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Thulba: Strichsliebhaber und Lusttragende regen zum Lesen an
Schon der zweideutige Titel des Buches von Klaus Reinhard macht neugierig. Dahinter verbirgt sich eine kurzweilige Presseschau über die Jahre von 1850 bis 1900.
Klaus Reinhard hat einen Pressespiegel von 1850 bis 1900 aus dem Raum Hammelburg und benachbarten Gerichtsbezirken erstellt.
Foto: Wolfgang Dünnebier | Klaus Reinhard hat einen Pressespiegel von 1850 bis 1900 aus dem Raum Hammelburg und benachbarten Gerichtsbezirken erstellt.
Wolfgang Dünnebier
 |  aktualisiert: 03.02.2020 02:10 Uhr

Nach sechs Jahren Vorarbeit ist es soweit. Klaus Reinhard präsentiert unter dem Titel Strichsliebhaber und Lusttragende sein Buch über eine Epoche des Aufbruches. Gründlich hat der pensionierte Lehrer den Hammelburger Anzeiger und das Hammelburger Journal im Gemeindearchiv von Oberthulba ausgewertet. Mit seinen Randbemerkungen zu den ausgewählten Artikeln zieht er Parallelen zum 21. Jahrhundert.     

Mit der Legende von der guten alten Zeit räumt Reinhard auf den knapp 750 Seiten Seiten gründlich auf. Viele Menschen  kamen damals mehr schlecht als recht über die Runden. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug bei den Frauen bayernweit um 1870/1880 denn auch nur 39 Jahre, bei den Männern waren es 36 Jahre.           

Große Unterschiede zwischen Reich und Arm

Vor allem die Ungleichheit springt bei der Lektüre des Pressespiegels ins Auge. Während die einen in Saus und Braus die Kur in Bad Kissingen entdeckten, buckelten viele, um es den Herrschaften genehm zu machen. Ausführlich schildern die alten Quellen, wie dem Reichskanzler und dem König damals in Bad Kissingen gehuldigt wurde.        

"Keine Antwort fand ich auf  die Frage, ob sich das Bundeskanzleramt heute einen  Chef leisten könnte, der über 15 Jahre  lang jeweils oft erheblich länger als nur einen Monat auf Kur gehen könnte", sagt Reinhard schmunzelnd. Häufig schwärmten Obrigkeiten in den Wäldern um Bad Kissingen, Hammelburg und Brückenau zur Jagd aus.  

Die Auswanderung ist ein bedeutendes Thema im Hammelburger Journal von 1850 bis 1900.
Foto: Wolfgang Dünnebier | Die Auswanderung ist ein bedeutendes Thema im Hammelburger Journal von 1850 bis 1900.

Das gemeine Volk im Saaletal hatte andere Sorgen. Etwa 80 Prozent schufteten in der Landwirtschaft. Manches befand sich nach heutigem Verständnis in Schieflage. Von Frauen als Amtspersonen wird ebenso wenig berichtet, wie von Mädchen, die das Frobenius-Gymnasium in Hammelburg besuchen. Schweigend übergangen werden können sie trotzdem nicht. Sie kommen bei Sammlungen für Bedürftige, bei der Pflege von verwundeten Soldaten, der  Betreuung von Waisen und sozial benachteiligten Kindern vor.

Viele Selbstmorde

Auffallend hoch ist die Zahl der dramatischen Unfälle, die sich in den ausgewählten  Artikeln niederschlagen. Die vielen Mühlen waren eine der zahllosen Unfallquellen. Manche Gliedmaßen rissen auch die Riemen der ersten Dreschmaschinen ab. Als ob das nicht genug Elend wäre, berichten die Redakteure erschreckend detailliert über die Vollstreckung von Todesurteilen. Zur Veranschaulichung hat Reinhard nur einen Fall ausgewählt.  

Reduziert hat der Autor  auch die Schilderung erschreckend vieler Selbstmorde. Schwermut lautete damals die Umschreibung der Ursachen. Brände, Missernten, Hochwasser und Seuchen forderten ihren Tribut. Bedienstete waren den Launen ihrer Arbeitgeber oft schutzlos ausgeliefert.

Etliche wanderten aus

Kein Wunder, dass viele nach Amerika auswandern wollten. Das ging jedoch nur  mit vorheriger Genehmigung seitens der Behörden, damit niemand etwaigen Verbindlichkeiten  entfloh. Die Suche nach dem Glück in der Fremde stand auch bei dem Buchtitel Pate. Wer einer neue Heimat entgegen reiste, der versteigerte sein Hab und Gut. Vorher gab das Hammelburger Journal die Strichsbedingungen für daran Lusttragende und Strichsliebhaber bekannt.

Vom Schutz persönlicher Daten konnte damals keine Rede sein. Wer einen Schaden hatte, der musste in der Berichterstattung dann auch noch seinen vollen Namen in der Öffentlichkeit ertragen. Und dann gab es noch die anderen Widrigkeiten des Lebens. Wenn sich Frau oder Mann in einer Annonce über die Untreue des Lebenspartners ausließ, durfte der volle Namen des Bezichtigten ebenfalls nicht fehlen. Rücksichtsvoll hat Reinhard manche Familiennamen durch Pünktchen ersetzt, nachdem manche der damaligen Akteure bis heute Nachfahren in der Region besitzen.      

"Geschichte wiederholt sich"

Ein Fazit der Auswertungen Reinhards: "Geschichte wiederholt sich, wenn auch nicht so intensiv". Diese Theorie unterstreicht er mit einer Reihe von Beispielen: Die Verkehrsproblematik in Hammelburg etwa.  "Damals waren es die Pferdeäpfel auf den Straßen, die für Ärger sorgten", hat Reinhard aus den Journalen  herausgelesen. Schlagzeilen schrieben vor über 100 Jahren der letzte Wolf im Neuwirtshäuser Forst, die Ladenöffungszeiten am Sonntag, der Nachwuchsmangel bei den Handwerkern, Hochwasserprobleme an Thulba und Saale oder etwa der  Antisemitismus. Auch der Streckenverlauf der Saaletalbahn war umstritten. "So, wie heute SuedLink", sagt Reinhard.

Die Liste der Ähnlichkeiten ist noch länger. "Damit will ich nicht in Verdacht geraten, ein versierter Heimatgeschichtler zu sein", stellt Reinhard zu seiner Themenauswahl klar. Gleichzeitig warnt der 76-Jährige davor, Tradition als Entschuldigung dafür zu missbrauchen, die Gegenwart zu verschlafen. "Alte Zöpfe sollten nicht fix abgeschnitten, aber immer wieder entflochten und durchgekämmt werden", rät er kommenden Generationen für einen pragmatischen Umgang mit der Geschichte.              

Klaus Reinhard
Klaus Reinhard unterrichtete knapp 40 Jahre als Lehrer in Oberthulba, Hetzlos und Thulba. Er gründete die Volkshochschule Oberthulba mit und war 15 Jahre deren Leiter. Der Pädagoge wirkte im Bauausschuss für die Planung des Sportzentrums Thulba mit, hob die Muiskkapelle Thulba-Reith mit aus der Taufe, leitete die KLJB-Jugendgruppe Thulba und die Theatergruppe Frankenbrunn. Er stand im Fasching in der Bütt und gehörte dem Duo Die Basebinner vo Klöésthul an. 18 Jahre berichtete und kommentierte er für die Heimatzeitungen das Lokalgeschehen. An der Infanterieschule unterrichtete er Offiziersanwärter in Zeitgeschichte.              
 
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  • eboehrer@gmx.de
    Da wird für das sicher interessante Buch "geworben" und leider nicht geschrieben, was es kostet und wo man es kaufen kann.
    Schade, dass auch hier die richtigen Namen "mit Punkten" versehen wurden. Normalerweise ist nach längst der Datenschutz abgelaufen.
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  • dbuettner0815@gmail.com
    Also ich sehe auf dem Bild Ilja Richter.
    Licht aus! Spot an!
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