbeit notwendig – die Jugendarbeit befindet sich aber insgesamt auf einem guten Weg.
Fließen in ihre Stücke auch moderne Strömungen der Pop- oder Jazzmusik ein, oder ist das bei Ihnen ganz klassisch, wie der Laie sich das meist vorstellt?
Ich bin sicher, in meine Stücke fließt unglaublich viel an äußeren Eindrücken ein - musikalische wie nicht musikalische, ganz viel davon sicherlich auch unbewusst. In meiner Freizeit höre ich allerdings beinahe keinen Pop, mehr Musik aus der modernen klassischen oder manchmal auch jazzigen Richtung. Deshalb haben diese Stile tendenziell mehr Einfluss auf meine eigenen Kompositionen als zum Beispiel Popmusik.
Was ist heute beim Komponieren anders als vor – sagen wir mal – 100 Jahren? Gibt es andere Techniken, Vorstellungen oder ähnliches?
Mit die signifikantesten Unterschiede dürften in den digitalen Möglichkeiten liegen: Es ist heute einfacher denn je, Musik aus den unterschiedlichsten Sparten und von fast jedem Ort der Welt aus zu hören. Das Internet bietet Zugang zu einem riesigen Angebot an Musikaufnahmen, Literatur, Partituren und es ist viel leichter möglich, von erfahrenen Dozent*innen auf der ganzen Welt etwas zu lernen.
Das Komponieren unter Einbezug elektronischer Klänge und Werkzeuge bietet ein schier unendliches Feld an Klangmöglichkeiten. Auch die Globalisierung und der heutzutage vorherrschende Stilpluralismus beeinflussen das Schaffen neuer Musik. Es gibt viel mehr und unterschiedlichere musikalische Vorbilder, mit denen man sich befassen kann und die einen besonderen Einfluss auf das eigene Schaffen haben können.
Über den Wettbewerb
Der Valentin-Becker-Preis ist ein Kompositionswettbewerb, der seit 1953 von der Stadt Bad Brückenau in Zusammenarbeit mit dem Fränkischen Sängerbundes e.V. (FSB) alle drei Jahre ausgetragen wird. Die nächste Austragung findet im Jahr 2025 statt.
An der letzten Ausschreibung nahmen 150 Kompositionen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum teil. Mit Elisabeth Fußeder und Sylke Zimbel gibt es erstmals seit 1985 auch wieder weibliche Preisträgerinnen.
Einsendungen sind bis zum 31. Juli 2024 digital an valentinbeckerpreis@bad-brueckenau.de möglich. In Ausnahmefällen ist eine postalische Einsendung möglich.
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