zurück
Oberwildflecken
Oberwildflecken: Gedanken zum Tag der Deutschen Einheit
Ein Gottesdienst mit der Präambel des Grundgesetzes und der Nationalhymne. Es geht um die Einheit Deutschlands, doch offene Gräben prägen den Tag. Was bereitet heute noch Sorgen?
Der stellvertretende Bürgermeister Wolfgang Illek sprach im Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit in Oberwildlfleckens Kirche über die Bedeutung des Feiertags im Jahr 2024.       -  Der stellvertretende Bürgermeister Wolfgang Illek sprach im Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit in Oberwildlfleckens Kirche über die Bedeutung des Feiertags im Jahr 2024.
Foto: Marion Eckert | Der stellvertretende Bürgermeister Wolfgang Illek sprach im Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit in Oberwildlfleckens Kirche über die Bedeutung des Feiertags im Jahr 2024.
Marion Eckert
 |  aktualisiert: 13.10.2024 02:30 Uhr

Schweigen und Stille leiteten den Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit in der Kirche von Oberwildflecken ein.

Eine Beamer-Präsentation zeigte wechselnde Bilder vom Brandenburger Tor, dem Reichstagsgebäude, jungen, lachenden Menschen mit Deutschlandfahnen, umgeben von einem Feuerwerk.

In diese Szenerien mischten sich die Klänge der Orgel, die Nationalhymne erklang, und die Sprecherin Annette Rahm begann mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen.“ 

Präambel des Grundgesetzes

Einen Gottesdienst mit der Präambel des Grundgesetzes zu eröffnen, ist ungewöhnlich – aber nicht am Tag der Deutschen Einheit in der Pfarreiengemeinschaft „Oberer Sinngrund“. Pastoralreferent Bernhard Hopf betonte, dass es Tradition sei, am 3. Oktober einen speziellen Gottesdienst zu feiern. Ebenso gehöre es zur Tradition, einen Bürgermeister einzuladen, um seine Gedanken zum Festtag mit den Gläubigen zu teilen.

Bevor jedoch der stellvertretende Bürgermeister Wolfgang Illek das Wort ergriff, erinnerten Stefan und Annette Raab an die Grundpfeiler, auf denen die Bundesrepublik Deutschland ruht, und an die Werte, die für das deutsche Volk im Grundgesetz verankert sind: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Rasse, seiner Sprache, seines Glaubens oder seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Diese Reflexion über das Grundgesetz wurde musikalisch immer wieder von Lob- und Dankliedern begleitet, in die die Melodie der Nationalhymne einfloss.

Oberwildflecken: Ein besonderer Ort

Feiertage haben in der christlichen Tradition Deutschlands häufig kirchliche Wurzeln und werden deshalb oft mit einem Gottesdienst begangen. Auch wenn der Tag der Deutschen Einheit kein kirchlicher Feiertag ist, sieht Hopf dennoch die Gelegenheit, diesen Tag mit einem Gottesdienst zu feiern. „Wir als Kirche wollen einen Gottesdienst für die Menschen anbieten, die auch an einem rein politischen Feiertag innehalten und Gott danken wollen“, erklärt er.

Die Entscheidung, den Gottesdienst um 20 Uhr abzuhalten, sei bewusst gewählt worden, um den Rückblick auf die Geschichte und die Erinnerung an damals und heute zu betonen.

Auch die Wahl des Ortes – Oberwildflecken – sei kein Zufall. „In Oberwildflecken wurde und wird Einheit gelebt“, erinnerte Hopf.

Der Ort sei durch die Anwesenheit des amerikanischen und deutschen Militärs, die vielen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen des Zweiten Weltkriegs, Spätaussiedler aus Russland und Gastarbeiter geprägt. „Die Gemeinde ist sehr offen.“ Auch die enge Zusammenarbeit zwischen Kirche und politischer Gemeinde habe eine lange Tradition, wie die Ernennung zweier Pfarrer zu Ehrenbürgern der Gemeinde Wildflecken zeigt.

Der Sinn des 3. Oktobers?

Dass mit Wolfgang Illek der stellvertretende Bürgermeister zu Wort kam, begründet Hopf so: „Damit wollen wir auch deutlich machen, dass nicht die Kirche allein die Deutungshoheit im Kirchenraum hat, sondern alle Menschen der Gemeinde.“

In seiner Ansprache stellte Illek kritische Fragen zum 3. Oktober: Warum dieses Datum? Warum nicht der 9. November, der Tag des Mauerfalls? Doch dieses Datum sei historisch belastet, erinnerte er: Hitlerputsch, Reichspogromnacht.

Unabhängig vom Datum frage Illek: „Ist der Tag der Deutschen Einheit wirklich ein Tag zum Feiern? Der Mauerfall jährt sich dieses Jahr zum 35. Mal. Aber auch nach 35 Jahren gibt es noch tiefe Gräben.“ Von Einheit sei ohnehin nicht mehr viel die Rede, spätestens seit Ost und West unterschiedlich wählen. „Vielen sehen diesen Tag als verlängertes Wochenende im Herbst.“

Für Illek ist das ein Grund zu Sorge. „Mit Sorge, vielleicht auch ein wenig mit Angst verfolge ich die Wahlen in den neuen Bundesländern.“ Deshalb sei der Tag der Deutschen Einheit ein Tag des Innehaltens und der Rückbesinnung. „40 Jahre Teilung Deutschlands, der Kalte Krieg – ich habe ihn als Soldat noch erlebt“, sagte Illek und appellierte daran, nicht in diese alten Zeiten zurückzufallen.

Schwerter werden zu Pflugscharen

Dieser Wunsch fand auch Ausdruck im Gebet von Pastoralreferentin Anja May: „Wir glauben, dass wir mit dir Zukunft haben in unserem Land, auf unserem Erdteil, in der ganzen Welt.“ Der Blick erweiterte sich vom Tag der Deutschen Einheit auf die Welt, was in der Lesung aus dem Buch Jesaja veranschaulicht wurde: „Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern.“

Kerzen und Gebete

Der Wunsch nach Frieden, Freiheit und Einheit sowie der Dank für das gute Leben in Deutschland – im Vergleich zu anderen Teilen der Welt – standen im Zentrum der Fürbitten. Es gelte, Mauern und Schranken zwischen Kirchen und Religionen zu überwinden, Feindseligkeiten zu beenden und als versöhnte Menschen zu leben – „so unterschiedlich wir auch sein mögen“.

Dass dies nicht unmöglich ist, zeigte die friedliche Revolution im Jahr 1989. Bernhard Hopf erinnerte daran: „Die Führung der DDR hatte mit allem gerechnet – nur nicht damit, dass Kerzen und Gebete den Arbeiter- und Bauernstaat zu Fall bringen würden.“

Weitere Berichte finde Sie hier:

 

 

 

Stefan und Annette Raab tragen die Präambel des Grundgesetzes und die Grundrechte aus Artikel 1 vor.       -  Stefan und Annette Raab tragen die Präambel des Grundgesetzes und die Grundrechte aus Artikel 1 vor.
Foto: Marion Eckert | Stefan und Annette Raab tragen die Präambel des Grundgesetzes und die Grundrechte aus Artikel 1 vor.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Oberwildflecken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top