
Das eigene Kind schwerverletzt abholen: eine Horrorvorstellung für viele Eltern. Der Mutter eines Erstklässlers, welcher in Hammelburg auf die Grundschule am Mönchsturm geht, ist das im November vergangenen Jahres passiert. "Mein Sohn hat sich an der Bushaltestelle schwer verletzt, weil er über einen Bücherranzen gestürzt ist", erzählt die Frau.

Nachdem bei der neuen Bushaltestelle unterhalb des Feuerwehrhauses an der Straße "Am Weiher" keine Aufsichtsperson vor Ort war, musste der Junge mit dem Bus bis nach Diebach zur Kinderkiste fahren, bevor ihm geholfen wurde.
Ein Einzelfall sei das - zum Ärger vieler Eltern - nicht. Immer wieder entstehe vor allem bei den jüngeren Schülern Panik den Bus zu verpassen, teilweise würden schwere Unfälle passieren. Ein Ansprechpartner für die Kinder fehle vor Ort komplett.
Ärger an der neuen Bushaltestelle in Hammelburg
Das Problem: Seit Ende 2023 halten alle Busse, die Grund- und Mittelschüler nach Hammelburg bringen oder dort abholen, an den neuen, barrierefreien Bushaltebuchten unterhalb des Feuerwehrhauses. Vorher fuhren die Busse durch Friedhof- und Friedrich-Müller-Straße bis auf den Pausenhof. Nun müssen die Kinder eine Strecke von circa 600 Meter Länge innerhalb kürzester Zeit zurücklegen.
"Mein Sohn stand kurz vor dem Kollaps, die Rettungskräfte haben ihn vor Ort sofort in Narkose gesetzt", erinnert sich die Mutter. Ellbogen und Oberarm seien gebrochen gewesen, außerdem einige Sehnen und Nerven beschädigt. Noch heute habe ihr Kind mit den Ereignissen zu kämpfen. "Die Bushaltestelle ist abgelegen und es ist niemand da", schildert die Dame.
Kinder mit dem Krankenwagen abgeholt
Eine weitere Mutter gibt zu bedenken: "Die Kinder müssen unwahrscheinlich schnell zur Bushaltestelle laufen – also eigentlich rennen." Und: Auch wenn die Kinder den Fahrern Bescheid geben, dass noch Mitschüler fehlen, würden sie laut ihrer Tochter einfach losfahren.
"Für Kinder ist der Weg mit der Büchertasche schon weit. Die fallen hin, haben die Hosen blutig, trauen sich aber nicht, anzuhalten vor lauter Angst, den Bus zu verpassen." Auch ihre Tochter sei schon mit dem Krankenwagen abgeholt worden. Sie appelliert deshalb: "Das geht so nicht, da muss endlich eine Lösung gefunden werden."
Schüler haben vor Ort keinen Ansprechpartner
Barbara Scharf, stellvertretende Leiterin der Kinderkiste in Diebach bringt das Problem in einer Stadtratssitzung auf den Punkt. "Es passieren leider immer wieder Zwischenfälle", sagt sie. Regelmäßig seien Kinder verletzt und würden den Bus nicht erreichen, weil sie nur zehn Minuten Zeit haben, um vom Klassenzimmer zum Bus zu gelangen.

Sie betont: Sobald ein Kind nach dem Unterricht zum Beispiel auf die Toilette muss, verpasse es den Bus. "Das Allerschlimmste ist aber, dass die Schüler vor Ort keinen erwachsenen Ansprechpartner haben, der im Notfall eingreifen kann."
Das Problem sieht die Leiterin also nicht in der Länge der Strecke, sondern eher darin, dass eine Masse an Kindern nach Schulschluss aus Angst den Bus zu verpassen gleichzeitig losrennt. "Das ist ein Gedränge, das ist ein Geschubse. Keiner kann mehr auf den anderen Achten." Es komme zu Stürzen und vor Ort sei kein Ansprechpartner, der helfen kann. "Das halte ich für gefährlich", sagt Scharf. Es entstehe eine Situation, die Kindern und somit auch den Eltern Angst mache.
Personal der Grundschule mahnt Kinder zur Vorsicht
Vor der Verlegung der Haltestelle haben die Busse auf dem Busplatz direkt neben der Schule gehalten. "Dort stand immer eine Aufsicht als Ansprechpartner zur Verfügung", erklärt Simone Albert, Rektorin der Grundschule am Mönchsturm. Wie gravierend die Situation an der Bushaltestelle wirklich ist, könne die Rektorin allerdings nicht beurteilen, da sie nicht vor Ort ist.
"Wir bekommen nur dann von den Problemen mit, wenn Kinder den Bus verpasst haben oder wenn Unfälle auf dem Weg von dort oder dorthin passieren." Das Lehrpersonal weise die Schüler nach wie vor darauf hin, langsam zu gehen. "Zudem achten wir darauf, dass alle Kinder zu Unterrichtsende ihre Jacken anhaben, damit sie gleich zum Bus gehen können", erklärt die Rektorin.
Warum die Haltestelle neu gebaut werden musste
Doch warum war ein Verlegen des Halteplatzes überhaupt notwendig? "Der Gemeinde-Unfallverband hat die Stadt Hammelburg vor einigen Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass die Anfahrt mit Bussen auf den Pausenhof nicht den Sicherheitsanforderungen im Bereich von Schulen entspricht", berichtet Stadtbaumeister Detlef Mohr.

Die Stadt sei deshalb gezwungen gewesen, für eine angemessene Lösung des Problems zu sorgen. Platzverhältnisse und die Zufahrtsmöglichkeiten in der Friedrich-Müller Straße haben es nicht zugelassen, den Pausenhof in eine sichere Bushaltestelle umzubauen.
"Auch in dieser Straße kam es immer wieder zu gefährlichen Situationen", sagt Mohr. Um einen reibungslosen Busverkehr ohne Personen-Gefährdung zu gewährleisten, habe das Busunternehmen (KOB) aufgrund der hohen Taktung der Busse mehrfach darum gebeten, Abhilfe zu schaffen.
Stadt Hammelburg beobachtet die Situation
Die neue Bushaltestelle entspricht laut Stadtbaumeister nun allen verkehrstechnischen Anforderungen und erlaubt einen gefährdungsminimierten Schülertransport. "Der Weg von der neuen Bushaltestelle zur Schule ist aus hiesiger Sicht deutlich sicherer als die alte Busbeförderungssituation direkt an der Schule."
Das Unfallrisiko auf null zu setzen, sei allerdings nicht möglich. Mohr betont: "Alle Verkehrsteilnehmer müssen Rücksicht aufeinander nehmen, um sich gegenseitig nicht unnötigen Verkehrsgefährdungen auszusetzen."
Die Stadt Hammelburg als Sachaufwandsträger von Grund- und Mittelschule werde die Situation beobachten und bei Bedarf weitere sachbezogene Verbesserungen umsetzen. "Diese müssen sinnvoll, verkehrlich verantwortbar und frei von emotionalen Beurteilungen sein", sagt Mohr. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die bereit sind zu den Stoßzeiten die Bushaltestelle zu beaufsichtigen, seien herzlich willkommen.
Das sagt der KOB zu den Vorwürfen
Gesellschafter der KOB GmbH sind die Deutsche Bahn/Omnibusverkehr Franken sowie der Landkreis Bad Kissingen. "Die Abfahrtszeiten der Busse wurden in Abstimmung mit der Schule sowie dem Bürgermeister festgelegt, um die Wartezeiten der Kinder so gering wie möglich zu halten", erklärt eine Sprecherin der Bahn. Die gemeinsame Auswertung einer Testphase mit späteren Abfahrtszeiten zu Beginn des Schuljahres habe keinen Bedarf spätere Abfahrtszeiten aufgezeigt. Zusätzliche Verbindungen müssten vom Auftraggeber bestellt werden.
"Auch Meldungen zu Kindern, die nicht mitgenommen worden seien, liegen uns nicht vor." Die Sicherheit aller Reisenden habe immer oberste Priorität. Die Sprecherin erklärt außerdem: "Uns sind keinerlei Unfälle mit unseren Bussen bekannt."
Zu keinem Zeitpunkt seien die Sitz- und Stehplatzkapazitäten der Busse überschritten worden. Auch Stehplätze sind laut Bahn grundsätzlich für Kinder zulässig. "Unser Anspruch ist, alle Fahrgäste in unseren Bussen zuverlässig und sicher an ihr Ziel zu bringen, dazu gehört auch ein rücksichtsvoller und hilfsbereiter Umgang mit unseren Reisenden." Alle Fahrer würden bei Fahrerweiterbildungen geschult werden und "auch die Schüler werden im Rahmen eines Schulbustrainings an den Grundschulen angeleitet."
Ausgestorben. Wir haben unseren Bus-Opa geliebt und er war auch immer eine Respektsperson. Anonymität hat ihren Preis und Dummheit der Behörden ist allgegenwärtig, wird jedoch niemals nicht zugegeben. Irgendwie eine traurig verdummte Situation.