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Bad Kissingen
Glanz und Verfall des Bad Kissinger Turniergebäudes
Das Turniergebäude wird nach langem Verfall für zwei Millionen Euro saniert. Zur Eröffnung 1922 gab es ein großes Spektakel. Das Bauwerk sorgte sogar in Berlin für Aufsehen. Warum die Stadt es hat.
Betrieb am Turniergebäude in der Au       -  Vor allem in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren wurde das Turniergebäude in der Au bei großen Reitturnieren genutzt
Foto: Stadtarchiv Bad Kissingen/Fotosammlung | Vor allem in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren wurde das Turniergebäude in der Au bei großen Reitturnieren genutzt
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 09.03.2024 02:43 Uhr

Tennis, Golf, Reitsport. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schwappten englische Sportarten hinüber aufs Festland. Insbesondere in wichtigen Kurorten mit einer internationalen und wohlhabenden Gästeschaft wie Bad Kissingen etablierten sie sich schnell - noch vor dem 1. Weltkrieg entstand die Tennisanlage an der Lindesmühlpromenade (1907) sowie der Golfplatz (1911). 1922 kam das Turniergebäude in der Au hinzu. Warum? Weil sich Reitturniere im Luitpoldpark als echte Publikumsrenner erwiesen.  "In Bad Kissingen waren der Reitverein und der Golfclub anfangs zusammen", sagt Bad Kissingens Welterbe-Managerin Anna Maria Boll. Aber Reitsport auf dem Golfplatz vertrug sich nicht auf Dauer. "Das hat sich gebissen", sagt sie.

Ein Spektakel zur Eröffnung

Im Mai 1921 hatten sich anerkannte Größen des Reitsports mit den besten Pferden Deutschlands im Kurpark gemessen. Um den Kurbetrieb nicht zu stören, entschied man, das Turniergelände in die Au nördlich der Stadt zu verlagern. Ein Jahr später stand laut Unterlagen des Stadtarchivs und alten Zeitungsberichten das erste große Turnier auf dem neu errichteten Turnierplatz samt Turniergebäude an. Es war ein Spektakel. Die Schirmherrschaft hatte seinerzeit Prinz Alfons von Bayern übernommen und auch aus dem Ausland kamen Teilnehmer: schwedische Kavallerie-Offiziere. 

Im Parterre - heute werden die Räume als Lager genutzt - befand sich zur Eröffnung ein Wein- und Kaffeerestaurant, zwei Läden sowie zwei Ausstellungsräume. Auf dem Turnierplatz gab es zwei Springreitbahnen. Der Andrang war groß: Die Stadt reagierte darauf, indem sie die Bismarckstraße für langsam fahrende Fahrzeuge sperren ließ. Berittene Polizisten regelten den Verkehr. Vier Turniertage dauerte die Eröffnungsveranstaltung.

Begeisterung in Berlin

Das Turniergebäude erregte sogar in Berlin Aufsehen. Die "B. Z. am Mittag" berichtete unter der Überschrift "Ein neues Heim des Turniersports" überschwänglich über die idyllisch in der Au gelegene Anlage. Der neue Turnierplatz werde im deutschen Turniersport wie eine Bombe wirken. "Eine Anlage von solcher Schönheit ist in keiner anderen deutschen Stadt für den Reitsport vorhanden", hieß es dort. Landschaftlich schön gelegen und hervorragend eingerichtet sei der Kissinger Turnierplatz der "bestangelegte von ganz Deutschland, vielleicht ganz Europas". Der Autor schwärmte weiter über die Architektur bis zu seinem Fazit: "Eine schönere öffentliche Tribüne besitzt Deutschland nicht."

1925 erreichte der Turnierbetrieb mit 2890 Pferden und 800 Nennungen seinen Höhepunkt. Unter den Reitern befanden sich Promis wie Graf Prinz Sigismund von Preußen. Der Glanz der Veranstaltung ließ so manchen Zuschauer von großen Derbys wie Longchamps bei Paris träumen. 

1926 wurde ein großer Flugtag veranstaltet. Das Berliner Geschwader mit vier Maschinen, die Flieger-Asse aus dem 1. Weltkrieg lenkten sowie ein Fallschirmsprung des Kissingers Ernst Streit sorgten für Furore. 1928 wurde in Bad Kissinger der Segelflugweltrekord aufgestellt.

Letzte Teilsanierung vor 40 Jahren

Nach der Machtergreifung der Nazis ritten Reiter der SA-Verbände über die Hindernisse in der Au. Nach dem Krieg erlebte das Turniergeschehen wiederum eine Renaissance: In den 1950er, 1960er und 1970er Jahren fanden dort regelmäßig internationale Reitturniere statt, mit Größen des Reitsports wie Hans-Günther Winkler und Josef Neckermann. 

Dennoch gelang es nicht, die Bausubstanz des Gebäudes zu erhalten. Schon seit Jahrzehnten gammelt es vor sich hin und ist inzwischen an manchen Stellen einsturzgefährdet. Die letzten größeren Arbeiten am Fundament sind mehr als 40 Jahre her, die letzten größeren Arbeiten am Dach 70 Jahre. Entsprechend undicht ist es und eindringendes Regenwasser hat der Holzkonstruktion entsprechend zugesetzt.  

Chronik

  • 1922: Bau des Turniergebäudes
  • 1934/35: Errichtung des Flugplatzes mit einer Flugzeughalle und Instandsetzung des Dachs des Turniergebäudes
  • 1942: Die Stadt Bad Kissingen kauft das Turniergebäude
  • 1950 bis 1958: Renovierungsarbeiten
  • 1956: Der Flugplatz wird an das allgemeine Flugnetz angebunden
  • 1970: Landung von Weltraumpionier Neil Armstrong mit einem Segelflugzeug
  • 1972: Bau des Kontrollturms am südlichen Ende des Turniergebäudes 
  • 1980: Fundamentsanierung
  • 2007: Die Stadt kauft das Turniergelände und den Flugplatz
  • 2024: Start der Sanierung des Turniergebäudes 
 
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