Tauben sind eklig, übertragen Krankheiten und ihr Kot zerfrisst alles, behaupten die einen. Tauben sind liebenswerte Geschöpfe, die weder dem Menschen noch Gebäuden schaden, setzen Karla Goßler und Brunhilde Geis aus Bad Kissingen dem entgegen. Sie müssen es wissen, denn sie beschäftigen sich seit über 20 Jahren mit dem Thema und räumen mit alten Vorurteilen auf.
Über einen Katzenstammtisch lernten die beiden Tierfreundinnen sich 1998 kennen, damals waren beide noch berufstätig, Goßler als Lehrerin an der Henneberg-Grundschule in Garitz, Geis als Krankenschwester in der ambulanten Pflege. Jetzt kümmern sich die beiden Frauen ehrenamtlich um den Taubenschlag in der alten Feuerwache und um verwilderte Haustauben in der Stadt. Die Tiere werden in Bad Kissingen von vielen Einwohnern als Plage empfunden, sie sitzen auf Fenstersimsen und umringen Cafés in der Hoffnung auf den einen oder anderen Krümel. Die Tiere tun das aus der Not heraus, denn viele von ihnen finden keinen festen Platz zum Leben und fressen.
Hätten die beiden Frauen drei Wünsche frei, dann wären sie erfüllt mit zwei zusätzlichen Taubenschlägen und Personen, die das Taubensitting unterstützen. "Ein Taubenschlag am Liebfrauensee und einer an der evangelischen Kirche" kommt von Goßler wie aus der Pistole geschossen auf die Frage, wo denn geeignete Standorte wären. Die 65-Jährige ist ebenso wie ihre fünf Jahre ältere Kollegin überzeugt, dass sich behütete Tauben weniger vermehren.
Fütterungsverbot und Geburtenkontrolle
Die Notwendigkeit zusätzlicher Taubenschläge sieht Thomas Hack, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadt Bad Kissingen nicht. "Das Problem mit den verwilderten Tauben im Stadtgebiet haben wir in den letzten Jahren gut im Griff", so Hack. Weitere Taubenschläge seien derzeit "nicht geplant und auch nicht in der Diskussion. " Er führt aus: "Seit 2004 gibt es ein Taubenfütterungsverbot, das der Stadtrat beschlossen hat und das in Zusammenhang mit dem offiziellen städtischen Taubenschlag in der ehemaligen Feuerwache für eine kontrollierte Population bei den wilden Tauben sorgt." Goßler und Geis bestätigen, dass in dem Taubenschlag an der alten Feuerwache weniger Nachwuchs das Licht der Welt erblickt. Das hat auch einen guten Grund, denn der Taubenschlag wird von ihnen gehütet und sie leisten perfekte Geburtenkontrolle. Sie tauschen die echten Eier gegen Attrappen aus.
"Haustauben stammen von Felsentauben ab", erklärt Goßler. Wie alle anderen Vögel brüten auch sie Eier aus, allerdings bauen verwilderte Haustauben, keine Nester in Bäumen. Sie legen ihre Eier auf Felsen ab - dazu zählen auch Fenstersimse oder Steinvorsprünge an Häusern - umhaucht von wenigen Ästen oder Blättern, um das Ei ein bisschen zu schützen. Beim Brüten setzt die Kontrolle im Taubenschlag an, hier wird nicht wild, sondern an einem festen Platz gebrütet. Bei ihren Fütterungen, zwei Mal in der Woche, erhalten die Tauben Körner und Mais, bei dieser Gelegenheit überprüft Goßler prädestinierte Stellen zur Eiablage. 384 Eier von 140 Tauben, die im Schlag leben, tauschte sie im letzten Jahr gegen Fälschungen aus Kunststoff aus.
Gruselige Bekämpfungsmethoden
Tauben sind standorttreu, das heißt, sie fliegen am liebsten ihren gewohnten Schlag an. Wenn der geschlossen wird, nisten sie eben überall, wo sie Platz finden. Das kann auch der Dachboden eines alten Hauses sein, in dem gerade ein kleines Schlupfloch frei ist. Dazu erzählen die Hüterinnen der Tauben eine echte Horrorgeschichte: Um der Vögel einst Herr zu werden, wurden alte Dachböden geschlossen. Bejagt wurden die gefiederten Freunde auch mit Falken und vergifteten Linsen - ein elendiger Tod. "Die Tauben fielen reihenweise mit Schaum vor dem Schnabel vom Himmel", erinnert sich Geis.
In einem Haus - einem Privatbesitz - wurden die Fenster im Dachboden vernagelt, die eingeschlossenen Tauben verhungerten. Um die Tauben umzusiedeln und vor Krankheit und Hungertod zu schützen, schloss der Arbeitskreis für humanen Tierschutz und gegen Tierversuche e.V., der heute seinen Sitz in Berlin hat, damals einen Vertrag über die Betreuung eines Taubenschlages. Jetzt, 14 Jahre später, flattern die verwilderten Nachkommen der einstigen Haus-, Brief- oder Hochzeitstauben, die keinen Heimattaubenschlag haben, durch die Stadt und verbreiten - man glaubt es kaum - Angst und Schrecken.
Kot ist gut für den Garten
Tauben sollen ansteckende Krankheiten weitergeben, lautet eine Mär. "Wenn das stimmen würde", so Goßler, "dann wären wir längst krank oder tot. Da kann man auch gleich den Wellensittich als gefährlich einstufen." Und was ist mit dem Taubenkot, der überall dort, wo Tauben sich niederlassen ruck zuck zentimeterhoch steht? "Wegkratzen reicht", sagt Geis und fügt hinzu, dass der Kot sehr gut als Dünger in den Garten wandern könne. Das Problem Taubenkot sei eher ein ästhetisches als ein gesundheitliches Problem.
Verhütung ist Menschensache
Kleine Randinformation: Eine Taube produziert rund 2,5 Kilogramm Trockenkot pro Jahr, ein Hund hinterlässt locker 129 Kilogramm Kot. Dünnflüssigen Kot geben die Vögel ab, wenn sie falsch gefüttert werden - mit Kuchenbröseln zum Beispiel. Im Taubenschlag an der Feuerwache herrscht Ordnung, denn er wird regelmäßig von den beiden Frauen gereinigt. Taubenhaltung sei früher ein beliebtes Hobby gewesen, erzählt Geis, die jeweiligen Besitzer hätten sich gekümmert. Durch die Verwilderung und fehlende Standorte breiten die Vögel sich unkontrolliert aus - was sollen sie auch sonst tun? Verhütung ist nun einmal Menschensache.
Tauben zu verjagen bringt wenig, denn sie kehren immer wieder zu ihrem Standort zurück. Als Plage empfunden werden sie, wenn sie sich übermäßig verbreiten. Pro hundert Einwohner rechnet man laut Rudolf Reichert, Taubenberater aus Augsburg, eine Taube. Auf die rund 22 000 Einwohner (Stand 2017) der Stadt Bad Kissingen gemünzt sind das 220 Tauben. Wenn man bedenkt, dass im Landkreis Bad Kissingen bei 104 000 Bürgern Platz für 105 664 Fahrzeuge (Stand Ende 2017) ist, dann sollte es doch möglich sein, ein paar Quadratmeter für die Tauben zu finden.