
Das Turniergebäude in der Au. Thomas Leiner kann sich aus Kindheitstagen noch an die letzten glorreichen Tage des Gebäudes erinnern. In den 1960er und 1970er Jahren fanden dort noch regelmäßig internationale Reitturniere statt, mit Größen des Reitsports wie Hans-Günther Winkler und Josef Neckermann. Leiner erinnert sich an Herren in feinem Zwirn und an Damen in Kostümen und mit Hüten, die auf der Tribüne Platz nahmen. "Es war alles sehr schick", erzählt Bad Kissingens 3. Bürgermeister. Die Reitturniere waren nicht nur sportlich ein Ereignis, sondern auch gesellschaftlich, bei denen es ums Sehen und Gesehen werden ging.
Glanz des Turniergebäudes
Das Turniergebäude wurde 1922 errichtet und hatte großartige Zeiten erlebt: 1928 wurde hier der Segelflugweltrekord aufgestellt, es gab spektakuläre Flugschauen mit Flieger-Assen aus dem 1. Weltkrieg, 1970 landete hier Weltraumpionier und der erste Mensch auf dem Mond, Neil Armstrong. Doch der Niedergang ließ sich nicht aufhalten. Die Nutzung ließ nach, der Verfall begann. Schon 1980 Jahren berichtete die Saale-Zeitung über das undichte Dach, eindringendes Regenwasser, das der Holzkonstruktion zusetzt, über Risse und Schimmel im Mauerwerk und über marode Fundamente. Das historische Gebäude wartet seit vielen Jahrzehnten auf eine grundlegende Sanierung - die bisher nicht kam. Aktuell ist es an vielen Stellen akut einsturzgefährdet. Vielen Kissinger hatten bereits alle Hoffnung verloren, dass es irgendwann noch gerettet würde. Doch genau das soll dieses Jahr passieren.

Niedergang
Für zwei Millionen Euro lässt die Stadt das Turniergebäude in diesem Jahr instandsetzen. Am Montag beginnen die Arbeiten. "Für dieses Gebäude wird eine historische Epoche eingeleitet", sagt Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD). 1942 hatte die Stadt das Turniergebäude erworben, 2007 kaufte die Stadt auch das gesamte Turniergelände sowie den Flugplatz. 1934 wurde bereits das erste Mal das Dach ausgebessert, in den 1950ern folgten ebenfalls Arbeiten am Dach, 1980 ließ die Stadt die Fundamente sanieren. "Das wars", kommentiert der OB. Die jetzige Sanierung ist somit überfällig.

"Wir wollen es so ertüchtigen, dass es wieder eine Funktion bekommt", erklärt Vogel. Der Tribünenbau war früher zur gesellschaftlichen Nutzung da, das soll künftig wieder so sein. Der Reitverein soll es für das Rakoczy-Reitturnier nutzen, genauso auch die Segelfluggemeinschaft Bad Kissingen für Veranstaltungen. Zudem sollen Konzerte des Kissinger Sommers sowie aus dem popkulturellen Bereich hier stattfinden. "Da besteht großes Interesse, dass wir das mit einbinden", berichtet Vogel. Er betont: Die Stadt schafft am Turniergebäude gelebte Geschichte und nimmt die hohe Bedeutung, die es für unser Welterbe hat, ernst."
Rettung
Dass der einsturzgefährdete Welterbebau nun gerettet wird, hat die Stadt dem Unesco-Prädikat mitzuverdanken. 1,3 Millionen Euro der Kosten zahlt die Stadt selbst, 700.000 Euro sind Zuschüsse, die mithilfe des Welterbetitels akquiriert wurden. Der Bund, die Bayerische Landesstiftung, das Landesamt für Denkmalpflege und die Stiftung Denkmalschutz beteiligen sich finanziell und unterstreichen damit die Bedeutung des Gebäudes.
Bedeutung fürs Welterbe
"Das Turniergebäude hat einen Sonnenstrahl verdient", sagt Bad Kissingens Kulturreferent Peter Weidisch. Das Turniergebäude mitsamt Turnier- und Flugplatz sei mehr als eine Gesellschafts- und Sportstätte. Es war auch ein Infrastrukturprojekt für das damalige Weltbad. "Bad Kissingen erhielt in den 1920er Jahren den Anschluss an das nächste moderne Verkehrsmittel, das Flugzeug", erklärt er. In 1960er und 1970er Jahren spielten die Motorflugzeuge auch eine Rolle für den Kurbetrieb. Es gab Gäste, die per Flieger nach Bad Kissingen reisten. In den 1920er Jahren lag der Fokus auf dem eleganten Pferdesport. Diese Tradition wurde nach dem 2. Weltkrieg mit den Rakoczy-Reitturnieren fortgesetzt.

Anna Maria Boll, Welterbe-Managerin in Bad Kissingen, betont, dass das Turniergebäude eines von 40 herausgehobenen Einzelelementen in der Welterbezone ist. Die Sanierung fordert auch der Welterbe-Managementplan dringend. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schwappten Reiten, Golf und Tennis von England auf den Kontinent hinüber - gerade die großen Kurorte mit ihrer internationalen Gästeschaft gehörten zu den ersten, die Tennisanlagen, Golfplätze und Turnierplätze bauten. "Die Gäste forderten exklusive Freizeit- und Sportmöglichkeiten", sagt sie. Die Tennisanlagen im Kurpark, der Golfplatz und das Turniergebäude zeigen, dass Bad Kissingen zu den "bedeutenden Kurorten Europas" gehört.