„Virtuosenkonzert“, das klingt, als ob man in etwa eine Entdeckung an einem solchen Abend machen könnte. Für dasjenige vom Freitagabend kann man das nicht sagen. Mindestens zwei, vielleicht auch vier Entdeckungen bereicherten diesen hinreißenden Abend im vollen Regentenbau.
Die Verzauberung war perfekt mit den ersten Takten von Ennio Morricones „Notturno-Passacaglia für Flöte und Orchester“. Ennio Morricone, das ist natürlich ein gewaltiger Berg von Filmmusik. Aber in den letzten Jahren findet sein Werk auch immer mehr Platz in den Konzertsälen. Das Notturno-Passacaglia passte wunderbar in den Littmann-Saal. Die an diesem Abend bestens aufgelegten Streicher des Orchestra Filarmonica Arturo Toscanini aus Parma schufen eine wunderbar luftige und dennoch warme Grundierung für die zarten Flötengespinste von Massimo Mercelli. Die Flötenstimme war in einem Zwiegespräch mit der Klarinette. Die eine Stimme verlöschte in der andren und ging dann wieder aus dieser hervor, die Dialoge wurden hitziger, leidenschaftlicher, das Ganze, ein Werk aus dem Jahr 1998, hatte etwas von einem Zwiegespräch Liebender.
Sinnvoll war die Umstellung des Programms, um Mercellis Flötenspiel nicht erst noch einmal vom Cello unterbrechen zu lassen. Also folgte auf Morricone der Landsmann Luigi Boccherini mit dem Konzert für Flöte und Orchester in D-Dur. Das heißt, das Werk wird mittlerweile dem Böhmen Franz Xaver Pokorny zugeschrieben. Während sich die Wissenschaft weiter streitet, konnte man im Littmann-Saal schlicht die schön beschwingte Musik genießen, die Solisten und Orchester zu bezaubernden Dialogen führt. Im Zugabenstück von Debussy zeigte dann Massimo Mercelli, dass ein unscheinbares Instrument einen ganzen Saal verzaubern kann.
Betörender in seiner Wirkung war freilich der junge Cellist Gautier Capuçon. In sich gekehrt hinter verriegelten Augenlidern, dann wieder mit einem lauernden Blick zur ersten Geigerin und den restlichen Streichern, zeigte sein Gesicht die beiden Richtungen, in die er sich bei Haydns Cellokonzert in C-Dur bewegte: Höfisches, gemeinschaftliches Musizieren hier, nach innen gekehrter, subjektiver Ausdruck dort.
Grandios, wie Capuçon gestalten konnte, wie sich fast wundersam seine Solostimme immer wieder aus dem Orchesterspiel gleichsam aus dem Nichts formte. Jeder Ton hatte Spannung, jeder Bogenstrich und jede Variante dazu war in sich schlüssig, dieser durchgängig richtige Atem war ein umwerfender Genuss über das ganze Stück hinweg.
Dieser grandios gespielte Haydn vor der Pause blieb auch nach Konzertende noch als intensiveres Erlebnis haften denn Tschaikowskys Virtuosennummer der Rokoko-Variationen, die es nach der Pause zu hören gab. Der Celloton war satter, die Kunststücke kniffliger, aber der Haydn blieb doch als „echter“ im Gedächtnis zurück.
Reichlich spät gab das Orchestra Filarmonica Arturo Toscanini unter Nicola Paszkowski dann eine Prager Symphonie von Mozart mit lockerem Zügel. Es war ein schöner, dynamischer, auch etwas dauerforcierter Fluss zu hören, aber nicht unbedingt ein Ausarbeiten von Feinheiten, von kontrastiven Gegenüberstellungen. Aber vielleicht sagt das treibende Opera-buffa-Ende, dass man auch mal mit dem Auge zwinkern sollte.