
Ein Schulschwimmbad, nur mit dem nötigsten, ohne Wellness- becken, Kinderlandschaft, Rutschen und anderen Extras – und trotzdem soll der jährliche Unterhalt rund 130.000 Euro teurer sein als beim großen „Familienbad“ für alle? Das leuchtet Holger Weismantel nicht ein. In einem „Leserbrief“ an die Redaktion macht der Rechtsanwalt seine Zweifel geltend. Stadtwerke-Geschäftsführer Torsten Zwingmann versucht, sie zu zerstreuen.
Bürgerverein verspricht sich geringere Kosten
Der gebürtige Frankfurter Weismantel, der in Bad Brückenau eine Zweigstelle seiner Kanzlei unterhält, gehört zu den Gründungsmitgliedern des Vereins „Wir für Bad Brückenau “.
Der auf Familien-, Erb- und Wohnungseigentumsrecht spezialisierte Anwalt unterstützt den Plan B, den der Bürgerverein in einem offenen Brief an die Stadt Bad Brückenau herangetragen hat, also die „kleinere“ Sinnflut . Denn sie verspreche „wahrscheinlich geringere Betriebskosten“.
Das würde der Stadt genügend Spielraum für lebensnotwendige Instandhaltungskosten und Ausgaben für die Weiterentwicklung zur Wiedererlangung der finanziellen Unabhängigkeit verschaffen.
Je größer das Bad, umso höher die Betriebskosten?
„Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die größere Variante mit drei Schwimmbecken etc. – bei gleichem energetischem Standard – gegenüber der kleineren Variante höhere Betriebskosten haben wird“, argumentiert Weismantel. Auch bei einem Freizeitbad werde sich die Rechnung, dass eine höhere zu heizende Grundfläche, ein größeres Wasservolumen und anderes wie bei jeder anderen Immobilie auch höhere Energiekosten nach sich zieht, nicht ins Gegenteil umkehren lassen.
8,50 Euro Eintritt nach Wiedereröffnung
Der Anwalt irrt, findet Stadtwerke-Chef Torsten Zwingmann. Und zwar deswegen, weil er die Umsatzerlöse durch die Sinnflut-Besucher außer acht lässt. Auf Anfrage gewährt Zwingmann Einblick in die Kostenkalkulation der Stadtwerke.
Der Geschäftsführer rechnet für das Familien- und Freizeitbad ab der Wiedereröffnung 2027 mit Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Bewirtung von jährlich 1.745.000 Euro . Dabei legt er einen jährlichen Schnitt von 170.000 Besuchern im deutlich attraktiveren Bad zugrunde; derzeit sind es 140.000 bis 145.000 Bade- und Saunalustige.
Jährliche Ausgaben haben sich gewaschen
Durchschnittlich zahlt laut Modellrechnung jeder Besucher 8,50 Euro Eintritt (bisher 5,51 Euro ); 300.000 Euro Umsatz bringt die Gastronomie im Jahr.
Demgegenüber stehen die jährlichen Ausgaben. Und die haben sich mit 2.845.000 Euro gewaschen. Den größten Posten nehmen dabei Löhne und Gehälter der Beschäftigten von Empfang, Badeaufsicht, Sauna, Gastronomie, Technik und Reinigung ein: 990.000 Euro . Zwingmann legt da Werte von 2019 zugrunde, plus Tarifsteigerungen bis 2027.
Wertminderung des Wirtschaftsgutes ist eingepreist
Als zweitgrößte Ausgabe nennt der Stadtwerke-Chef die für Energie, Wasser und Abwasser , aber auch für den Einkauf der Gastronomie und Material. 950.000 schlagen da laut Aufstellung zu Buche.
Hinzu kommen Sozialabgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung in Höhe von 235.000 Euro , 320.000 Euro für EDV, Werbung, (extern ausgeführte) Reinigungsdienste und Sonstiges sowie 20.000 Euro Grundsteuer.
Und Abschreibungen. Damit meint Zwingmann die alljährliche Wertminderung des Wirtschaftsgutes Therme Sinnflut , eingepreist mit 330.000 Euro .
Nur Eigenanteil der Stadt wird abgeschrieben
Anders als noch im Mai geht der Stadtwerke-Chef davon aus, dass nicht die Gesamtinvestition von 30,8 Millionen Euro abgeschrieben wird, sondern „nur“ der städtische Anteil von 6,8 Millionen Euro .
Zieht man die Ausgaben von 2.845.000 Euro von den Einnahmen (1.745.000 Euro ) ab, entsteht ein jährliches Defizit von 1.100.000 Euro pro Jahr. Wobei das deutlich weniger als die im Mai genannten 1,5 Millionen Euro ist. Was an der viel geringeren Abschreibung liegt.
Zwingmann: 20 Prozent weniger Besucher und Einnahmen
Zum vom Bürgerverein gewünschten Sportbad sagt Zwingmann: „Dieses bedient Schulkinder, Vereine und Sportschwimmer mit relativ kurzer Verweildauer, aber nicht mehr so stark Familien mit Kindern. Wir verlieren mindestens 20 Prozent an Besuchern und Einnahmen.“ Auch das Bistro büße ein, weil Besucher im Schnitt nicht so lange bleiben.
Energiekosten runter, mehr Abschreibung
Alles in allem rechnet der Stadtwerke-Geschäftsführer im Sportschwimmbad mit 1.396.000 Euro Einnahmen, 359.000 Euro weniger als im „großen“ Bad. Dafür sinken die Aufwendungen für Energie, Wasser und Abwasser um 25 Prozent auf 712.5000 Euro (minus 247.500 Euro ), ebenso sonstige Aufwendungen auf 240.000 Euro (minus 80.000 Euro ).
Dafür steigt laut Stadtwerke die Abschreibung auf 429.000 Euro (plus 99.000 Euro). Denn durch den Wegfall des touristischen Förderprogramms RÖFE würde der Eigenanteil der Stadt bei minimal neun Millionen Euro liegen.
Automaten für Essen, Trinken und Kasse als Alternative?
Alle anderen Parameter rechnet Zwingmann gleich – auch die Personalkosten. Diese Struktur und die Sauna sollen ja erhalten bleiben – es sei denn, man würde Kasse, Essen und Trinken auf Automaten umstellen. „Personelle Einsparungen gehen zulasten des Services.“
Die Rechnung Einnahmen (1.396.000 Euro) minus Ausgaben (2.626.500 Euro ergibt einen jährlichen Fehlbetrag von 1.230.500 Euro. Damit wäre das Sportbad im Unterhalt 130.500 Euro teurer als die Familien-/Freizeitvariante.
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