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Schlüchtern
Über Patienten lustig gemacht
Drei Pflegerinnen fertigten an ihrem Arbeitsplatz Fotos und brachten sie in Umlauf. Sie müssen Sozialstunden leisten und Geldstrafen zwischen 400 und 900 Euro zahlen.
Zwei 21-Jährige und eine 26-Jährige hatten unbefugt Bilder von alten Menschen einer Einrichtung , in der die drei Frauen arbeiteten, gemacht und verbreitet. Jetzt wurde das Urteil gesprochen.       -  Zwei 21-Jährige und eine 26-Jährige hatten unbefugt Bilder von alten Menschen einer Einrichtung , in der die drei Frauen arbeiteten, gemacht und verbreitet. Jetzt wurde das Urteil gesprochen.
Foto: SymbolJana Bauch/dpa | Zwei 21-Jährige und eine 26-Jährige hatten unbefugt Bilder von alten Menschen einer Einrichtung , in der die drei Frauen arbeiteten, gemacht und verbreitet. Jetzt wurde das Urteil gesprochen.
Redaktion
 |  aktualisiert: 17.08.2022 03:20 Uhr

Weil sie unbefugt Bild- und Filmaufnahmen von alten Menschen in ihrem Umfeld angefertigt und verbreitet haben, sind drei junge Frauen von Jugendrichterin Anna Schad vor dem Amtsgericht Gelnhausen verurteilt worden. Die besondere Note bei dem Fall: Die Bilder entstanden am Arbeitsplatz des Trios in einer Einrichtung im Altkreis Schlüchtern . Sie zeigen betagte, teilweise hilflose Patientinnen und Patienten, die ihnen zur Pflege anvertraut waren.

Eine 21-Jährige aus Bad Soden-Salmünster wurde wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen nach Jugendstrafrecht zu 40 Sozialstunden verurteilt. Außerdem muss sie 500 Euro an die Hilfsorganisation Kinderzukunft bezahlen und drei pädagogische Beratungsgespräche wahrnehmen. Eine Gleichaltrige, ebenfalls aus der Kurstadt, bekam eine Geldstrafe von 400 Euro (40 Tagessätze á 10 Euro) auferlegt. Schließlich wurde eine 26-jährige Frankfurterin zu einer Geldstrafe von 900 Euro (60 Tagessätze zu je 15 Euro) verurteilt.

Hilflos und nur teilweise bekleidet

Alle drei arbeiteten in derselben Einrichtung und meist in derselben Nachtschicht. Dabei entstanden im Zeitraum von März bis Juni vergangenen Jahres die Aufnahmen. Laut Anklageschrift zeigen sie beispielsweise eine 80-jährige Frau, die aus ihrem Bett gestürzt ist und hilflos sowie nur teilweise bekleidet auf dem Boden liegt. Ein Mann ist mit aufgeplatztem Katheter zu sehen.

Ein anderes Foto zeigt einen Patienten nur in T-Shirt und Unterhose mit Hämatomen am Arm. In einer Filmsequenz wird ein 95-jähriger Sehbehinderter aufgefordert, den Text auf der Oberbekleidung der Pflegekraft zu lesen. Ein weiteres Bild zeigt einen 77-Jährigen mit entblößtem Unterkörper.

Diese Aufnahmen wurden in eine Chatgruppe der drei Frauen eingestellt, in zwei Fällen aber auch einzelne Exemplare an unbeteiligte Personen geschickt. Teilweise waren die Nachrichten mit belustigenden Kommentaren versehen. Die drei Beschuldigten waren laut Staatsanwaltschaft in unterschiedlichem Maße als Urheber aufgetreten.

Immense Arbeitsbelastung

Alle räumten die Anklagepunkte vor Gericht umfassend ein, bedauerten ihr Tun und entschuldigten sich für ihr Verhalten. Zusammen mit ihren Verteidigern lieferten sie Erklärungen, warum es zu diesen Auswüchsen gekommen war. Die Drei berichteten übereinstimmend von einer immensen Arbeitsbelastung und sehr großer Verantwortung. Weil das Personal reduziert wurde, sei der Druck immer größer geworden. Teilweise seien sie im Nachtdienst mit nur drei Mitarbeitern für bis zu 200 Patienten zuständig gewesen, dabei an ihre physischen und psychischen Grenzen gestoßen.

Beschwerden bei Vorgesetzten über die Zustände hätten keinen Erfolg gehabt. Der Austausch in der Chatgruppe sei daher ein Ventil gewesen, um den Stress abzubauen und zu bewältigen. Das solle keine Rechtfertigung für das Verhalten, sondern nur eine Erklärung sein. Alle drei betonten, dass sie mit den Patientinnen und Patienten durchaus ein sehr gutes Verhältnis gehabt und immer wieder auch für lustige Momente gesorgt hätten.

Aufhebungsverträge unterschrieben

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Hanau fand es schlimm, wie hier wehr- und hilflose Menschen zu Opfern wurden. Gleichzeitig relativierten die "unmenschlichen" Arbeitsbedingungen die Tatvorwürfe. Die Frauen hätten einen für die Allgemeinheit wichtigen Job geleistet. Nach Bekanntwerden der Vorfälle haben sie Aufhebungsverträge unterschrieben und das Haus verlassen. Eine von ihnen ist weiter in der Branche tätig. Richterin Schad befand in ihrer Urteilsbegründung, die Angeklagten hätten mit ihrem Verhalten "eine Grenze überschritten" und "Anstand und Respekt verloren". Alle drei nahmen die Urteile umgehend an. ls

 
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  • sigrid.weissenberger@gmx.de
    Es ist erschreckend, wie menschenverachtend diese drei Pflegerinnen gehandelt haben.
    Sie haben definitiv den falschen Beruf gewählt und die Strafen sind für mich persönlich viel zu milde.
    Es mag sein, dass die Damen überlastet waren, aber das war dies sicherlich nicht der richtige Weg um daran etwas ändern zu können.
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