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Bad Brückenau
Stolperstein-Kreis schließt sich am Hotel Jägerhof
Die siebte und letzte Verlegung würdigt jüdische Brückenauer, die familiär eng mit dem Kurbetrieb im Staatsbad verbunden waren. Welche Bilanz der Arbeitskreis Stolpersteine dazu zieht.
Stolperstein-Verlegung im Staatsbad Brückenau       -  In voller Pracht steht das Hotel Kaufmann auf dieser gezeichneten historischen Ansicht, oben der Dreistelzberg.
Foto: Stadtarchiv Bad Brückenau | In voller Pracht steht das Hotel Kaufmann auf dieser gezeichneten historischen Ansicht, oben der Dreistelzberg.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 06.01.2025 02:31 Uhr

Die 7. Stolpersteinverlegung am 28. Juli, um 11 Uhr:  Sie wird die vorerst letzte in Bad Brückenau sein. Dann sind alle jüdischen Bewohner, die durch die Nationalsozialisten direkt oder indirekt zu Tode kamen, gewürdigt. 46 waren es laut Dirk Hönerlage vom Arbeitskreis Stolpersteine. Die Verlegung am Sonntag erinnert an eine besondere Facette jüdischen Lebens.

Treffpunkt für den Festakt ist die Wernarzer Straße, direkt am Hotel Jägerhof. Und das spricht für sich. Denn bevor die Nazis ihn ab den späten 1930er-Jahren abwürgten, herrschte im Staatsbad ein reger jüdischer Hotelbetrieb. Der Jäger- und der dazugehörige Lindenhof bildeten das Hotel Kaufmann; gleich gegenüber steht - etwas abgerückt von der Durchgangsstraße - das ehemalige jüdische Hotel Strauß.

Jüdisches Kurwesen blühte bis zur Nazizeit

Dementsprechend werden mit der Verlegung von insgesamt fünf Stolpersteinen Nachkommen der Eheleute Löb und Adelheid Kaufmann gewürdigt, die 1876 in der Wernarzer Straße ihr angesehenes, koscheres Hotel Kaufmann begründeten: aus der Nachfolge-Generation Wilhelmine Binheim (Schwester von Joseph Kaufmann, für den und dessen Frau Sara schon früher Stolpersteine vor Ort verlegt wurden), aus der dritten Generation Helene Königsberger und ihr Ehemann Bernhard sowie Martha Schönfärber, aus der vierten Generation deren Tochter Ilse, geboren 1935.

Die Genannten erlebten und prägten selbst eine Zeit mit, in denen das jüdische Kurwesen im Staatsbad aufblühte. 1926 - zum 50-jährigen Bestehen des Kaufmannschen Hotels, hob die Zeitschrift „Der Israelit“ hervor, dass sich das Haus „aus ganz kleinen Anfängen zu einem der angesehensten jüdischen Hotels unseres deutschen Vaterlandes emporgeschwungen“ habe.

Hauseigene Synagoge zweites jüdisch-religiöses Zentrum der Stadt

Das Besondere am Hotel Kaufmann war, dass es seit 1909 eine hauseigene Synagoge beherbergte, die den Kurgästen beider jüdischer Beherbergungsbetriebe zur Verfügung stand. Dieser Betsaal in Brückenau Bad entwickelte sich - neben der 1913 eingeweihten Synagoge in der Stadt zum zweiten großen Mittelpunkt jüdisch-religiösen Lebens in Brückenau.

Die Herrschaft der Nazis brachte von Beginn an Einschränkungen mit sich - sowohl für die jüdischen Gastgeber, als auch für ihre Gäste. Trotzdem gab es noch in den Jahren 1936 bis 1938 jeweils circa 3.000 Übernachtungen. Danach erhielten die Betreiber des Hotels Kaufmann aber keine Lizenz mehr. Nach der mit einigen Übergriffen und Zerstörungen verbundenen Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurden die jüdischen Kurhäuser im heutigen Staatsbad geschlossen.

Bad Brückenauer übernehmen Verlegung

An all diese Ereignisse werden Schülerinnen und Schüler des Franz-Miltenberger-Gymnasiums erinnern, die am Sonntag die Biografien der im Holocaust umgekommenen fünf Stolperstein-Inhaber verlesen werden. Musikalisch begleitet werden sie von einem Bläserquintett des Bayerischen Kammerorchesters.

Gunter Demnig , Schöpfer der gesamten Stolperstein-Aktion, kann auch diesmal nicht beim Festakt dabei sein. Deswegen übernehmen die Verlegung wieder die Bad Brückenauer selbst. „Das zeigt, dass dieser Baustein der Erinnerungskultur in Bad Brückenau angekommen ist und auch gelebt wird“, findet Dirk Hönerlage.

Hönerlage: gelebte Erinnerungskultur und reger Kontakt zu Nachkommen

Der ehemalige Leiter des 2016 am Gymnasium gestarteten P-Seminars „Jüdisches Leben in Brückenau“ ist bis hierhin zufrieden. Nicht nur die Erinnerungskultur sei lebendig; es gebe auch regen Kontakt zu einigen Nachkommen der Opfer. Drei Familien hätten die Heimat ihrer Ahnen höchstpersönlich besucht.

Damit auch die Besucher des evangelischen Sonntagsgottesdienstes an der Stolpersteinverlegung teilnehmen können, findet der Hauptgottesdienst ausnahmsweise in der Christuskirche im Staatsbad statt. Beginn ist dort um 10 Uhr.

Nach der Stolpersteinverlegung ist Einkehr und Zeit für Gespräche in der Caffetteria Dolce Vita eingeplant, so Dirk Hönerlage. 

 

Mehr zu jüdischem Leben in Bad Brückenau lesen Sie hier:

 
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