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LKR Bad Kissingen
Bad Brückenau: Im Ernstfall schaut Anja Vorndran nicht auf die Uhr
Pflegefachkraft Anja Vorndran lebt seit 31 Jahren ihre Berufung. Bei ihr steht der Mensch im Mittelpunkt. Und manchmal hilft ihr Dialekt, dass sich die Senioren öffnen.
Unterwegs zu neuen Herausforderungen im Pflegealltag: Anja Vorndran ist als seit über 30 Jahren als ambulante Pflegefachkraft tätig.       -  Unterwegs zu neuen Herausforderungen im Pflegealltag: Anja Vorndran ist als seit über 30 Jahren als ambulante Pflegefachkraft tätig.
Foto: Marion Eckert | Unterwegs zu neuen Herausforderungen im Pflegealltag: Anja Vorndran ist als seit über 30 Jahren als ambulante Pflegefachkraft tätig.
Marion Eckert
 |  aktualisiert: 05.11.2024 17:11 Uhr

Seit 1992 ist Anja Vorndran als Pflegefachkraft in der ambulanten Pflege tätig. „Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen. Es ist für mich eine Berufung. Ich bin Altenpflegerin geworden, um alten Menschen zu helfen, sie zu pflegen und ihnen zu ermöglichen, möglichst lange ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben in ihren eigenen vier Wänden zu leben. Ihnen ein Stück Lebensqualität zu erhalten und zu geben.“

Bei Wind und Wetter unterwegs

Dass sie täglich auf der Straße unterwegs ist, stört Anja Vorndran nicht. „Ich fahre gerne Auto.“ Sie erinnert sich aber auch an heikle Situationen, an Fahrten durch Sturm und Gewitter oder wenn sie am Morgen sich noch vor dem Schneepflug durch Schneemassen kämpfen muss.

„Es ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf und man bekommt sehr viel zurück, an Dankbarkeit und Zufriedenheit. Schön ist es, wenn man in den Haushalten willkommen und gerne gesehen ist. Mit der Zeit entsteht so Vertrauen. Das macht es leichter, auch über Unangenehmes zu sprechen.“

Der Dialekt öffnet Türen

Apropos sprechen, Anja Vorndran beherrscht die Rhöner Mundart. „Ich kann mit den Leuten im Dialekt sprechen, das ist oft ein Türöffner, nimmt Hemmungen und wir haben gleich ein Gesprächsthema.“ Sie erinnert sich an einen Kunden, der keinesfalls den Pflegedienst hereinlassen wollte. Anja Vorndran fuhr zu ihm, sprach im Dialekt und schon war der Bann gebrochen.

Anja Vorndran unterwegs im Dienstauto zu den Klienten.       -  Anja Vorndran unterwegs im Dienstauto zu den Klienten.
Foto: Marion Eckert | Anja Vorndran unterwegs im Dienstauto zu den Klienten.

Körperlich und seelisch anspruchsvoll

Neben vielen schönen und bereichernden Erfahrungen ist es aber auch ein anspruchsvoller Beruf. Körperlich, wenn etwa schwere Menschen aus dem Bett gehoben werden müssen. „Man ist allein da draußen, da packt kein Kollege schnell mit an.“

Psychisch, wenn in einem Notfall Entscheidungen zu treffen sind. „Wir müssen Situationen erkennen und richtig handeln.“ Belastend könne es werden, wenn Menschen familiäre und persönliche Probleme haben. „Dann ist es wichtig, sich einzelne Schicksale nicht zu eigen zu machen. Anteil nehmen und dennoch eine professionelle Distanz waren, um nicht auszubrennen“, beschreibt sie es.

Sterbebegleitung ist eine Herausforderung

Ihre größte Herausforderung im Berufsleben als Pflegekraft in der ambulanten Pflege? „Wenn jemand stirbt. Ich habe es erlebt, dass Sterbende auf mich gewartet haben und dann loslassen konnten.

Dann hat man die Zeit zur Begleitung und schaut nicht mehr auf die Uhr.“

Die Gabe für Menschen da zu sein

Ihre Berufswahl habe sie nie infrage gestellt oder darüber nachgedacht, etwas anders zu arbeiten. „Ich habe diese Gabe, diesen Beruf auszuüben. Die Art und Weise wie ich mich einbringe, wie ich arbeite, der Dienst am Menschen und mit Menschen, gibt mir einen Sinn im Leben. Meine Begeisterung und Freude an pflegebedürftige Menschen weiterzugeben, ist mir sehr wichtig. Und die Dankbarkeit, die ich zurückbekomme, ist Ansporn für mich.“

Was Anja Vorndran auf einer ihrer Touren erlebt

Mit Anja Vorndran unterwegs zu sein, bedeutet, früh aufzustehen. Morgens um 6.45 Uhr beginnt ihr Dienst beim Sozialen Pflegedienst der Landeskirchlichen Gemeinschaft. Dienstplan, Handy, Medikamente, Fahrzeugschlüssel – an alles ist gedacht.

Mit dem roten Dienstauto geht es los. Eine Tour umfasst in der Regel zwischen acht und 15 Haushalte. Unterschiedliche Tätigkeiten warten auf die examinierte Pflegekraft: Waschen und Duschen, Toilettengänge, Kompressionsstrümpfe anziehen, Medikamentengabe , Blutdruckkontrolle, Blutzuckertest, Verbände erneuern, Inkontinenzversorgung und Hilfe bei der Nahrungsaufnahme.

Gespräche sind das Wichtigste

„Das Wichtigste sind aber die Gespräche. Zuhören, wie es den Menschen geht. Ob sie Sorgen oder bestimmte Wünsche haben.“

Der Pflegedienst erleichtert den Alltag

Kraft ist notwendig, um Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Heinrich Zimmermann ist dankbar für die Hilfe.       -  Kraft ist notwendig, um Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Heinrich Zimmermann ist dankbar für die Hilfe.
Foto: Marion Eckert     | Kraft ist notwendig, um Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Heinrich Zimmermann ist dankbar für die Hilfe.

Erste Station an diesem Tag ist in Schildeck bei Familie Zimmermann. Anja Vorndran wird schon erwartet und freudig begrüßt. Erika (82) und ihr Mann Heinrich (81) sind schon seit einigen Jahren Klienten beim Pflegedienst . Ihnen müssen Kompressionsstrümpfe angezogen werden.

„Die engen Strümpfe anzuziehen ist eine schwere körperliche Belastung“, sagt Vorndran. Die richtige Technik und spezielle Handschuhe erleichtern ihr zwar die Arbeit, doch ohne Kraft sei da nichts zu machen.

Entlastung auch für die Angehörigen

Zimmermanns sind dankbar, dass der Pflegedienst jeden Tag vorbeikommt und auch Tochter Christine Platzer, die selbst berufstätig ist, beschreibt es als eine Erleichterung.

„Es ist wirklich eine große Entlastung. Ich bin nicht so angebunden, weiß, dass jeden Tag jemand schaut, dass alles in Ordnung ist. Am Wochenende kann ich auch einmal eine Stunde länger liegen bleiben.“

Der morgendliche Besuch des Pflegedienstes ist für Zimmermanns eine Freude. „Damit wir lange zu Hause bleiben können und nicht in ein Heim müssen“, fasst es Erika Zimmermann zusammen. „Es ist eine Qualität, zu Hause bleiben zu können.“

Mehr Lebensqualität dank ambulantem Pflegedienst

Anja Vorndran muss weiter. Es geht nach Weißenbach zu Ehepaar Böhm. Duschen, Kompressionsstrümpfe und Medikamente richten steht auf dem Plan.

Bernhard und Gunda Böhm freuen sich, wenn Anja Vorndran kommt und die Tabletten für die nächsten Tage richtet.       -  Bernhard und Gunda Böhm freuen sich, wenn Anja Vorndran kommt und die Tabletten für die nächsten Tage richtet.
Foto: Marion Eckert | Bernhard und Gunda Böhm freuen sich, wenn Anja Vorndran kommt und die Tabletten für die nächsten Tage richtet.

„Dass der Pflegedienst kommt, bedeutet für mich ein Stück mehr Lebensqualität. Man wird versorgt“, betont Gunda Böhm (85). Sie hebt Pünktlichkeit und Sauberkeit der Pflegekräfte hervor. „Und die Freundlichkeit“, ergänzt Bernhard Böhm (84).

„Wir kamen allein nicht mehr klar.“ Die Angst, beim Duschen zu stürzen und sich schwer zu verletzen, war für Böhms ein Grund, die Hilfe des Pflegedienstes in Anspruch zu nehmen.

„Es ist für uns eine Voraussetzung, um zu Hause bleiben zu können“, bringt sie es auf den Punkt. „Ich will nicht in ein Heim, ich möchte mit meinem Mann zu Hause leben“, blickt Gunda Böhm dankbar zu Anja Vorndran, die derweil die Tablettenbox für eine Woche richtet.

Das Richten von Tabletten gehört zur Aufgabe einer Pflegefachkraft.       -  Das Richten von Tabletten gehört zur Aufgabe einer Pflegefachkraft.
Foto: Marion Eckert | Das Richten von Tabletten gehört zur Aufgabe einer Pflegefachkraft.

Verständnisvoller Umgang mit Gefühlen

Duschen und Intimpflege gehört bei manchem Kunden dazu. Aus Erfahrung weiß Vorndran, dass es für die ihr anvertrauten Menschen nicht immer einfach ist.

„Da gilt es, sensibel und verständnisvoll auf Schamgefühle zu reagieren und sie auch ernst zu nehmen“, beschreibt sie es. Bernhard Böhm nickt. „Die erste Zeit hatte ich Probleme. Das Schamgefühl war stark. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und denke mir nichts mehr dabei.“

Ein schöner Beruf

Die Fahrt zwischen den Klienten nutzt Vorndran, um sich schon auf die nächste Aufgabe vorzubereiten. „Jeder unserer Klienten benötigt individuelle Pflege. Das ist das Schöne und herausfordernde an dem Beruf, der viel Abwechslung mit sich bringt und Flexibilität erfordert.“

Pflegefachkraft Anja Vorndran unterstützt Ferdinand Fell beim Laufen am Rollator.       -  Pflegefachkraft Anja Vorndran unterstützt Ferdinand Fell beim Laufen am Rollator.
Foto: Marion Eckert | Pflegefachkraft Anja Vorndran unterstützt Ferdinand Fell beim Laufen am Rollator.

Der Abschluss der Tour ist in Modlos bei Ferdinand (81) und Ulrike Fell (77). Nachdem Ulrike Fell große Mühe hatte, ihren körperlich eingeschränkten Mann weiterhin selbst zu duschen, war der Ruf nach dem ambulanten Pflegedienst für sie die Rettung.

„Der Pflegedienst ermöglicht es, dass mein Mann zu Hause bleiben kann, dass ich ihn bei mir habe.“ Ferdinand Fell kann sich mit Rollator im Haus bewegen. Das Bad ist barrierefrei umgebaut, die Treppe mit einem Lift versehen. Dennoch braucht er Unterstützung und regelmäßige Mobilisierung, was auch zur Aufgabe der Pflegekraft gehört.

Zeit nehmen für die Menschen

Und schon wieder muss Anja Vorndran weiter. Doch Hektik oder Stress gibt es bei ihr nicht. „Wenn ich bei den Leuten bin, habe ich Zeit. Ich werde niemanden hetzen.“ Auch wenn Pflege laut gesetzlicher Vorgaben nach Minutenplan ablaufen soll - Anja Vorndran und ihre Kolleginnen des Sozialen Pflegedienstes schauen nicht akribisch auf die Uhr, sondern auf den Menschen, für den sie gerade da sind, der ihre Hilfe und Unterstützung braucht.

„Es ist mir wichtig, etwas Positives dazulassen und mit einem Lächeln rauszugehen“, fasst Vorndran schließlich ihren Arbeitstag zusammen.

Wir haben mit Gabriele Sauer, der Pflegedienstleitung gesprochen:

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