„Es dauert lang“, sagt Hadi Kabba und meint damit die Prozesse, bis eine Arbeitserlaubnis vorliegt. Der 25-Jährige macht gerade eine Ausbildung als Hotelfachmann im Parkhotel Cup Vitalis in Bad Kissingen.
Vor acht Jahren ist er aus Gambia nach Deutschland gekommen, ohne Schulabschluss. „Nach der Integrationsklasse war es schwer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.“ 2021 konnte er dann die Hotelausbildung beginnen und vom Asylheim in das hoteleigene Personalhaus umziehen.
„Wenn wir diese Möglichkeit nicht hätten, könnten wir viele ausländische Mitarbeiter nicht anstellen“, sagt Ute Trabert, Hoteldirektorin im Parkhotel Cup Vitalis. Neben der Wohnsituation sei die Zeit die größte Hürde für Arbeitgeber , wenn sie Fachkräfte aus dem Ausland anstellen wollen.
„Es dauert einfach, bis die Bildungsabschlüsse der ausländischen Fachkräfte anerkannt werden“, erklärt sie. „Für einen Koch aus Marokko, der im Juli bei uns anfangen soll, sind wir Anfang Mai das Fachkräfteverfahren angegangen und haben bis heute nichts gehört.“
Hoffen auf Verbesserung
Die Anerkennung des Berufsabschlusses einer Konditorin wurde abgelehnt, weil ihre Ausbildung eher dem einer Bäckerlehre entsprach. „Da könnte man ein Auge zudrücken“, findet Pascal Muller, Operations Manager im Parkhotel, „der Arbeitgeber muss sehen, ob der Mitarbeiter ausreichend ausgebildet ist oder ob er noch zusätzliche Stunden braucht. Das ist dann sein Problem.“
Die ausländischen Ausbildungsabschlüsse sollten einfacher anerkannt werden, denn „wir können nicht erwarten, dass andere Länder genau dasselbe Schulsystem haben wie Deutschland.“ Beide hoffen, dass sich das mit der Reform des Einwanderungsrechts ändert.
Deutsche Sprache schwierig
Die Carl von Heß Sozialstiftung in Hammelburg beschäftigt seit 2016 Fachkräfte aus dem Ausland, vorwiegend aus den Philippinen und Indonesien.
„Anfangs haben wir noch selbst versucht, Pflegekräfte aus Drittländern zu rekrutieren – das war schier unmöglich. Also haben wir uns für das Programm Triple Win der Bundesregierung entschieden“, erläutert Stiftungsvorstand Marco Schäfer. Über das Programm gab es laut Schäfer keine Hürden mehr bei der Arbeitsmarktzulassung.
Bleiben noch Sprachhürden: „Deutschland ist zwar ein beliebtes Einwanderungsland, hat aber eine hohe Sprachbarriere. Deutsch zu lernen, ist schwer“, sagt Schäfer. Bei der Einreise müssen seine Pflegekräfte fortgeschrittene Sprachkenntnisse haben.
Für die weitere Verbesserung gibt es einen eigenen Sprachlehrer im Haus. Nach einem Jahr Sprachunterricht beginnt die Fachanerkennung, das heißt: die Lücken, die im Unterschied zur deutschen Ausbildung bestehen, müssen gefüllt werden. Das dauert schon mal ein bis zwei Jahre.
Stück weit „deutsche Arroganz“
Das ist der Punkt, den Schäfer kritisiert: „Da hat diese Pflegekraft einen anerkannten internationalen Bachelor in Pflege und muss hier in Deutschland wieder die Schulbank drücken, weil in der heimischen Ausbildung ein etwas anderer Fokus lag – das ist frustrierend für die Mitarbeiter und ein Stück weit deutsche Arroganz“, ist Schäfer empört.
Da wäre es kein Wunder, wenn sich die gut ausgebildeten Fachkräfte ein anderes Einwanderungsland suchen. „Zumal wir ja sehr dringend Pflegekräfte brauchen, sonst arbeiten wir auf einen großen Crash hin.“
Nach Meinung von Marco Schäfer brauche Deutschland hier eine anderen Willkommenskultur, um nicht abgehängt zu werden. „Die ausländischen Kräfte werden die Pflege in Deutschland nicht retten, aber sie sind neben mehr Auszubildenden ein ganz wichtiger Faktor für die Zukunft.“
Super Gemeinschaft entstanden
Die Carl von Heß Sozialstiftung tut viel für die Eingliederung ihrer Mitarbeiter aus dem Ausland. Neben einer Mitarbeiterin, die bei Wohnungssuche, Anträgen und Dokumenten unterstützt, gibt es Ausflüge, Chatgruppen, Freizeitaktivitäten und einen Stammtisch.
„Das ist eine tolle Sache, aber der Aufwand ist auch nötig, so ist eine super Gemeinschaft entstanden“, sagt der Chef. Auch Heimweh sei ein Thema, „da muss man als Arbeitgeber auch mal einen längeren Urlaub gewähren.“
Ziel sei es, dass Deutschland der Lebensmittelpunkt der ausländischen Fachkräfte wird, daher ist nach der Anerkennung als Pflegekraft auch ein Familiennachzug möglich. „Mitarbeiter aus den ersten Jahren sind inzwischen eingebürgert“, freut sich Schäfer.
Guter erster Schritt
Auch die Otto Heil Unternehmensgruppe aus Eltingshausen beschäftigt schon lange Mitarbeiter aus dem Ausland im Hoch- und Tiefbau, vor allem aus Polen und Rumänien.
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz findet Personalchef Bodo Friedrich einen Fortschritt: „Es ist gut, dass es eine offizielle Liste an Mangelberufen gibt, die immer wieder angepasst wird, und ein Punktesystem, bei dem Ausbildung, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung und Alter ausschlaggebend sind. Es ist ein gutes Signal für Unternehmer, aber es gibt noch Luft nach oben.“
Es gäbe trotzdem noch genügend Bürokratie und das System müsse noch konkreter gestaltet sein, so Friedrich.
Möglichst einfach und unbürokratisch sei sein Wunsch an die Politik, denn: „es herrscht ein großer Mangel an Facharbeitern und man geht davon aus, dass Deutschland in den nächsten Jahren das zehnfache an qualifizierten Leuten braucht, um die Abgänge durch den demografischen Wandel abzufedern.“ Durch eigene Ausbildung werde man das nicht schaffen, ist Friedrich überzeugt.
Im August ist Hadi Kabba fertig mit seiner Ausbildung im Parkhotel. Wie ihm seine Arbeit gefällt? – „Sehr gut“, sagt er mit einem strahlenden Lächeln, „alle Abteilungen haben mir sehr gefallen und auch die Arbeit mit den anderen Mitarbeitern.“ Nach der Ausbildung kann er im Parkhotel bleiben. An der Rezeption, seinem Lieblingsarbeitsplatz.
Fakten und Infos
- Der Bundestag hat am 23. Juni eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ausländische Fachkräfte leichter nach Deutschland kommen können.
- Derzeit befindet sich der Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren, der abschließende zweite Durchgang im Bundesrat ist für den 7. Juli 2023 vorgesehen, teilt der Sprecher Bundesinnenministeriums unserer Redaktion mit.
- Grundsätzlich treten die Regelungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sechs Monate nach Verkündung in Kraft, um den Verwaltungsbehörden ausreichend Zeit zur Umsetzung zu bieten.
- Eine Ausnahme bildet die Umsetzung der Blaue-Karte-Richtlinie, die vorsieht, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis spätestens 18. November 2023 umgesetzt haben müssen.
- Die Regelungen zur Chancenkarte mit dem Punktesystem sowie die Ausweitung des Kontingents der Westbalkanregelung werden neun Monate nach Verkündung in Kraft treten, da es sich hierbei um neue bzw. komplexe administrative Verfahren handelt.
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