Seit einigen Wochen kämpfen die Mitglieder der Staatsbad Philharmonie Bad Kissingen um einen Tarifvertrag . Dafür haben sie die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) als Gewerkschaft hinzugezogen. Mit verschiedenen Aktionen machten die Musiker auf ihre Situation aufmerksam. Im Interview mit der Redaktion äußert sich Bad Kissingens OB, Dirk Vogel, zur aktuellen Lage.
Welterbe Festakt mit Streikwesten, Protestmärsche und ein Flashmob. Herr Vogel: Wie sauer sind Sie?
2018 benannte man das Ensemble um. Aus dem Kurorchester wurde die Staatsbad Philharmonie. In Ihrem jüngsten Brief avisieren Sie eine Rückbesinnung auf das Kurorchester. Die Musik soll auf die Kurgäste erbauend wirken. Ist das die Rolle rückwärts?
Der damals eingeschlagene Weg resultiert heute in anderen Anforderungen. Ich kann hier die Gewerkschaft auch verstehen. Der Name zieht die Bezahlung nach sich. Aber: Wir sind stets von einem Kurorchester ausgegangen. Diesen Konfliktpunkt müssen wir aufarbeiten. Mit unseren Gehaltsvorstellungen sind wir nicht so weit entfernt von den Vorstellungen der Gewerkschaft. Nur: Die Entwicklung der Gehaltsstufen würde für uns exorbitante Steigerungen nach sich ziehen, die wir nicht gewährleisten können.
Die Staatsbad GmbH war einst komplett staatlich. Dann wurde sie privatisiert. Manche Angestellten haben Altverträge, andere nicht. Ist der aktuelle Arbeitskampf der Philharmoniker ein Ringen mit den Altlasten?
In den vergangenen Jahren musste die Stadt wegen der Pandemie der Staatsbad GmbH mehr Geld zukommen lassen, als üblich. Die Lage ist - Sie haben es bereits angesprochen - prekär. Warum kam es trotzdem zu Einstellungen im Orchester ?
Die Kurtaxe ist die zentrale Einnahmequelle für die Staatsbad GmbH. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir mit den Gästezahlen und damit der Kurtaxe wieder an die Zeit vor Corona anknüpfen. Im August haben wir das schon fast geschafft. Dabei spielt auch das Orchester eine Rolle. Es wird von unseren Gästen zu Recht geschätzt. Wir versuchen im Hintergrund alles dafür zu tun, dass wir die Musikerinnen und Musiker halten können. Es ist ein Balanceakt. Eine fränkische Kleinstadt hat Grenzen was finanzierbar ist. Wir haben hier ein hohes Level was wir hier bezahlen als Stadt mit 22800 Einwohnern. Teils geht das nur, weil der Freistaat noch dabei ist. Unser Fokus lag und liegt darauf, das Schiff durch die Wellen ohne große Blessuren zu steuern.
Warum sprechen Sie nicht mit der Gewerkschaft?
Es gibt auch die Erwartung von Hoteliers, dass Konzerte in bestimmter Mindestzahl vorhanden sein müssen. Alle anderen Themen wie die "education Projekte" des Orchesters haben für uns keine Relevanz. Wir wollen aufs Kerngeschäft zurück, was da lautet: Kurorchester. Man darf eines nicht vergessen: Bei Philharmonie Konzerten in anderen Städten zahlen die Gäste einen hohen Eintrittspreis. Bei uns sind die Konzerte des Ensembles über die Kurtaxe finanziert. Das ist meiner Meinung nach vermischt worden und deswegen kracht es glaube ich erheblich. Das ist aus meiner Sicht der Kern des Konflikts .
Haben Gewerkschaft und Stadt schon mal miteinander geredet?
Nein, wir hatten keine Gespräche mit der Gewerkschaft geführt. Es läuft alles schriftlich ab.
Der Tarifvertrag wäre maßgeschneidert auf Bad Kissingen . Warum setzt man sich nicht einfach mal an einen Tisch. Sind die Fronten so verhärtet? Reden kostet doch nichts?
Sie meinen beispielsweise den Auftritt beim Welterbe Festakt mit Streikwesten?
Die Musiker wollen über die Gewerkschaft zum Tarif kommen. Warum bietet die Stadt immer wieder Einzelgespräche an?
Hazar Birkan, die gekündigte Flötistin der die Abschiebung droht, hat sich noch nicht öffentlich geäußert. Sie sagt, ihr geht es schlecht. Gibt es einen Ansatz, wie es in ihrem Fall weitergeht?
In ihrer Jugend waren Sie Punk. Sie sind SPD-Mitglied, eine Partei, die für gerechte Arbeitsbedingungen und Tariflohn steht. Warum hier nicht?
Aber ist es auch SPD pur Corona gebeutelte Künstler gegeneinander auszuspielen? In mancher Äußerung aus dem Rathaus klang es für manchen Leser danach, als ob die Musiker froh sein sollten, dass sie überhaupt noch einen Job haben.
Um das Orchester fit für die Zukunft zu machen, hat sich ein Arbeitskreis gebildet. Die Aufgaben sind allerdings recht diffus geblieben. Was sind Aufgaben des Arbeitskreises?
Warum hat die Stadt nicht auf Angebote der Gewerkschaft reagiert?
Bis vor Kurzem wurde öffentlich gesagt, wir hätten keine Gehaltssteigerungen angeboten. Dabei sind wir von 40 auf 30 Stunden gegangen. Dann kam wieder eine Anmerkung, dass auch daran etwas nicht passt. Ich glaube nicht, dass sich Stadt und Gewerkschaft derzeit einigen würden. Deren Ziel ist der Tarifvertrag und mir geht es darum vor Ort gute Arbeitsbedingungen zu realisieren.
Laut der Gewerkschaft reichen 30 Stunden nicht aus. Die Stadt würde dadurch stillschweigend ein Mehr an Überstunden bei den Musikern fordern. Wie sehen Sie das?
Das Gespräch führte Johannes Schlereth.