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Maria Bildhausen
Drei Damen brillieren in Maria Bildhausen
Es gibt doch noch Überraschungen. Und diese war besonders gelungen.
Francesca Dego (Violine, von links), Milena Simović (Viola) und Laura van der Heijden (Violoncello) beim Kissinger Sommer 2023 in Maria Bildhausen.       -  Francesca Dego (Violine, von links), Milena Simović (Viola) und Laura van der Heijden (Violoncello) beim Kissinger Sommer 2023 in Maria Bildhausen.
Foto: Gerhild Ahnert | Francesca Dego (Violine, von links), Milena Simović (Viola) und Laura van der Heijden (Violoncello) beim Kissinger Sommer 2023 in Maria Bildhausen.
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 19.07.2024 15:45 Uhr

Natürlich hatte man mit einer interessanten und genussreichen Matinee gerechnet, denn das Programm war ganz danach angetan. Aber nicht mit der musikalischen Qualität! Die drei jungen Damen, die da Streichtrios spielten, hatte man einfach noch nicht auf dem Radar gehabt: Francesca Dego (Violine), Milena Simović (Viola) und Laura van der Heijden (Violoncello) sind in Deutschland noch nicht allzu bekannt. Und dann hatten sie sich auch erst kürzlich zu einem Streichtrio-Projekt zusammengefunden. Und dann so etwas!

Lupenreine Akkorde

Luigi Boccherinis Trio F-Dur op. 14 Nr. 6 G 100, mit dem die drei ihr Konzert eröffneten, atmete sofort den für den Mann aus Lucca so typischen Mix aus klanglicher Gemütlichkeit und virtuoser Raffinesse. Sie erreichen ihn mit einer fabelhaften Präzision, die das Einsortieren der Töne nicht zum Suchspiel macht, und mit einem ganz erstaunlichen Sinn für Klangfarben und ihre Veränderungen. Das sind drei Musikerinnen, die ganz genau aufeinander hören und lupenreine Akkorde spielen.

Vollkommene Einheit

Ein wenig fühlte man sich erinnert, als vor vielen Jahren die Cellistin Sol Gabetta mit Baiba und Lauma Skride zum ersten Mal in Bildhausen Klaviertrios spielten. Sie waren auch gerade erst zusammengekommen und fanden sofort zu einer völligen Einheit – allerdings über die gegenseitigen Provokationen, übers Belauern und Überraschen. Jetzt waren es die Klangfarben und die dynamischen Abstufungen ins Leise, die für große Spannung sorgten – und für ein lockeres Musizieren.

Es ging zur Sache

Was nicht heißt, dass es nicht auch zur Sache gehen konnte, wie im dritten Satz, als Laura ven der Heijden plötzlich eine Attacke vom Zaun brach. Ihr Cello wurde zum großen Bruder von Paganinis Lieblings-Stradivari, sie hieß – und heißt: „Canone“.Beruhigend, dass sie dabei grinste.

Mut für Unbekanntes

Erfreulich war der Mut zum wenig Bekannten wie dem Streichtrio op. 147 von Mario Castelnuovo -Tedesco, einem vor 57 Jahren gestorbenen opulenten Spätromantiker der italienischen Schule, der offenbar ein Fan des Violoncellos war, denn das tritt hier vor allem an den Satzanfängen deutlich in den Vordergrund. Es ist eine relativ kleinteilige Musik, aber die drei schafften es, mit stark kontrastierenden Klangfarben und schlüssigen Überleitung eine Sätze-übergreifende Spannung aufzubauen und durchzuhalten. Der Schlusssatz wurde dann aber zum Selbstläufer mit seinem köstliche galoppierenden Grundrhythmus.

Es durfte gelacht werden

Fast völlig unbekannt ist ein Streichtrio, über das man sogar im Konzert auch mal laut lachen darf. Und das ist dann auch noch von dem (allerdings erst 18-jährigen) Richard Strauss : „S’ Dearndl is harb auf mi“ („Das Mädchen ist sauer auf mich“), das er für eine Männersekte seines Vaters geschrieben hat. Bestes Kraftfutter für ein Damentrio, das das Lied wunderbar auf die Schippe nahm: mit einem bauchgewölbtem ungemein pathetischen Thema und sieben Variationen, die immer stärker und karikierter in die boarische Folklore abrutschten. Strauss’ einziges Streichtrio, und leider nur fünf Minuten.

Beethovens Mut

Beethovens Trio op. 9/3 war am Ende der Kontrapunkt zu Boccherinis Trio, die fast zeitgleich (na gut: mit 20 Jahren Unterschiede) entstanden sind. Während Boccherini bis zu seinem Tod 1805 den unterhaltsamen Charakter seiner Musik nie aufgegeben hat, war für den 20-jährigen Beethoven bei seinem op. 9/3 schon klar, dass er keine gefällige Unterhaltungsmusik mehr schreiben wollte, sondern die subjektive Expressivität suchte. Das war durchaus mutig in dieser Zeit. Und Francesca Dego, Milena Simović und Laura van der Heijden zeigte, warum.

Leise verklingender Schluss

Sie machten die Konflikte deutlich, die Beethoven in seine Musik hineinkomponiert hat, spielten ihre Stimmen mit großer Kraft und Plastizität miteinander und gegeneinander aus und erzeugten damit eine mitreißende Spannung. Dadurch wurde die lyrische, raffiniert verspielte Sanglichkeit des zweiten Satzes natürlich umso deutlicher und erstaunlicher. Wie auch, nach all dem Toben, der ganz leise verklingende Schluss. Höchst eindrucksvoll.

Bleibt zu hoffen, dass die drei Damen zusammenbleiben. Und dass sie einen vernünftigen Namen finden, der sie erkennbar und letztlich auch leichter vermarktbar macht.

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Foto: Gerhild Ahnert | Francesca Dego (Violine, von links), Milena Simović (Viola) und Laura van der Heijden (Violoncello) beim Kissinger Sommer 2023 in Maria Bildhausen.
 
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