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Bad Kissingen
The BossHoss kommen im September nach Bad Kissingen: Cowboy Sascha hat noch kein Hotelzimmer zerlegt
Er verrät, dass er daheim kein Star ist, sondern den Müll runterbringt. Und er erklärt, warum Konzerttickets wie beim Auftritt in Bad Kissingen teuer sein müssen - der Grund liegt im Streaming.
The Boss Hoss Alec Völkel und Sascha Vollmer (rechts).       -  The Boss Hoss Alec Völkel und Sascha Vollmer
Foto: Pascal Bünning | The Boss Hoss Alec Völkel und Sascha Vollmer
Susanne Will
 |  aktualisiert: 18.04.2024 02:46 Uhr

Die Fans polieren schon die Sporen und stauben den Stetson ab: Am 1. September gastieren „The Boss Hoss“ im Luitpoldpark – Jiiihaa! Die Cowboys aus Berlin feiern mit der Tour „Twenty F**king Years!“ ihre seit zwei Jahrzehnten andauernde Karriere. Im Interview bekennt Frontmann Sascha „Hoss Power“ Vollmer: Auch Cowboys werden älter.

Zum Glück. Denn in der Rückschau ist es ja noch viel schöner, wenn er erzählt, dass er einst ein Poster von Nena über dem Kinderbett hängen hatte. Und dass es manchmal schon hart für ihn sei, wenn er in Konzertpausen nach Hause kommt „und niemand applaudiert, wenn ich in die Küche komme“.

Hallo Sascha, aus einer Bierlaune heraus wurden F**king 20 Jahre. Hättet ihr eigentlich auch andere Leben führen können? Gab es da einen Vater, der einen vielleicht lieber in eine Karriere als Banker getrieben hätte?

Sascha Vollmer: Lustig, mein Vater ist tatsächlich Banker. Aber wir haben ja alle Jobs. Jeder unserer zehnköpfigen Band hat was Vernünftiges gelernt, wir sind Grafiker, Elektriker, Werbekaufmann. Allerdings haben wir schon immer Musik gemacht, alle zusammen, schon als Jugendliche.

Dass wir davon mal leben könnten, das war allerdings nicht vorhersehbar.  Umso schöner ist das jetzt. Meinen Job als Grafiker habe ich aber sehr geliebt. Am Wochenende auf Bühnen zu stehen, war ein schöner Ausgleich. Als die Musik aber immer mehr Raum brauchte, habe ich den Job dann an den Nagel gehängt. Toll, dass unser Leben so geworden ist.

In euren Videos posiert ihr in coolen Autos, ihr seid umringt von schönen, jungen Frauen. Ohne dir zunahe treten zu wollen: Ihr wisst schon, dass ihr über 50 seid – ab wann  werdet ihr denn in euren  Videos unglaubwürdig?

Oh, ja, das ist uns bewusst. Aber wir spielen ja mit dem Image des Cowboys, wir überspitzen ja sogar noch die Klischees. Wir sind im Showbusiness – no show, no go!

Aber privat gefällt euch der Lifestyle doch auch, oder?

Auf jeden Fall. Wir haben die Harley in der Garage, auf der Terrasse steht der Grill, wir trinken Bier – das machen wir und das machen wir gerne. Nur auf der Bühne überziehen wir.  Anfangs haben wir sogar nur Englisch gesprochen  und ein richtiges Theater draus gemacht. Das was unser Alleinstellungsmerkmal.

Wie auch, dass ihr Popsongs im Country-Stil spielt.

Ja, wir waren die ersten mit Country, so sind wir die Cowboys der Nation geworden. Aber wir brauchten unsere eigene Identität. Auf dem zweiten Album waren dann schon ein paar Songs aus unserer Feder, später kamen dann nur noch Alben ohne Coversongs. Diese Emanzipation war wichtig für unser Künstlerdasein, dass wir eine eigenständige Band mit eigenständiger Musik wurden.

Ihr seid zu beneiden. Wo andere Männer täglich Zwängen ausgesetzt sind, könnt ihr einfach euer Jungs-Ding durchziehen, dürft nach Schweiß und Bier riechen und kriegt zum Schluss noch die Blondine.  

Ja, das ist super. Und wir dürfen Fleisch essen und sogar Barbecue-Bücher rausbringen. Aber klar, wir bedienen halt ein Genre und halten die Stange hoch, um im Bild zu bleiben.

Bleiben wir doch mal in der Realität. Ihr seid über 50  und legt im Sommer 28 Konzerte in guten drei Monaten hin. Merkt ihr das Alter?

Klar! Wir sind anders unterwegs als mit 30, jetzt bringen wir Alter und Reife mit. Und wir haben Familien, haben Kinder – insgesamt haben wir 17 Kinder bei der Boss-Hoss-Family mit ihren zehn Mitgliedern. So haben wir unsere Verantwortung, nicht nur für die Band, sondern auch für unser Umfeld.

Früher, ja, da bin ich von der Kneipe in die Arbeit – das schaffe ich nicht mehr. Und ich bin froh, dass sich die Sommertour hauptsächlich auf die Wochenenden beschränkt. So kommen wir montags im Laufe des Tages nach Hause und sind froh, zwei, drei Tage die Beine hochlegen zu können.

Gehst du dann auch einkaufen? Oder bringst den Müll raus?

Klar. Aber ich muss zugeben, manchmal ist es ein bisschen schwierig, den Schalter umzulegen – wenn du in die Küche gehst und keiner klatscht. Aber Familie ist toll, um den Kopf freizukriegen. Auch beim Einkaufen oder Müll rausbringen.

Was, wenn eure Kinder den Wunsch haben, Rockstar zu werden?

Da ich nur gute Erfahrungen gemacht habe, wäre das kein Problem. Wenn sie Freude an der Musik haben, können sie es gerne machen – und wenn sie einen Durchbruch erzielen, dann sage ich natürlich nicht nein. Und ich würde gern mit ihnen meine Erfahrungen teilen.

Das Musikbusiness ist ein Haifischbecken, da werden Ellbogen eingesetzt. Da ist Druck da, vor allem, wenn man davon leben muss. Ich würde den Kids genau das raten, was meine Eltern mir geraten haben: Junge, Mädchen – mein Sohn ist 14, die Tochter 22 – macht Musik, das ist toll. Aber schaut, dass ihr ein zweites Standbein habt. Alles andere ist fahrlässig. Und wenn man das Standbein hat, dann geht man entspannt in die Karriere.

Deine Kinder haben einen berühmten Vater. Wie gehen die beiden damit um? Wurde das schon mal unangenehm?

Das ist eine Frage des Alters. Meiner Tochter war es in der Pubertät ein bisschen unangenehm. Sie wollte nie anders behandelt werden, nur weil sie einen berühmten Vater hat.  Und bis heute will sie nicht über mich definiert werden. Das finde ich klasse.

Bei meinem Sohn wird diese Phase wohl noch kommen. Aber bisher findet er das cool und beide kommen gern auf Konzerte, wenn sie in der Nähe von Berlin sind. Da kommen dann unsere insgesamt 17 Band-Kinder zusammen, die haben ne Riesenparty, kommen rauf auf die Bühne, an den Rand.  

Ihr seid also wie ein Familienunternehmen. Und Alec Völkel und du, ihr seid so etwas wie die Papas der Band – wann habt ihr euch das letzte Mal gezofft?

Stimmt, ja, wir sind echt die Papas, es ist ja unser Baby. Aber wir haben uns tatsächlich noch nie so richtig gezofft. Klar, Meinungsverschiedenheiten kennen wir.  Aber bei uns fliegen keine Fetzen. Wir sind wirklich familiär und sehr vertraut, wir wissen alles übereinander, die Kids hängen miteinander ab. Und wir sind schon stolz darauf, dass wir Band und Familie sind.

Ohne euch zu kennen, scheint ihr beide, Alec Völkel und du, sehr geerdet, entspannt, nahbar zu sein. Ihr seid beide verheiratet und lebt absolut skandalfrei. Oder haben Journalisten da nicht aufgepasst?

Nein, das stimmt. Wir haben uns allerdings auch keinen Verhaltenskodex zurechtgelegt. Wir sind erwachsene Männer, wohlerzogen, haben ein gutes Elternhaus. Diese Klischees brauchen wir nicht. Wir haben noch nie ein Hotelzimmer zerstört, oder Groupies verschlissen.

Ja, klar, Anfang 30 haben wir schon mal über die Stränge geschlagen und wir sind auch heute noch bekannt für unsere Feiern, auf denen wir auch mal einen zu viel trinken. Aber sonst? Langeweile für den Boulevard!

Bands wie ihr altern normalerweise mit ihren Fans. Wenn ich mir Videos eure Konzerte ansehe,  sind viele  junge Menschen zu sehen. Sorgten eure Auftritte wie bei „The voice of Germany“ dazu, dass die Fanbase nachwächst?

Klar, das war „The voice“. Als wir 2011 zum ersten Mal als  Coaches auftraten, hat das  unsere Zahlen verdoppelt: doppelt so viele Platten, doppelt so viele Tickets, größere Hallen – das war der absolute Karriereschub. Sobald man im Mainstream ist, erreicht man neue Leute.

Aber: Das ist eine schnelllebige Sache. Die Fluktuation im Mainstream und im Pop ist höher als bei Rockbands wie beispielsweise bei den Toten Hosen. Bei den Hosen altern die Fans mit. Aber auch wir hatten bei der letzten Tour das Gefühl, dass das Publikum jünger ist. Aber vielleicht sind wir jetzt einfach so alt, dass die Leute ihre Kinder mitbringen.

Ihr singt ja auch mit Kindern, so wie mit Mimi und Josy, zwei Mädchen von „The Voice Kids“.

Und dieser Song „Little Help“ ist der am meist geklickte unseres Repertoires auf Spotify. Kein Wunder: Mit Mimi und Josy haben wir eine komplett andere Zielgruppe erreicht.

Geh doch mal zurück: Als du im Mimi-Alter warst, welche Poster hingen über deinem Bett?

Elvis Presley – meine große Liebe, bis heute. Und Neue Deutsche Welle , vor allem Nena.

Und die hast du ja dann im echten Leben kennenlernen dürfen.

Ja, da war ich ein wirkliche Fan-Boy und fand das einfach cool.

Werdet ihr wieder bei „The Voice“ mitmachen?

Das wissen wir nicht, momentan  gibt es keine Gespräch und auch keine Planung. Aber klar: Wenn die Produktion anruft, werden wir uns damit auseinandersetzen.

Lass uns zum Schluss noch über Geld reden. Viele fragen sich, warum Konzerttickets immer teuren werden.  

Zum einen, weil alles teurer geworden ist. Und zum anderen, weil Platten gegen Streaming-Dienste verlieren. Was meinst du, wie viel Euro bei einer Million Streams hängen bleiben?

Ich habe nicht die leiseste Ahnung.

Es sind 3000 Euro. Also 0,003 Cent pro Stream.

0,003 Cent – nicht wenigstens Euro?

Nein, Cent. Und demgegenüber hat sich alles verteuert. In den letzten zwei Jahren haben sich die Kosten für Trucks, Tourbusse, Energie, Sprit, Reinigungspersonal, Catering – also alles, was man für ein Konzert, für eine Tour, braucht – verdoppelt. Selbst die Vorverkaufsgebühren sind von Stadt zu Stadt verschieden. Die einen verlangen fünf, die anderen zehn Euro.

Das bleibt nicht bei uns hängen. Es ist so, dass wir zwar die Ticketpreise anheben mussten, aber auf unseren Konten landet nicht mehr Geld. Es geht weg für alles, was teurer geworden ist.

Mit knapp 65 Euro pro Ticket liegt ihr ja noch im mittleren Bereich.

Und ich verstehe jeden, der darüber stöhnt, weil auch dessen Leben teurer geworden ist und er an anderer Stelle sparen muss, um uns zu sehen. Aber bei den geringen Verdiensten durchs Streaming und den Einbrüchen in der Plattenbranche kannst du in kein Studio gehen, geschweige denn losziehen und auf Bühnen stehen.

Unser großer Trost ist: Unser Hauptstandbein war schon immer die Live-Show und das wird so bleiben. Nur die Recording-Industrie – das lohnt sich schon lange nicht mehr.

Soweit ich informiert bin, gehen eure Fans mit euch d’accord – der Vorverkauf für Bad Kissingen im September läuft gut. Warst du schon einmal in der Stadt?

Nein – und deshalb freue ich mich darauf ganz besonders.

Anmerkung: Normalerweise siezen wir unsere Interview-Partner. Unter Cowboys war das allerdings nicht möglich. 

 
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