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Münnerstadt
Trauer in Münnerstadt: Eine prägende Persönlichkeit im Landkreis ist gegangen
Eine Stimme der Fairness und Solidarität ist verstummt. Der leidenschaftliche Münnerstädter Gerhard „Gerd“ Müller hinterlässt eine große Lücke.
Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008       -  Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008
Foto: Dieter Britz | Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008
Hartmut Hessel
 |  aktualisiert: 27.03.2025 02:39 Uhr

Die Verteidiger im Fußball spürten es oft genug an den Knochen, gegnerische Kommunalpolitiker kamen nicht selten bei ihm verbal „unter die Räder“. Doch Gerhard Müller , den alle Gerd nannten, konnte immer damit rechnen, dass jede Auseinandersetzung mit ihm am Stammtisch bei einem gemeinsamen Bier endete.

Fußball und Politik mit Leidenschaft

Gerhard Müller war der leidenschaftliche Fußballer und politische Kämpfer für die „gerechte Sache im Sinne der Bürger“ in seiner Heimatstadt und vor allem im Landkreis Bad Kissingen. Dort im Kreistag agierte, der 1940 in Nürnberg geborene Wahl-Münnerstädter, für die SPD seit 1984 und blieb bis 2008 im Landkreis-Parlament. Ab 1979 wählten ihn die Sozialdemokraten zum Kreisvorsitzenden. Die meiste Zeit war er Fraktionsvorsitzender. Von 1978 bis 1984, hielt er den Vorsitz des Ortsvereins in Münnerstadt inne. Sehr schnell fanden seine wesentlichen Charaktereigenschaften „Fairness und Solidarität“ Anerkennung bei großen Teilen der Bevölkerung.

Die Qualität seiner Argumente wurde mitunter zur Qual seines Gegenübers, sei es in der Politik oder beim Fußball. Beiden hielt Gerd Müller sehr lange die Treue, dem Fußball ein Leben lang. Im Jahr 2008 schied er aus den politischen Ehrenämtern aus. „Jetzt mache ich nur noch, was mir Spaß macht“, zitiert seine Frau Christine ihren Mann. 

Er erkundete Mitteldeutschland

Gerd Müller , der regionales Reisen bevorzugte, erkundete in den letzten Jahren Mitteldeutschland ausgiebig. Er war zielstrebig auf seine Gesundheit bedacht. Nach seiner Pensionierung im Jahr 2002 als Studiendirektor am Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium war er bis zuletzt im Fitness-Zentrum der Kissalis-Therme Stammgast. Lange Spaziergänge und kleine Ausflüge gehörten zuletzt zum Ritual.

War es die richtige Ruhe nach den Stürmen in der öffentlichen Wahrnehmung der vergangenen Jahrzehnte? Gerd Müller fühlte sich jedenfalls wohl in der Rolle des Privatiers, wenn man ihn nach seinem Befinden fragte. „Es ist, wie es ist.“ Und „wenn Schluss ist, dann war's das“. Seine nüchterne, sachliche Art konnte manchmal stutzig machen, doch in der Regel fand sich genügend Ironie in seinen Beiträgen, die für einen entspannenden Ausgang sorgten. Es brachte sie ihm Anerkennung in harten Auseinandersetzungen gegen politische Mehrheiten. 

Gerd Müller als Lehrer

Gerd Müller gehörte der Lehrergeneration an, die es Mitte bis Ende der Sechziger nach Münnerstadt verschlagen hatte und die hier nur kurz bleiben wollten. Stattdessen richtete er sich mit seiner Familie ein Leben in Münnerstadt ein und gestaltete die Öffentlichkeit mit. Seit 1968 war er Lehrer für Deutsch, Geschichte und Erdkunde. Er brachte dem Münnerstädter Gymnasium immer wieder Impulse, um in der Region als wertvolle Bildungseinrichtung zu punkten. Nicht zuletzt half er mit bei zeitgemäßen Systemanpassungen, wie der Kollegstufe nach dem „Münnerstädter Modell“ seit 1974.

Vor allem aber fand er einen Zugang zur Schülerschaft seiner Schule. Er bezeichnete sie mal als „insgesamt aufgeschlossen und freundlich“ und war als Beratungslehrer, also der Mittler zwischen Lehrern, Eltern und Schülern für alle beteiligten da. Lobeshymnen waren ihm immer zuwider. Bei den Studiengenossen-Festen im Laufe der Jahrzehnte konnte man die Beliebtheit dieser Lehrerpersönlichkeit greifen, denn fast jeder Klassenjahrgang wollte „den Gerd“ an seinem Tisch begrüßen. Das beruhte  auf Gegenseitigkeit, denn Müllers Interesse galt auch immer der weitere Lebensweg „seiner Jungs und Mädels“. „Ich war gerne Lehrer bis zum letzten Tag“, wird er zitiert.

Bildung vor Ort

Das Klassenzimmer war ihm auf Dauer zu eng, der Geschichtslehrer und Pädagoge mit Herzblut Müller wollte Bildung vor Ort vermitteln. So organisierte am Gymnasium Studienfahrten nach Bonn, Berlin, in die DDR, oder zu gesellschaftlichen Tagungen. 

Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008       -  Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008
Foto: Dieter Britz | Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008

In den gesamten achtziger Jahren realisierte er im Namen des SPD-Kreisverbandes vielfach Reisen in die DDR, nach Eisenach oder Weimar, bis hin nach Dresden. 

Gerd Müller stellte sich Herausforderungen, die aussichtslos schienen.1990 kandierte er als Bürgermeister in Münnerstadt und war mit nur 38 Stimmen unterlegen und 1996 verlor er überzeugend gegen den amtierenden Landrat Herbert Neder , machte aber seine SPD zur zweitstärksten Fraktion im Kreistag. Gewiss, das waren andere Zeiten, doch die Zähigkeit, von etwas überzeugt zu sein und sie durchzusetzen, hat Gerd Müller nie aufgegeben. Sabine Dittmar , 1990 Neuling im Kreistag und heute Bundestagsabgeordnete, nannte ihn öfter „ihren politischen Ziehvater“.

Am 8. März 2025 hörte der Lebensfußballer Gerhard Müller seinen persönlichen Schlusspfiff. 

Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008       -  Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008
Foto: Dieter Britz | Gerd Müller bei einer Feier zum 100. Jährigen Bestehen der SPD im Juli 2008
 
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Kommentare
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  • Udo Memmel
    In Münnerstadt hatten wir viele gute Lehrer. Aber er war prägend, weil er Diskussionsfreude, Interesse für das Gegenüber und seine Meinung vorlebte. Damit stand für etwas, was immer mehr verloren geht: Die wohlwollende Auseinandersetzung. Ich denke gerne an ihn und bin froh, von ihm gelernt zu haben.
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