Bad Kissingen
Tüftler der Improvisation
David Helbock gastierte mit seinem Trio im Rossini-Saal. Mit unbändiger Phantasie und Virtuosität treibt er seine Improvisationen an die Grenze.
"Von dem Mann wird man noch viel hören, von David Helbock", so das Urteil des Jazzkritikers von hr2 über das Konzert vor vier Tagen in Frankfurt. Welch ein Glücksfall für Bad Kissingen, dass das hier so kurz danach im Rossini-Saal möglich war! Der 1984 geborene Helbock hat schon seit seiner Jugend klassisches Klavier und Jazzklavier (seit 2000 bei Peter Madsen in New York) studiert und nicht nur die großen österreichischen Staatspreise eingeheimst, sondern
etwa auch 2007 und 2010 den 2. Preis in Montreux und den Publikumspreis. Seit 2003 hat er sich auf den Weg gemacht, nicht nur die Konzertsäle der Welt zu erobern, sondern auszuloten, was man mit seinem Instrument und mit vollkommen unterschiedlichen Formationen alles erreichen kann. "Ich spiele gerne mit unterschiedlichen Projekten, um nicht in Routine zu verfallen." Seine Hinwendung zu einer der konventionellsten Formationen, dem Klaviertrio, begründet er ganz offen damit, dass er
auch mal eine "unkomplizierte Band" zusammenstellen wollte.
Dass diese aber weder konventionell noch unkompliziert ist, zeigte das Kissinger Konzert sofort. Anstelle des üblichen Kontrabasses spielt Raphael Preuschl eine Bass-Ukulele, klein, aber elektronisch verstärkt mit einem breiten, dumpfen Sound, der eine wuchtige perkussive Basis liefern kann und - manchmal irritierend - mit dem klaren Sound des
Klaviers kontrastiert. Beim Piano begnügt sich Helbock eigentlich schon mit dem guten, alten Steinway, doch wird sehr schnell klar, dass er bei dem alle Möglichkeiten auslotet, von seinem ungemein differenzierten Tastenspiel von fast naiven klingenden kleinen Melodien oder durch raffinierte Nutzung des Pianopedals faszinierend verfremdeten leisen Partien bis hin zu wuchtigen Akkordfolgen, Läufen und Arpeggien.
Doch begibt er sich auch unter den Klavierdeckel, spielt beim "inside piano" con sordino auf dem Klavier mit gedämpften Saiten oder streicht, zupft, schlägt sie und kommt so zu vollkommen neuen, teils verfremdeten und völlig überraschenden Sounds.
Am ehesten an ein klassisches Jazztrio erinnert die Schlagzeugarbeit von Reinhold Schmölzer, wenn man vom verwendeten Gerät ausgeht, aber
auch er ist Bestandteil eines Unternehmens, das das übliche Repertoire eines Jazztrios immer wieder auf ebenso mitreißende wie anstrengende Weise transzendiert.
Denn in ihrem Konzert sind alle drei Musiker Teil einer Expedition des Grenzgängers Helbock, die sich zwar auf kompositorisch festgelegten Pfaden bewegt, aber als völlig spontane, improvisierte Musik rüberkommt. Helbock sagt von sich selbst, dass es ihm bei dem Programm "Aural Colors" wichtig war, "einfach [seine] Musik für sich selber sprechen zu lassen", und er nutzt sie mit der Begeisterungsfähigkeit eines exhibitionistischen Tasten-Magiers. So führt seine Musik den Zuhörer auf einen mitreißenden Trip durch alle Formen und Möglichkeiten des Jazz, des Klavierspiels, von romantischem Virtuosentum bis zu abwegigsten Modulationen.
Da groovt es aber auch gewaltig, und es gibt auch Anklänge an Pop wie die Hommage an den kürzlich verstorbenen Sänger Prince, den Helbock als Jugendlicher verehrte - wie auch seine wichtigsten Vorbilder im Jazz, den berühmten Bebop-Musiker Thelonious Monk und den brasilianischen avantgardistischen Mulitinstrumentalisten Hermeto Pascoa.
Er ehrt sie in jedem seiner Konzerte mit Kompositionen wie dem einfühlsamen "Spiritual Monk" oder "Anonymous Monkaholics" mit dem Ukulele-Solo zu Beginn und Bebop-Reminiszenzen und Klavierkunststücken vom Feinsten in der Durchführung, oder "Para Pascoal" mit einem Solo für Drummer Schmölzel und spannenden abrupten Übergängen von sehr schnellen zu ruhigeren Passagen und einem eindrucksvollen Dialog von gezupftem Klavier und Ukulele.
Auch vor einem großen Österreicher der Moderne der klassischen Musik, Zwölftöner Arnold Schönberg, schreckt Helbock nicht zurück. Sechs kleine Klavierstücke, Op. 19 Nr. 3 werden durch seine unbändige Phantasie zu einer spannenden Auseinandersetzung aller drei Musiker mit dem Thema, das im Original durch das Klavier eingeführt und dann durch einen
differenziert gestalteten Bluesteil wieder zu sich zurückgeführt wird.
Im Mittelpunkt des Konzerts standen allerdings Helbocks Eigenkompositionen wie "Das Fabelwesen" mit seinem ruhigen, fast feierlichen Beginn oder den fulminanten "Masks". Interessant auch das Beweisstück für jenes Unternehmen des "Sound-Tüftlers" Helbock, das seine überschäumende Fantasie, seinen Versuch, alle Facetten der bestehenden Musik auszuloten, in die Bahnen eines musikalischen Tageskalenders kanalisierte: sein "Jahreskompositionsprojekt" (2010 gedruckt als "My Personal Realbook" erschienen), bei dem er ein Jahr lang jeden Tag ein neues Stück geschrieben hat. Gespielt wurde in Bad Kissingen die Komposition "31. Mai".
Unkonventionell kompliziert
Dass diese aber weder konventionell noch unkompliziert ist, zeigte das Kissinger Konzert sofort. Anstelle des üblichen Kontrabasses spielt Raphael Preuschl eine Bass-Ukulele, klein, aber elektronisch verstärkt mit einem breiten, dumpfen Sound, der eine wuchtige perkussive Basis liefern kann und - manchmal irritierend - mit dem klaren Sound des
Klaviers kontrastiert. Beim Piano begnügt sich Helbock eigentlich schon mit dem guten, alten Steinway, doch wird sehr schnell klar, dass er bei dem alle Möglichkeiten auslotet, von seinem ungemein differenzierten Tastenspiel von fast naiven klingenden kleinen Melodien oder durch raffinierte Nutzung des Pianopedals faszinierend verfremdeten leisen Partien bis hin zu wuchtigen Akkordfolgen, Läufen und Arpeggien.
Doch begibt er sich auch unter den Klavierdeckel, spielt beim "inside piano" con sordino auf dem Klavier mit gedämpften Saiten oder streicht, zupft, schlägt sie und kommt so zu vollkommen neuen, teils verfremdeten und völlig überraschenden Sounds.
Drei Teile einer Expedition
Am ehesten an ein klassisches Jazztrio erinnert die Schlagzeugarbeit von Reinhold Schmölzer, wenn man vom verwendeten Gerät ausgeht, aber
auch er ist Bestandteil eines Unternehmens, das das übliche Repertoire eines Jazztrios immer wieder auf ebenso mitreißende wie anstrengende Weise transzendiert.Denn in ihrem Konzert sind alle drei Musiker Teil einer Expedition des Grenzgängers Helbock, die sich zwar auf kompositorisch festgelegten Pfaden bewegt, aber als völlig spontane, improvisierte Musik rüberkommt. Helbock sagt von sich selbst, dass es ihm bei dem Programm "Aural Colors" wichtig war, "einfach [seine] Musik für sich selber sprechen zu lassen", und er nutzt sie mit der Begeisterungsfähigkeit eines exhibitionistischen Tasten-Magiers. So führt seine Musik den Zuhörer auf einen mitreißenden Trip durch alle Formen und Möglichkeiten des Jazz, des Klavierspiels, von romantischem Virtuosentum bis zu abwegigsten Modulationen.
Hommage an die Vorbilder
Da groovt es aber auch gewaltig, und es gibt auch Anklänge an Pop wie die Hommage an den kürzlich verstorbenen Sänger Prince, den Helbock als Jugendlicher verehrte - wie auch seine wichtigsten Vorbilder im Jazz, den berühmten Bebop-Musiker Thelonious Monk und den brasilianischen avantgardistischen Mulitinstrumentalisten Hermeto Pascoa.
Er ehrt sie in jedem seiner Konzerte mit Kompositionen wie dem einfühlsamen "Spiritual Monk" oder "Anonymous Monkaholics" mit dem Ukulele-Solo zu Beginn und Bebop-Reminiszenzen und Klavierkunststücken vom Feinsten in der Durchführung, oder "Para Pascoal" mit einem Solo für Drummer Schmölzel und spannenden abrupten Übergängen von sehr schnellen zu ruhigeren Passagen und einem eindrucksvollen Dialog von gezupftem Klavier und Ukulele.
Improvisation über Schönberg
Auch vor einem großen Österreicher der Moderne der klassischen Musik, Zwölftöner Arnold Schönberg, schreckt Helbock nicht zurück. Sechs kleine Klavierstücke, Op. 19 Nr. 3 werden durch seine unbändige Phantasie zu einer spannenden Auseinandersetzung aller drei Musiker mit dem Thema, das im Original durch das Klavier eingeführt und dann durch einen
differenziert gestalteten Bluesteil wieder zu sich zurückgeführt wird. Im Mittelpunkt des Konzerts standen allerdings Helbocks Eigenkompositionen wie "Das Fabelwesen" mit seinem ruhigen, fast feierlichen Beginn oder den fulminanten "Masks". Interessant auch das Beweisstück für jenes Unternehmen des "Sound-Tüftlers" Helbock, das seine überschäumende Fantasie, seinen Versuch, alle Facetten der bestehenden Musik auszuloten, in die Bahnen eines musikalischen Tageskalenders kanalisierte: sein "Jahreskompositionsprojekt" (2010 gedruckt als "My Personal Realbook" erschienen), bei dem er ein Jahr lang jeden Tag ein neues Stück geschrieben hat. Gespielt wurde in Bad Kissingen die Komposition "31. Mai".
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