Der Unfall hatte schwerwiegende Folgen: Am 22. Februar 2013 stürzte Maria B. aus Bad Kissingen in ihrer Wohnung aus einem Patientenlift zu Boden, als sie sich gerade mit diesem Lift aus ihrem Toiletten- und Rollstuhl in ihr Bett umsetzen lassen wollte. Durch den Sturz erlitt die über 90 Jahre alte Frau einen Oberschenkelhalsbruch sowie weitere Brüche im Beckenbereich. Sie musste operiert werden. In der Folge der Operation traten eine lebensbedrohliche Darmlähmung und weitere ernste gesundheitliche Probleme auf. Knapp vier Monate nach dem Unfall starb die Frau. Das Tragische daran: Der Unfall hätte ganz offensichtlich vermieden werden können. Das geht aus einem Strafbefehl hervor, den das Amtsgericht Bad Kissingen im Februar 2014 erlassen hat.
Dieser Strafbefehl ist seit März rechtskräftig. Das Amtsgericht verhängt darin eine Geldstrafe von insgesamt 110 Tagessätzen a 140 Euro gegen den Inhaber eines Sanitätshauses wegen Betrugs und wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Wie das Gericht feststellt, hat das Sanitätshaus von der Versicherung der Patientin für den Patientenlift den Neupreis kassiert. Geliefert habe das Unternehmen aber einen bereits 13 Jahre alten, überholten Lift. Der sei deutlich weniger wert gewesen als das Sanitätshaus dafür bekam.
Hersteller hatte gewarnt
Besonders problematisch ist, dass der Hersteller des Patientenlifts das Sanitätshaus erst im November 2012 vor Problemen mit Geräten dieses Typs und seiner Bauzeit gewarnt hatte. Durch Alterung und Verschleiß bedingt, so heißt es im Strafbefehl, bestand laut Hersteller die Gefahr, „dass bei einem ausfahrenden Hubmotor die Funktion eines Endschalters versage und das Schutzrohr aus der Führung fahre“. Der Motor fährt dabei also weiter als er soll. So könne es zum Abknicken kommen und der Patient stürzen.
Laut Gericht forderte der Hersteller seine Partnerbetriebe auf, den Hubmotor spätestens bei der jährlichen Wartung auszutauschen. Zudem sollte das Sanitätshaus sicherstellen, dass die Nutzer der betroffenen Geräte über das Sicherheitsproblem informiert würden. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizintechnik habe eine entsprechende Warnung veröffentlicht.
Das Sanitätshaus habe die Patientin jedoch nicht informiert, schreibt das Gericht. Auch zum Austausch bei der jährlichen Wartung sei es nicht gekommen. Der Sturz ereignete sich vorher. Dabei, so heißt es auf Juristendeutsch, habe sich „genau das Risiko verwirklicht“, vor dem Hersteller und Bundesinstitut warnten.
Wie der Kissinger Anwalt Hans Weiß berichtet, der die Söhne der Frau vertritt, hat der Hersteller des Patientenlifts den Hinterbliebenen pauschal 23 000 Euro Schadenersatz für Krankheits- und Behandlungskosten sowie Schmerzensgeld bezahlt. Grund für die Bereitschaft dazu sei gewesen, dass sich der Hersteller nach seiner „dringlichen Sicherheitsinformation“ nicht mehr um die Sache gekümmert habe, erklärt Weiß. Den Gerichtsweg mussten die Söhne der Frau für diese Zahlung nicht beschreiten. Der Hersteller zahlte im Rahmen eines Vergleichs.
Schmerzensgeld fordert der Anwalt im Namen der Söhne der Verstorbenen nun auch vom Sanitätshaus. Der Tod der Mutter seiner Mandanten könne zwar letztlich nicht aus dem Unfall „beweiskräftig hergeleitet werden“, schreibt Weiß. Aber es bleibe bei der rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Körperverletzung.
Schmerzensgeldforderung
Der Anspruch der Kläger an das Sanitätshaus sei auch nicht durch die Zahlung der Herstellerfirma abgegolten. Geltend macht der Anwalt gegen das Sanitätshaus noch einmal 30 000 Euro Schmerzensgeld. Die genaue Summe stellt er ins Ermessen des Gerichts.
In Bad Kissingen öffentlich geworden ist der Fall auf ungewöhnliche Weise. Die Zeitschrift Neue Post berichtete darüber. Zwischen verheißungsvollen Überschriften wie „Prinzessin Caroline: Süße Rache an ihrem untreuen Ehemann“ und „Dietmar Schönherr: Im Himmel ist er mit Vivi vereint“ hieß es in der 31. Ausgabe vom 23. Juli: „Der Pflege-Lift meiner Mama wurde zur tödlichen Falle“. Die Zeitschrift zitiert darin einen der Söhne, er ist Oberstudienrat in Bad Kissingen. Warum er juristisch gegen das Sanitätshaus vorgeht, begründet er laut Neue Post so: „Meine Mutter bekomme ich durch eine gerechte Strafe zwar nicht zurück – aber das bin ich ihr und vielen alten Menschen, die solche Pflegelifte benutzen, einfach schuldig.“
Ein anderer Grund ist laut Klageschrift von Anwalt Hans Weiß, dass „der Beklagte selbst es bis heute nicht für nötig erachtet hat, sich bei den Klägern zu entschuldigen oder sein betrügerisches Verhalten zu erklären“. Sein Mandant, der in Bad Kissingen lebende Sohn, war für die Main-Post nicht zu sprechen.
Vom Sanitätshaus gab es auf Anfrage von der Senior-Chefin nur zwei Sätze als Antwort. „Das Verfahren ist abgeschlossen“, lautete der eine. Und das Unternehmen sei „nicht einverstanden mit einer Veröffentlichung“ der andere.