
Diese zwei Berliner Schnauzen haben die gleiche Mission: Glückshormone in Schwung bringen. Alle beide sind im Rentenalter - obwohl sie 65 Jahre trennen. Und sie haben noch mehr gemeinsam: Sunny und Frauchen Heidi tragen zarte Locken, beide Damen haben einen aufmerksamen Blick, schauen treu und aufrichtig. Wenn sie im Dienst sind, wollen sie "Brücken in die Erinnerung" schlagen und Lethargie zerschlagen. Ein Duo mit besonderem Feingefühl: Heide-Marie Kessner mit ihrer Therapiehündin Sunny.
Eine weiche, warme Schnauze stupst gegen den Oberschenkel. "Streicheln ist ganz wichtig. Sunny will gekrault werden", sagt Heide-Marie Kessner. Zusammen mit ihrer Hündin begleitet sie Menschen dabei, wie sie "ins Leben zurückgehen". Dabei hat die 75-Jährige schon Erstaunliches erlebt.
Mit Feingefühl und Empathie
"Menschen, die nicht mehr sprechen, beginnen wieder zu reden." Wo Betreuer und Pfleger an ihre Grenze kommen, findet das Tier einen Zugang: "Der Hund ist eine Brücke in die Erinnerung. Tiere haben unheimliche Antennen. Zweimal hat der Englische Cocker Spaniel den Tod vorausgesehen," erzählt Heide-Marie Kessner.
"Ich bin´s, Heidi, mit Sunny!", sagt sie, wenn sie anklopft bei Alten und Jungen, Kranken und Gesunden. Sie und ihre Sunny sind ein eingespieltes Gespann. Das war nicht immer so.
"Der Hund kannte nichts. Er machte nicht mal Sitz", sagt die Seniorin. Als sie den Verlust ihres geliebten Schäferhundes überwunden und Sunny zu sich geholt hatte, ließ sie sich ganz auf die Arbeit mit dem Tier ein. Die Hündin war "unsicher und unselbstständig, ängstlich und sehr liebebedürftig", erzählt Heide-Marie Kessner. Training und Erziehung sollten das Tier schulen. So weit, bis Sunny alle Anforderungen eines geprüften Therapiehundes erfüllen konnte. Zweimal in der Woche packte Frauchen Heidi den Ball und den Futterbeutel, die Zahlendecke, selbstgebastelte Rohre und jede Menge Leckerli und machte sich zusammen mit Sunny auf ins Seniorenheim. Die Damen und Herren im Stuhlkreis warten schon auf die zwei. Die Ergo-Therapie soll die Bewegung in die Körper zurückbringen. Wer nicht aufstehen kann, bekommt einen Einzelbesuch von den Beiden. Was nach einer Spaß-Veranstaltung klingt, ist in Wirklichkeit Arbeit, für die reichlich Sensibilität und Empathie gefragt sind.
"Jeder Mensch ist anders", sagt Heide-Marie Kessner. Die 75-Jährige hatte sich in ihrer Familie immer gekümmert und die Pflege von Angehörigen übernommen. "Ich weiß, dass alte Menschen anders ticken." Sie kennt die Nähe zu Menschen: Bevor Heide-Marie Kessner vor 15 Jahren Rentnerin wurde, arbeitete sie als Arzthelferin in einer orthopädischen Praxis.
Vor vier Monaten packte sie gemeinsam mit ihrem Mann die Koffer, brach ihre Zelte in ihrer Heimatstadt Berlin ab und zog in die Kurstadt. In die Nähe einer ihrer beiden Töchter. Franken ist kein unbekannter Fleck für sie: Mit den Kindern machte sie in der Gegend oft Ferien auf dem Bauernhof, erzählt sie und lacht. Seit 2004 engagiert sie sich im Verein "Leben mit Tieren". "Ich spende Lebensfreude!" lautet das Motto auf dem schwarz-blauen Geschirr von Sunny. Mithilfe der tiergestützte Therapie will sie für die Leute da sein. Ihr Anspruch: nicht belehren, sondern hinterfragen.
Was ihr den Zugang manchmal erleichtert, ist ihre eigene Krankheitsgeschichte. "Ich gehöre zu euch." Es sind die Reaktionen, die sie mit ihrer Sunny auslösen kann, die jede Mühe wert sind: "Das Strahlen im Gesicht - wie ein Weihnachtsbaum."
Therapiehund Heide-Marie Kessner und ihre Sunny vom Verein "Leben mit Tieren", Kontakt über hm.kessner@yahoo.debcs