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Rottershausen
Türchen 18 im Kissinger Adventskalender: Siegfried Erhard war beim eigenen Geschenk oft nur Zuschauer
Türchen 18 im Kissinger Adventskalender: Siegfried Erhard war beim eigenen Geschenk oft nur Zuschauer
Bearbeitet von Julia Back Siegfried Erhard
 |  aktualisiert: 10.01.2025 02:33 Uhr

In meiner Kindheit als Jüngster in einer Großfamilie mit bis zu fünfzehn Jahre älteren Geschwistern war der Heiligabend immer ein besonderer Höhepunkt. Natürlich war da die Freude auf das Christkind, wobei der religiöse Hintergrund mit Mitternachtsmette, Hochamt, Festandacht und Kindersegnung anders als heutzutage im Mittelpunkt stand. Aber man freute sich auch auf die Bescherung, die große Brotzeit nachts um halb zwei, auf das Festessen am Weihnachtsfeiertag, auf Plätzchen, Orangen und die Tage des Miteinanders in der Familie.

Erst als die Stallarbeit getan, die Milch abgeliefert war und Papa als Weichenwärter im Stellwerk Rottershausen eine ausreichend große Lücke zwischen den sich kreuzenden Zügen hatte, um mit dabei zu sein, kam das Christkind. Ich durfte die Stubentür öffnen. Die flackernden Kerzen und einige Sternwerfer am Baum erleuchteten die Stube stimmungsvoll mit warmem Licht.

Die Geschenke waren meist praktischer Art: Kleidungsstücke wie warme Socken, ein Gesellschaftsspiel für alle, sowie Aussteuer für meine Geschwister. Aber für mich als "Nachzügler" gab es doch auch etwas zum Spielen: Meine früheste Erinnerung war mit fünf. Ich bekam eine Aufziehlokomotive mit zwei Waggons und einem kleinen Gleisoval.

Diese Eisenbahn war das Highlight. Erst drehte sie ihre Runden auf den Schienen. Bald raste sie unter dem Schrank und der Chaiselongue hindurch. Aus Karton wurden Häuschen dazu gebaut. Nicht nur ich spielte gerne damit. Auch mein Bruder, meine älteren Schwestern und deren Freunde konnten sich begeistern und ich wurde gebraucht zum Umlegen des Weichenhebels oder um die Lokomotive, die sich – ohne Gleise – unter Küchenschrank oder Kohlekasten verfahren hatte, hervorzuholen.

In den Weihnachtstagen wurde jeden Abend mit Karten, Brettspielen oder der Eisenbahn gespielt, bis letztere irgendwann um Dreikönig verschwunden war. Angeblich war ich nicht brav gewesen, weshalb sie das Christkind wieder abgeholt hatte.

Ein Jahr später stand sie wieder unter dem Christbaum, diesmal mit zwei zusätzlichen Schienen, einschließlich Weichen. Doch um Dreikönig wieder das gleiche Spielchen: Wieder einmal nicht brav genug und weg war die Eisenbahn, um elf Monate später erneut unter dem Weihnachtsbaum mit einem Bausatz für ein Fallerhäuschen aufzutauchen.

Auch wenn ich beim Spiel der Älteren häufig nur Statist war, so taucht die kleine Aufzieheisenbahn in meinen Kindheitserinnerungen auf. Ich fühlte mich im Mittelpunkt, auch wenn ich oft nur als zuschauender "Eisenbahnbesitzer" dabei sein durfte.

Text: Siegfried Erhard

Foto: Ilse Erhard / Montage: Heike Grigull

Siegfried Erhard (hat am heutigen 18. Dezember 2024 Geburtstag und wird 73 Jahre alt) aus Rottershausen ist gelernter Lehrer und war von 1990 bis 2014 Erster Bürgermeister von Oerlenbach. Heute ist er Altbürgermeister und Ehrenbürger. Seit 1984 gehört er dem Kreistag an.

In der Kolumne "Kissinger Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Bad Kissingen Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.

 
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