Im Theater Schloss Maßbach knallten vor ein paar Tagen die Sektkorken, denn trotz der Pandemie gab es etwas zu feiern: Birgit Waizenegger hat ihre Ausbildung zur Damenschneiderin als Unterfränkische Kammersiegerin abgeschlossen.
Damenschneiderin Birgit Waizenegger: "Das freut mich natürlich unheimlich"
Was das für ein Gefühl ist? "Das freut mich natürlich unheimlich. Auch für meine Ausbilderin . Das ist eine Bestätigung, dass wir gute Arbeit geleistet haben." Natürlich ist Jutta Reinhard, die Chefin der Theaterschneiderei, "megastolz", aber ganz überraschend kann der Erfolg für sie nicht gekommen sein: Von den vier jungen Frauen, die sie in den vergangenen Jahren ausgebildet hat, sind drei Kammersiegerinnen geworden.
Gute Situation im Schloss Maßbach
Gründe für ihren Erfolg findet Birgit Waizenegger gar nicht so sehr bei sich selbst, sondern in der Situation in der Theaterschneiderei: "Das liegt an dem familiären Klima. Man kennt sich gut, man weiß, wen man fragen kann, wenn man Probleme hat oder Hilfe braucht, man hilft sich gegenseitig, man wird von allen unterstützt." Sie hat die enge Zusammenarbeit und das Aufeinander Angewiesensein sehr genossen, "dass wir hier zu dritt oder viert in der Schneiderei gearbeitet haben, dass man da mitten im Geschehen ist, Teil von dem Ganzen sein kann und so dazu auch mehr Bezug dazu hat."
Wobei Corona für Birgit Waizenegger auch einen Vorteil brachte: Zwar lief die Arbeit in der Schneiderei weiter, denn es wurden künftige Produktionen vorbereitet. Aber der aufführungsbedingte Stress war weg. So hatte Jutta Reinhard auch mehr Zeit für die Ausbildung.
Reiz des Handwerks
Dass sie überhaupt zur Theaterschneiderei gekommen ist und nicht in einer Universität verschwunden ist, ist das Resultat einer inneren Unzufriedenheit: "Kurz vor dem Abitur (in Memmingen) habe ich mir Gedanken gemacht, was ich danach machen möchte. Mir war ziemlich schnell klar, dass ich eine Ausbildung machen möchte, und zwar eine handwerkliche Schneiderausbildung, weil ich es einfach nie richtig gelernt habe zu nähen. Ich war halt mit meinen Ergebnissen nie so zufrieden und wollte es einfach von der Pike auf lernen."
Theater in Maßbach war offen für eine Kooperation
Birgit Waizenegger hörte sich um und kam über Praktika und Assistentenstellen zum Mainfrankentheater Würzburg, wo sie ihre Ausbildung zur Damenschneiderin begann. Nach einem Jahr wollte sie wechseln, aber unbedingt an einem Theater bleiben. Dann fragte sie in Maßbach nach. "Wir haben uns kennen gelernt und ich bin angenommen worden, glücklicherweise."
Dass es das Theater sein musste und nicht eine "normale" Schneiderei sein sollte, war für Birgit Waizenegger klar: "Weil man einen ganz anderen Bezug zu Materialien hat, weil man viel kreativer oder außergewöhnlicher arbeitet als in einem Standardatelier, würde ich jetzt mal behaupten, weil ganz andere Effekte gewünscht sind, andere Funktionen gewünscht sind, die im alltäglichen Gebrauch nicht erfordert sind. Das fasziniert mich einfach, wie man mit welchem Schnitt, mit welcher Textilie welchen Effekt erzeugen kann. Ich finde das unheimlich spannend und interessant."
Worauf es beim Nähen der Kostüme ankommt
Und es wird auch anders genäht: stabiler, weil die Schauspieler manchmal nur 30 Sekunden zum Umziehen haben und ein Frack von der Stange ein Radschlagen nicht überstehen würde. Andererseits aber auch leichter, weil die Teile wiederverwenden und dann enger oder weiter gemacht werden müssen.
Außerdem ist der jungen Schneiderin ein Aspekt wichtig: In einem Standardatelier würde sie sich nicht frei fühlen, weil sie zuallererst die Wünsche ihrer Kundinnen erfüllen muss, auch wenn sie überhaupt nicht überzeugt ist. Im Theater hat natürlich der Regisseur das letzte Wort. Aber da ist sie schon deshalb "Herrin des Verfahrens", weil sie nach Textlektüre und ersten Konzeptionsgesprächen mit ihren Vorschlägen und Entwürfen schon mal eine Richtung vorgibt.
So geht man als Schneider mit sturen Regisseuren um
Natürlich wäre ein Regisseur kein Regisseur , wenn er nichts zu bemäkeln hätte, und kleine Änderungswünsche sind ja auch kein Problem. Aber wenn die Wünsche und Vorstellungen - seien sie technischer oder farblicher Natur - überhaupt nicht funktionieren und die Einwände auf taube Ohren stoßen, dann wird schon auch mal ein Kostüm genäht, um diese Unmöglichkeit zu beweisen.
Das sind freilich Probleme, die sie bisher nur beobachtend erlebt hat. Aber im kommenden Winter wird es ernst. Dann wird Birgit Waizenegger eigenverantwortlich die Kostüme für das neue Jugendstück "Wolkenbilder" entwickeln, das im Februar 2022 im TiP Premiere haben soll - wenn Corona nicht dazwischenfunkt. Das kommt ihr sehr gelegen: "Ich bin ja ein Märchenfan, und ich glaube, im "Urmel" wäre ich auch gut aufgegangen. Ja, ich sehe mich im Moment eher in Kinder- und Jugendproduktionen."
Pläne von Birgit Waizenegger
Und wie geht es weiter? Jetzt soll es an die Hochschule gehen. Birgit Waizenegger will im Kostüm- und Bühnenbildbereich bleiben. Sie will sich für die Studiengänge Film- und Bühnenbild in Hamburg, Berlin und Dresden, eventuell auch in Stuttgart bewerben. Dann gibt es in Hamburg auch noch Mode-, Kostüm- und Textilgestaltung in Dresden an der HfBK Kostümgestaltung: Der Studiengang spricht mich aktuell am meisten an, weil er auch sehr handwerklich ist. Das liegt ja auch nahe, wenn ich die handwerkliche Ausbildung eh schon habe." Ob sie angenommen wird - die Konkurrenz ist groß - hängt von ihrer eingereichten Mappe ab und vom Eignungstest. Vielleicht kann sie da mit ihrer praktischen Erfahrung punkten.
Einen wesentlichen Unterschied zwischen privatem und beruflichem Nähen hat Birgit Waizenegger schnell festgestellt: "Wenn ich privat nähe, dann habe ich keinerlei Geduld. Wenn dann etwas nicht passt, würde ich es am liebsten liegen lassen. Aber wenn es für die Bühne oder für Schauspieler ist, dann ist es ein bisschen anders. Dann trennt man auch dreimal wieder auf, wenn etwas nicht richtig passt. Ich habe da irgendwie mehr Geduld."