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Bad Kissingen
Streit um die Philharmonie: "Die Unterschiede sind zu groß"
Nach wie vor schwelt es im Arbeitskampf um die Philharmoniker. Im Interview äußert sich Bad Kissingens OB Dirk Vogel zu Nöten und Zwängen in der Situation.
Am vergangenen Wochenende machten die Musiker der Staatsbad Philharmonie Bad Kissingen auf ihre Lage bei einem Flashmob aufmerksam. Vor Ort waren Mitglieder verschiedener Ensembles. Nun äußert sich Bad Kissingens OB. Foto: Silvia Gralla       -  Am vergangenen Wochenende machten die Musiker der Staatsbad Philharmonie Bad Kissingen auf ihre Lage bei einem Flashmob aufmerksam. Vor Ort waren Mitglieder verschiedener Ensembles. Nun äußert sich Bad Kissingens OB. Foto: Silvia Gralla
| Am vergangenen Wochenende machten die Musiker der Staatsbad Philharmonie Bad Kissingen auf ihre Lage bei einem Flashmob aufmerksam. Vor Ort waren Mitglieder verschiedener Ensembles. Nun äußert sich Bad Kissingens OB.
Johannes Schlereth
 |  aktualisiert: 17.08.2022 02:45 Uhr

Seit einigen Wochen kämpfen die Mitglieder der Staatsbad Philharmonie Bad Kissingen um einen Tarifvertrag . Dafür haben sie die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) als Gewerkschaft hinzugezogen. Mit verschiedenen Aktionen machten die Musiker auf ihre Situation aufmerksam. Im Interview mit der Redaktion äußert sich Bad Kissingens OB, Dirk Vogel, zur aktuellen Lage.

Welterbe Festakt mit Streikwesten, Protestmärsche und ein Flashmob. Herr Vogel: Wie sauer sind Sie?

Dirk Vogel ( SPD ): Ich bin nicht sauer, ich denke, dass wir es einfach schaffen müssen miteinander vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Herausforderung eine angemessene Lösung hinzubekommen. Da braucht es einen Kompromiss. Wir hatten während der Corona Pandemie massivste Ausfälle. Nach meiner Meinung ist unser Angebot eine runde Sache, für mich ist es in der Situation ein sehr guter Mittelweg.

2018 benannte man das Ensemble um. Aus dem Kurorchester wurde die Staatsbad Philharmonie. In Ihrem jüngsten Brief avisieren Sie eine Rückbesinnung auf das Kurorchester. Die Musik soll auf die Kurgäste erbauend wirken. Ist das die Rolle rückwärts?

In der Tat müssen wir konstatieren, dass die damaligen Ambitionen ein Weg sind, der Fragen aufwirft. Wir müssen den Weg kritisch hinterfragen. Er hat auch zu einem veränderten Selbstverständnis geführt - auch was die Bezahlung angeht. Währenddessen sind wir aber immer vom selben Budget ausgegangen.

Der damals eingeschlagene Weg resultiert heute in anderen Anforderungen. Ich kann hier die Gewerkschaft auch verstehen. Der Name zieht die Bezahlung nach sich. Aber: Wir sind stets von einem Kurorchester ausgegangen. Diesen Konfliktpunkt müssen wir aufarbeiten. Mit unseren Gehaltsvorstellungen sind wir nicht so weit entfernt von den Vorstellungen der Gewerkschaft. Nur: Die Entwicklung der Gehaltsstufen würde für uns exorbitante Steigerungen nach sich ziehen, die wir nicht gewährleisten können.

Die Staatsbad GmbH war einst komplett staatlich. Dann wurde sie privatisiert. Manche Angestellten haben Altverträge, andere nicht. Ist der aktuelle Arbeitskampf der Philharmoniker ein Ringen mit den Altlasten?

Nur wenige haben noch Altverträge, die überwiegende Zahl ist erst recht frisch eingestellt. Und das zu den Konditionen, die ja mittlerweile bekannt sind. Es sind also keine Altlasten, es geht um die aktuellen Verträge.

In den vergangenen Jahren musste die Stadt wegen der Pandemie der Staatsbad GmbH mehr Geld zukommen lassen, als üblich. Die Lage ist - Sie haben es bereits angesprochen - prekär. Warum kam es trotzdem zu Einstellungen im Orchester ?

Wir stehen zum Orchester und wollen auch, dass dessen Funktion für die Kur weiter erhalten bleibt. Wir schätzen die Qualität des Ensembles und der einzelnen Musikerinnen und Musiker . Nichtsdestotrotz müssen wir uns den Rahmenbedingungen stellen. Und: Wir müssen wettbewerbsfähig sein und bleiben.

Die Kurtaxe ist die zentrale Einnahmequelle für die Staatsbad GmbH. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir mit den Gästezahlen und damit der Kurtaxe wieder an die Zeit vor Corona anknüpfen. Im August haben wir das schon fast geschafft. Dabei spielt auch das Orchester eine Rolle. Es wird von unseren Gästen zu Recht geschätzt. Wir versuchen im Hintergrund alles dafür zu tun, dass wir die Musikerinnen und Musiker halten können. Es ist ein Balanceakt. Eine fränkische Kleinstadt hat Grenzen was finanzierbar ist. Wir haben hier ein hohes Level was wir hier bezahlen als Stadt mit 22800 Einwohnern. Teils geht das nur, weil der Freistaat noch dabei ist. Unser Fokus lag und liegt darauf, das Schiff durch die Wellen ohne große Blessuren zu steuern.

Warum sprechen Sie nicht mit der Gewerkschaft?

Weil wir uns den Tarifvertrag mit den vorgesehenen Entwicklungsstufen nicht leisten können. Und die Anzahl der vorgeschlagenen Konzerte widerspricht unseren Vorstellungen von der Vision des Kurorchesters. Im jüngsten Vorschlag war von der Gewerkschaft eine Reduzierung von 13 auf neun Konzerte verlangt. Aber: Neun Stunden Konzert pro Woche ist nicht das, was unsere Gäste erwarten. Ich meine, dass 13 Konzerte eine überschaubare Anzahl sind.

Es gibt auch die Erwartung von Hoteliers, dass Konzerte in bestimmter Mindestzahl vorhanden sein müssen. Alle anderen Themen wie die "education Projekte" des Orchesters haben für uns keine Relevanz. Wir wollen aufs Kerngeschäft zurück, was da lautet: Kurorchester. Man darf eines nicht vergessen: Bei Philharmonie Konzerten in anderen Städten zahlen die Gäste einen hohen Eintrittspreis. Bei uns sind die Konzerte des Ensembles über die Kurtaxe finanziert. Das ist meiner Meinung nach vermischt worden und deswegen kracht es glaube ich erheblich. Das ist aus meiner Sicht der Kern des Konflikts .

Haben Gewerkschaft und Stadt schon mal miteinander geredet?

Nein, wir hatten keine Gespräche mit der Gewerkschaft geführt. Es läuft alles schriftlich ab.

Der Tarifvertrag wäre maßgeschneidert auf Bad Kissingen . Warum setzt man sich nicht einfach mal an einen Tisch. Sind die Fronten so verhärtet? Reden kostet doch nichts?

Ja, man kann feststellen, dass die Fronten verhärtet sind. Das ist aber ist nicht besonders verwunderlich.

Sie meinen beispielsweise den Auftritt beim Welterbe Festakt mit Streikwesten?

Ja genau. Für die Gewerkschaft ist das ein Spiel, für uns bitterer Ernst. Ich fühle auch keine Würdigung unseres Kulturstandortes. Wir machen mehr, als andere Städte dieser Größenordnung. Und: Die Forderungen unterscheiden sich finanziell und vom Leistungsumfang erheblich von unseren Erwartungen und Möglichkeiten.

Die Musiker wollen über die Gewerkschaft zum Tarif kommen. Warum bietet die Stadt immer wieder Einzelgespräche an?

Die Unterschiede in den Forderungen der Gewerkschaft zu unseren Möglichkeiten sind zu groß. Deshalb wollen wir mit den Individualgesprächen einen Mittelweg fahren. Niemand wurde dafür einbestellt. In unserem Angebot beantworten wir die Kritikpunkte, die leistbar sind.

Hazar Birkan, die gekündigte Flötistin der die Abschiebung droht, hat sich noch nicht öffentlich geäußert. Sie sagt, ihr geht es schlecht. Gibt es einen Ansatz, wie es in ihrem Fall weitergeht?

Zu den Kündigungen habe ich mich nie geäußert. Das ist Sache der Staatsbad GmbH und der Geschäftsführung. Die Stadt ist als Gesellschafter für die strategische Ausrichtung zuständig. Die Geschäftsführung für das operative Geschäft.

In ihrer Jugend waren Sie Punk. Sie sind SPD-Mitglied, eine Partei, die für gerechte Arbeitsbedingungen und Tariflohn steht. Warum hier nicht?

Ja, in der SPD geht es um faire Arbeitsbedingungen. Aber: Die diktiert nicht eine Gewerkschaft aus Berlin. Ich habe gerade als SPD-Mitglied für die Musikerinnen und Musiker des Orchesters ein höheres Gehalt durchgesetzt. Trotz der Corona-Pandemie haben wir betriebsbedingte Kündigungen vermieden. Das ist SPD pur würde ich sagen.

Aber ist es auch SPD pur Corona gebeutelte Künstler gegeneinander auszuspielen? In mancher Äußerung aus dem Rathaus klang es für manchen Leser danach, als ob die Musiker froh sein sollten, dass sie überhaupt noch einen Job haben.

Diese Bewertung teile ich nicht. Wir haben nur die Fakten dargestellt.

Um das Orchester fit für die Zukunft zu machen, hat sich ein Arbeitskreis gebildet. Die Aufgaben sind allerdings recht diffus geblieben. Was sind Aufgaben des Arbeitskreises?

Er dient als Thinktank und setzt sich mit kritischen Punkten auseinander. Da ist beispielsweise der Punkt der Musiker : Wir haben zu viele Konzerte zu spielen und die Belastung ist zu hoch. Im Arbeitskreis fragen wir uns, ob ein anderes Setting oder eine andere Besetzung des Orchesters möglich ist, um das für die Musiker akzeptabel zu gestalten. Wir sind da sehr offen. Die Frage ist immer: Wie finden wir miteinander einen Weg. In der Gruppe sind Vertreter von Stadt und Philharmonie sowie ein Mediator, der den Prozess begleitet. Sie haben bereits getagt und es gibt bald wieder eine Sitzung.

Warum hat die Stadt nicht auf Angebote der Gewerkschaft reagiert?

Sie waren zu extrem. Es war nie ein Angebot dabei in dem sie gesagt haben, dass man über die Entwicklungsstufen noch reden kann. Wir haben bislang nie ein Angebot bekommen, bei dem wir als Stadt sagen können: Das passt ins Gefüge.

Bis vor Kurzem wurde öffentlich gesagt, wir hätten keine Gehaltssteigerungen angeboten. Dabei sind wir von 40 auf 30 Stunden gegangen. Dann kam wieder eine Anmerkung, dass auch daran etwas nicht passt. Ich glaube nicht, dass sich Stadt und Gewerkschaft derzeit einigen würden. Deren Ziel ist der Tarifvertrag und mir geht es darum vor Ort gute Arbeitsbedingungen zu realisieren.

Laut der Gewerkschaft reichen 30 Stunden nicht aus. Die Stadt würde dadurch stillschweigend ein Mehr an Überstunden bei den Musikern fordern. Wie sehen Sie das?

Nach Adam Riese sind nach Abzug der Konzerte noch 17 Stunden für sonstige Tätigkeiten übrig und wir haben noch eine Arbeitsgruppe, in der wir über die Ausgestaltung der Arbeitszeiten reden können. Das Argument des Umziehens vor den Konzerten lasse ich nicht gelten. Andere Arbeiter ziehen sich frühs auch an, man soll bitte die Kirche im Dorf lassen. 17 Stunden Zeit in der Woche für alles andere als die eigentlichen Konzerte ist eine Menge Freiraum.

Das Gespräch führte Johannes Schlereth.

 
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