Für viele ist Weihnachten das Fest der Liebe, welches sie mit ihren Lieben verbringen. Für mich nicht.
Aufgewachsen in einer Familie, in der Engagement schon immer großgeschrieben wurde, bestehen die Feiertage für mich seit Jahren meist aus Piepser, Bereitschaft, Blaulicht, wenig Schlaf und Schichtdienst. Wie soll es anders sein? Vorgelebt und geprägt von meinen Großeltern und Eltern, steht auch bei mir das Ehrenamt, der Dienst als Helfer vor Ort, als Rettungssanitäterin oder bei der Feuerwehr, weit oben auf der Prioritätenliste.
Geschenk genug den Dienst für die Kolleginnen und Kollegen zu übernehmen
Viele der haupt- und ehrenamtlichen Retter verbringen Weihnachten gerne zuhause mit ihren Familien und Kindern, weshalb ich gerne die Dienste an den Feiertagen übernehme. Ich habe keine Verpflichtungen und brauche weder teure Geschenke noch ein üppiges Festessen. Es ist für mich Geschenk genug, zu wissen, dass durch meinen Dienst eine Kollegin, ein Kollege gemütlich mit seinen Lieben feiern kann. Für mich bedeutet das Ehrenamt keinen Verzicht. Es macht mir Freude und es verbindet.
Gerade an den Feiertagen erleben wir während unseres Dienstes ganz Verschiedenes. Beispielsweise werden wir zu Familien gerufen, bei denen alles nach einem besinnlichen Fest aussieht: Der Weihnachtsbaum ist schön geschmückt. Das Geschenkpapier liegt noch in der Ecke. Alle sind schick angezogen. Die Kinder spielen mit den neuen Spielsachen. Der leckere Nachtisch steht noch auf dem Tisch. Trotzdem sind alle etwas aufgeregt, da Notfallsituationen keine Routine sind. Nach unserem Eintreffen legt sich das schnell und alle sind froh, dass wir helfen.
Dann der nächste Einsatz, genau das Gegenteil: Menschen, die wir verzweifelt und völlig allein in ihrer Wohnung vorfinden. Sie haben keinen geschmückten Baum, keine Geschenke, kein Festessen, keine versammelte Familie. Sie benötigen Hilfe, da sie vielleicht gestürzt sind und nicht mehr aufstehen können. Weil sie es nicht mehr selbständig aus dieser Lage schaffen, wählen sie den Notruf.
Meist sehen wir schon beim Betreten der Wohnung die Traurigkeit in ihren Augen. Sie sind unsicher und entschuldigen sich häufig, dass sie angerufen haben, schließlich ist es schon spät und Weihnachten. Nach der Versorgung bleiben manchmal ein paar Minuten zum Unterhalten. In diesen Gesprächen wird vor allem eines spürbar: Dankbarkeit. Das ist eines der schönsten Geschenke und unbezahlbar.
Ganz spurlos gehen solche Begegnungen nicht an mir vorbei, sie machen wehmütig und nachdenklich. Doch es bleibt nicht viel Zeit zum Grübeln, da der nächste Einsatz nicht lange auf sich warten lässt.
Denn Weihnachten bedeutet für mich, für andere da zu sein.
Text: Natascha Below
Foto: Hanno Meier / Montage: Anne Schmidhuber
Natascha Below (38) aus Wollbach ist Kreisbrandmeisterin in der Kreisbrandinspektion Landkreis Bad Kissingen.
In der Kolumne "Kissinger Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Bad Kissingen Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.