
Kindertagespflege wird im Landkreis immer wichtiger. In der Stadt Bad Kissingen sind Tagesmütter schon seit Jahren am stärksten gefragt. Im Jahr 2016 kamen zum Beispiel 21 der 47 in Tagespflege vermittelten Mädchen und Buben aus Bad Kissingen – Tendenz steigend. Möglicherweise hängt dieser Spitzenwert auch damit zusammen, dass die Plätze in den Kindertagesstätten ausgereizt sind, wie aus einer Erhebung des Landkreises hervorgeht, die jetzt im Jugendhilfeausschuss vorgestellt wurde. Wenn Eltern eine Tagesbetreuung suchen, dann am häufigsten für Sprösslinge unter zwei Jahren oder für Drei- bis Fünfjährige.
Bereits Ende der 1990er Jahre wurde die Betreuung von Kindern bei einer sogenannten Tagesmutter häufig nachgefragt. Diese Betreuungspersonen öffentlich in den Blick zu nehmen, ihre Arbeit aufzuwerten und ihnen die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung anzubieten, war 1998 Ziel eines Gemeinschaftsprojekts von Jugendamt und Bad Kissinger Bildungszentrum (BZB). Fünf Jahre später richtete der Verein Frauen-Netzwerk (heute Generationen-Netz) im damals neuen Mehrgenerationenhaus eine Tagesmütter-Börse ein, die sehr gut anlief.
Aufgaben an den Verein delegiert
2006 delegierte das Jugendamt die Fortbildung von Kindertagespflege-Personen und die Vermittlung der Kinder in Pflegeverhältnisse per Vertrag an das Generationen-Netz. Seit dieser Zeit gibt es belastbare Daten (Bestandserhebungen, Bedarfsfragebögen), die man im Rahmen der Jugendhilfeplanung zur Bestandsaufnahme heranziehen kann. Kreisjugendpflegerin Melanie Schäfer, die inzwischen als Expertin in Sachen Jugendhilfeplanung gilt, stellte die Auswertung des Zeitraums zwischen Januar 2004 und Juni 2017 im Ausschuss vor.
In 13,5 Jahren meldeten Eltern aus dem Landkreis 760 Mal Bedarf beim Generationen-Netz an (17 kamen zudem von außerhalb des Landkreises). Das machte durchschnittlich rund 58 Anfragen jährlich aus. Allerdings schwankten diese Meldungen in all den Jahren gelegentlich sehr stark, erklärte Schäfer. So wurden zum Beispiel für 2016 insgesamt 100 Anfragen registriert, im Jahr zuvor waren es lediglich 58 gewesen. Dafür verantwortlich seien mehrere Faktoren, wie Geburtenzahlen, Gesetzesänderungen oder Platzmangel in der einen, Umbaumaßnahmen in der anderen Kindertagesstätte.
Hoher Bedarf in der Kernstadt
Was in der Erhebung ins Auge sticht: Nahezu die Hälfte der Bedarfsmeldungen kamen aus der Kernstadt Bad Kissingen, nämlich 341 von 760 Anfragen. Dann folgen die Kommunen Maßbach (55), Münnerstadt (49), Hammelburg und Burkardroth (je 40), sowie Oerlenbach (31). Aus 15 Kommunen kamen im genannten Zeitraum weniger als 15 Meldungen. Die Konzentration des Bedarfs auf die Kernstadt Bad Kissingen bestätigt laut Schäfer auch die Bedarfsanalyse für das Jahr 2016: Mit 61,8 Prozent kamen knapp zwei Drittel aller Anfragen aus der Kurstadt.
Vergleicht man den Bedarf mit den tatsächlich vermittelten Tagespflegeplätzen, so klafft Beides aber dann gelegentlich weit auseinander. So gab es im Jahr 2010 im Landkreis zwar 102 Bedarfsmeldungen, aber es wurden nur 63 Plätze vermittelt. Auch 2016 meldeten Eltern 100 Mal Bedarf an, aber nur 49 Pflegeplätze wurden vergeben. Das bedeutet jedoch nicht immer, dass es keine freien Plätze gab, sagte Schäfer. Vielmehr gebe es andere Gründe, an denen ein Tagespflegverhältnis scheitern kann: zum Beispiel weil die Tagesmutter zur weit weg wohnt oder weil sie die von den Eltern benötigten Betreuungszeiten nicht abdecken kann.
Meistens Kleinkinder
Interessant ist auch die Altersverteilung der vermittelten Kinder. So waren zum Beispiel im Jahr 2016 rund 45 Prozent der in Tagesbetreuung vermittelten Mädchen und Buben unter zwei Jahren alt. Sehr auffällig war 2016 der hohe Bedarf an Kindertagespflege – übrigens gilt das auch wieder für die Kernstadt Bad Kissingen – in der Altersgruppe drei bis fünf Jahre, führte Schäfer aus. Die Eltern dieser Kinder wählen die Betreuung durch eine Tagesmutter offenbar auch deshalb, weil Kindergartenplätze vor Ort fehlen.
Dass vielleicht nicht genügend Krippen- oder Kita-Plätze frei sind, ist für Iris Hönig, Geschäftsführerin des Mehrgenerationenhauses, nur ein möglicher Grund für den großen Bedarf in der Kernstadt. Sie beobachte zudem, dass junge Mütter heute viel öfter als früher schon nach einem Jahr Babypause wieder arbeiten gehen müssen und dann eben eine gute Tagesbetreuung für ihre Sprösslinge brauchen, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Hinzu komme, dass die Arbeitszeiten von Frauen, die zum Beispiel im Einzelhandel oder im Gesundheitssektor tätig sind, nicht immer mit den Öffnungszeiten der Kindergärten in Einklang zu bringen seien. Und schließlich gibt es, laut Hönig, auch die Mütter, die ihre Kleinen ganz bewusst in die „familiennahe Tagesbetreuung“ geben wollen.