Endlich mal wieder kam die Balletttruppe des Theaters Hof zum Theaterring ins Kurtheater. Und diesmal gleich mit zwei ikonischen Stücken des 20. Jahrhunderts: zwei Balletten von Igor Strawinsky, die als Wendemarken zur Moderne im Tanztheater gelten. 1909 und 1910 entstanden in Paris „Das Märchen vom Feuervogel“ und „Petruschka“ für die Pariser Ballets Russes von Sergei Diaghilev und hatten einen Riesenerfolg, schreibt die Stadt Bad Kissingen in einer Pressemitteilung, der auch die folgenden Informationen entnommen sind. Da beide Stücke nicht abendfüllend sind, wurde es üblich, sie hintereinander an einem Abend aufzuführen. Dazu entschlossen sich auch die Hofer bei ihren Gastspielen, darunter dem in Bad Kissingen. Wirkliche inhaltliche Gründe oder Zusammenhänge gab es dafür nicht.
Raffiniertes Bühnenbild
Die Hofer Ausstatterin Annette Mahlendorf wollte hierfür Abhilfe schaffen und wählte „Petruschka“ als Rahmenhandlung für beide, obwohl es keinen Grund gibt, das altrussische Märchen vom Feuervogel mit dem Jahrmarktstreiben zu koppeln. Es war verblüffend, wie es die Hofer schafften, beide Schauplätze auf der kleinen Kissinger Bühne mit einer kurzen Umbaupause plausibel unterzubringen, den ganzen Abend zu einem Fest für die Sinne zur machen. Beim „Feuervogel“ sorgten dafür riesige Vorhänge, die die gesamte Hinterbühne einnahmen und variabel gerafft werden konnten; der Bühnenboden war hier nur spärlich bestückt, bot viel Platz zum Tanzen. Für das Jahrmarktstreiben bei „Petruschka“ gab es eine raffiniert ausgestattete, drehbare Marketenderbude mit zweistöckiger Bühne und kleinem Bühnenvorhang. Für die gesamte Aufführung gab es fast leitmotivische Luftballons, die die Leichtigkeit des Lebens auf diesem Jahrmarkt symbolisierten. Am Ende regnete es dann auch Gold vom Schnürboden, herrschte eitel Zufriedenheit nach der doch ziemlich schwer lastenden Anfangsszene um den Feuervogel. Da hier der Aufwand wesentlich höher war als in der ersten Szene, hatten die Hofer diese Szene ans Ende des Abends gestellt. Während der erste Teil der Aufführung mit einer Reduktion der bildnerischen Mittel lediglich den glühend roten Feuervogel ins Zentrum stellte, die restlichen Akteure in unauffälligem Grau beließ, explodierten hier die Farben und Ideen.
Zwei Bühnenbilder brachten die Hofer auf die Kissinger Bühne, den in der Originalaufführung in Hof noch nötigen Platz für das Live-Orchester der Hofer Sinfoniker konnten sie leider nicht mehr finden. Doch konnte zumindest deren für die Aufführung entstandene Musik, die farbenprächtigen Kompositionen von Igor Strawinsky, zugespielt werden. Ihr Dirigent Ivo Hentschel hat für Strawinskys Kompositionen herrlich interessante Lösungen gefunden, die so wohltuend anders klingen als die landläufigen Einspielungen.
Torsten Händlers Choreographie begeisterte durch enorme Phantasie und eine absolut stimmige Umsetzung des Inhalts der beiden Kompositionen des damals noch jungen Strawinsky, dem man die Aufgabe gestellt hatte, dem Pariser Publikum die russische Seele nahe zu bringen. Händler bedient sich in seiner Choreografie dazu sowohl der hergebrachten Formen wie Spitzentanz, Paartanz der Mädchen und eines sehr schön getanzten Pas de deux als auch freier Ausdrucksformen, die in die Moderne weisen wie etwa des wilden Tanzes, mit dem der Zauberer Katschej seiner Wut Ausdruck verleiht.
Fasziniertes Publikum
Eine sehr witzige und originelle Idee ist die an die berühmte zersägte Jahrmarktsjungfrau erinnernde Choreografie mit den drei zweiteiligen Menschen, bei denen die Ober- und Unterteile nicht immer wirklich zusammenpassen – eine großartige Idee.
Das Gastspiel der Hofer zeigte Strawinskys Ballett in verschiedenen Formen und Spielarten, deren schnelle Abfolge absolut modern wirkte und so auch längere Passagen äußerst kurzweilig machten. Das Kissinger Publikum sah fasziniert und gespannt zu und bedachte in beiden Teilen dieses außergewöhnlichen, vielgestaltigen Ballettabends nicht nur die Protagonisten Irene Garcia Torres als Feuervogel und Denison Silva als Petruschka mit langem, begeistertem, am Ende rhythmischem Applaus. Ein wunderbares Fest für alle Sinne und mal wieder ein großartiges Zeugnis der Qualität der Hofer Ballett-Compagnie. Das Kissinger Publikum zeigte seine Begeisterung über dieses Ereignis schon vorab, denn die Vorstellung war sofort ausverkauft.