Bad Kissingen
Spröde Harmonie
Die Italienische Operngala konnte nicht alle Erwartungen erfüllen.
"Benvenuti nel teatro communale!" Man konnte sich durchaus in Italien wähnen bei der "Italienischen Operngala" mit dem Orchestra di Padova e del Veneto - nicht nur, weil sich lauter italienische Musiker auf der Bühne drängten und italienische Musik spielten, sondern auch wegen der äußeren Umstände: ein ziemlich ramponiertes Theater mit einer - wegen des zwangsläufig offenen Schnürbodens - ziemlich hölzernen Akustik.
So stellt man sich auch die kommunalen Theater in Pesaro, Padova oder Bergamo vor, wie sie sie schon Rossini, Donizetti oder Verdi gekannt haben.
Hätte ja trotzdem lustig sein können. Aber am Pult stand die große Spaßbremse. Es war nicht nur die betuliche Art, wie Claudio Desderi nach jeder Arie und jedem Duett vom Podest herunterkletterte, umständlich seine Noten neu sortierte und wieder hinaufkletterte, sodass jede Arie wieder bei Null beginnen musste und auch der Abend mit seinem wieder einmal übervollen Programm zusätzlich in die Länge gezogen wurde. Es war vor allem Desderis absolut mechanische Art des buchstabierenden Dirigierens, ohne jeden Impuls zur agogischen Gestaltung oder dynamischen Auffächerung und es waren die verschleppten Tempi, die die Stimmung töteten. Vor allem bei Puccinis Walzer der Musetta hätte man ihm gerne den Arm um die Schultern gelegt und ihm geflüstert: "Mensch, Junge, versuch's doch mal mit dem doppelten Tempo!" Das Orchester hätte das vermutlich geschafft. Aber sicher sein konnte man nicht.
Aber es gab noch einen anderen Grund, warum sich der Funke schon mit dem Abspringen schwer tat, und da konnte Desderi vielleicht nichts dafür.
Das Programm war ja erfreulich reich mit Duetten bestückt, aber die Kombattanten durften nie zueinander kommen, weil immer Desderi wie ein Anstandswauwau auf seinem Podest dazwischen stand. Da wurde der Austausch von Emotionen zu einer ziemlich theoretischen Angelegenheit.
Wer am besten mit der Situation klar kam, war Daniel Kotlinski, der Bassbariton des Quartetts. Er eröffnete schwungvoll als Don Pasquale mit "Ah! un foco insolito", war überzeugend dramatisch als Raimondo in "Dalle stanze ove Lucia" aus "Lucia di Lammermoor" und anderen Arien. Und er war derjenige, der in den Duetten hinter dem Rücken von Desderi auf seine Partner zusang, mit ihnen auch in gestische Kommunikation trat und Inhalte verdeutliche, etwa das Quacksalber Dulcamara im "Elisir d'amore". Und als Don Bartolo scheuchte er im sprachakrobatischen Finale der Arie "A un dottor della mia sorte" das Orchester.
Der Tenor Antonio Poli, erstmals beim Kissinger Sommer, konnte stimmlich durchaus überzeugen, sang und gestaltete souverän den Nemorino ("Una furtiva lagrima" oder den Alfredo ("Un di felice") in gutem Fernkontakt mit Violetta. Nein, man konnte ihm wirklich gut und reuelos zuhören, sich anstecken lassen. Das wäre noch intensiver gewesen, wenn er nicht immer mit den Händen an der Hosennaht gesungen hätte. Nur gelegentlich, wenn ihn die Gefühle besonders heftig überkamen, verlagerte er sein Gewicht auf das Standbein.
Sung Min Song, der andere Tenor, hatte wieder sein Problem, dass er fast alle Töne von unten ansetzt, besonders, wenn er sich in die Arien hineinsingt. Das schafft das Aroma des Bemühten.
Dazu kommt, dass er in seiner stimmlichen und gestischen Darstellung noch nicht flexibel und konturiert ist, dass er alles noch über laut und leise steuert.
In Arien wie in der Szene des Alfredo "De miei bollenti spiriti" merkte man den Willen zur Expressivität an der Lautstärke, aber es fehlen noch die persönlichen Abtönungen. In "Che gelida manina" wäre man nicht unbedingt auf die Idee gekommen, dass Rodolfo die Mimi anmachen will. Und in "O soave fanciulla" brüllte Sung Min Song seine neu entdeckte Liebe so heraus - das einzige Mal übrigens, dass Claudio Desderi nicht dazwischenstand - dass die völlig erschrockene Mimi nicht nur räumlich auf Distanz ging, sondern auch ein bisschen ihren Text vergaß.
Julia Novikova sang erwartetermaßen souverän etwa die Adina ("Prendi, per me sei liberoi") aus dem "Elisir" oder die Rosina ("Una voce poco fa") aus Rossinis "Barbiere" - da hätte sie am Ende etwas giftiger sein können. Und sie war in den Duetten als Lucia, Mimi oder Violetta eine zuverlässige Partnerin. Aber man wurde bei ihr den Eindruck einer gewissen Distanziertheit nicht los. Am deutlichsten wurde das zum Schluss: Da sangen Antonio Poli als Herzog von Mantua und sie als Gilda immer wieder ein schmerzliches "Addio, addio!" Man konnte verstehen, dass sie sich nicht im Schatten der Rückseite von Claudio Desderi verabschieden wollten, aber sie schauten sich nicht einmal an, sondern studierten intesiv die Mittelloge. Irgendetwas muss da passiert sein.
Hätte ja trotzdem lustig sein können. Aber am Pult stand die große Spaßbremse. Es war nicht nur die betuliche Art, wie Claudio Desderi nach jeder Arie und jedem Duett vom Podest herunterkletterte, umständlich seine Noten neu sortierte und wieder hinaufkletterte, sodass jede Arie wieder bei Null beginnen musste und auch der Abend mit seinem wieder einmal übervollen Programm zusätzlich in die Länge gezogen wurde. Es war vor allem Desderis absolut mechanische Art des buchstabierenden Dirigierens, ohne jeden Impuls zur agogischen Gestaltung oder dynamischen Auffächerung und es waren die verschleppten Tempi, die die Stimmung töteten. Vor allem bei Puccinis Walzer der Musetta hätte man ihm gerne den Arm um die Schultern gelegt und ihm geflüstert: "Mensch, Junge, versuch's doch mal mit dem doppelten Tempo!" Das Orchester hätte das vermutlich geschafft. Aber sicher sein konnte man nicht.
Wie die zwei Königskinder
Aber es gab noch einen anderen Grund, warum sich der Funke schon mit dem Abspringen schwer tat, und da konnte Desderi vielleicht nichts dafür.
Das Programm war ja erfreulich reich mit Duetten bestückt, aber die Kombattanten durften nie zueinander kommen, weil immer Desderi wie ein Anstandswauwau auf seinem Podest dazwischen stand. Da wurde der Austausch von Emotionen zu einer ziemlich theoretischen Angelegenheit.Wer am besten mit der Situation klar kam, war Daniel Kotlinski, der Bassbariton des Quartetts. Er eröffnete schwungvoll als Don Pasquale mit "Ah! un foco insolito", war überzeugend dramatisch als Raimondo in "Dalle stanze ove Lucia" aus "Lucia di Lammermoor" und anderen Arien. Und er war derjenige, der in den Duetten hinter dem Rücken von Desderi auf seine Partner zusang, mit ihnen auch in gestische Kommunikation trat und Inhalte verdeutliche, etwa das Quacksalber Dulcamara im "Elisir d'amore". Und als Don Bartolo scheuchte er im sprachakrobatischen Finale der Arie "A un dottor della mia sorte" das Orchester.
Der Tenor Antonio Poli, erstmals beim Kissinger Sommer, konnte stimmlich durchaus überzeugen, sang und gestaltete souverän den Nemorino ("Una furtiva lagrima" oder den Alfredo ("Un di felice") in gutem Fernkontakt mit Violetta. Nein, man konnte ihm wirklich gut und reuelos zuhören, sich anstecken lassen. Das wäre noch intensiver gewesen, wenn er nicht immer mit den Händen an der Hosennaht gesungen hätte. Nur gelegentlich, wenn ihn die Gefühle besonders heftig überkamen, verlagerte er sein Gewicht auf das Standbein.
Der expressive Wille ist da
Sung Min Song, der andere Tenor, hatte wieder sein Problem, dass er fast alle Töne von unten ansetzt, besonders, wenn er sich in die Arien hineinsingt. Das schafft das Aroma des Bemühten.
Dazu kommt, dass er in seiner stimmlichen und gestischen Darstellung noch nicht flexibel und konturiert ist, dass er alles noch über laut und leise steuert. In Arien wie in der Szene des Alfredo "De miei bollenti spiriti" merkte man den Willen zur Expressivität an der Lautstärke, aber es fehlen noch die persönlichen Abtönungen. In "Che gelida manina" wäre man nicht unbedingt auf die Idee gekommen, dass Rodolfo die Mimi anmachen will. Und in "O soave fanciulla" brüllte Sung Min Song seine neu entdeckte Liebe so heraus - das einzige Mal übrigens, dass Claudio Desderi nicht dazwischenstand - dass die völlig erschrockene Mimi nicht nur räumlich auf Distanz ging, sondern auch ein bisschen ihren Text vergaß.
Julia Novikova sang erwartetermaßen souverän etwa die Adina ("Prendi, per me sei liberoi") aus dem "Elisir" oder die Rosina ("Una voce poco fa") aus Rossinis "Barbiere" - da hätte sie am Ende etwas giftiger sein können. Und sie war in den Duetten als Lucia, Mimi oder Violetta eine zuverlässige Partnerin. Aber man wurde bei ihr den Eindruck einer gewissen Distanziertheit nicht los. Am deutlichsten wurde das zum Schluss: Da sangen Antonio Poli als Herzog von Mantua und sie als Gilda immer wieder ein schmerzliches "Addio, addio!" Man konnte verstehen, dass sie sich nicht im Schatten der Rückseite von Claudio Desderi verabschieden wollten, aber sie schauten sich nicht einmal an, sondern studierten intesiv die Mittelloge. Irgendetwas muss da passiert sein.
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