Noch heute spricht Hilla Schütze voller Dankbarkeit von ihrer Großmutter. Denn sie verhalf ihr dazu, dass ein selten schönes Exemplar der weißen Pferde aus Sandberg heute ihre Spielzeugsammlung bereichert.
„1912 hat meine Großmutter ihrem Sohn, meinem Vater, eine Rhöner Kutsche mit Pferd gekauft. Zwei Weltkriege haben Kutsche und Pferd überstanden“, freut sich die leidenschaftliche Spielzeugsammlerin aus Bad Kissingen. Aus ihrem Bestand wird das neue Spielzeugmuseum in der Oberen Saline bestückt (wir berichteten).
Nicht nur die Kissinger freuen sich auf dieses Museum, auch die Sandberger dürfen gespannt sein, denn in dem Rhöndorf ist ein Ableger des Kissinger Spielzeugmuseums geplant. Die Verbindung zwischen beiden Orten ist einfach: Neben dem berühmten weißen Pferd wird Holzspielzeug aus der Rhön ausgestellt.
Schütze auf Suche nach Herkunft
Lange Zeit hat Hilla Schütze nicht gewusst, woher dieses schöne Pferd stammt. Anfragen bei Fachleuten brachten sie nicht weiter, also machte sie sich selbst auf die Suche. Sie sprach mit den Enkeln der ehemaligen Rhöner Holzschnitzer, aber niemand konnte was mit dem weißen Pferd anfangen. Dann wurde sie fündig und konnte es nicht fassen: Das Pferd stammt aus Sandberg aus der Fabrikation von Friedrich Meinel.
Hilla Schütze betrachtet ein altes Foto, auf dem ihr Vater im Garten mit dieser Kutsche spielt. Sie ist aus Peddigrohr, das Pferd mit offenem Maul aus Zitterpappelholz. Friedrich Meinels weißes Pferd wurde mehrfach mit Medaillen bei großen Ausstellungen ausgezeichnet. Umso verwunderlicher war es für Schütze, dass dieser Spielzeugfabrikant völlig in Vergessenheit geraten ist. Drei Jahrzehnte war Sandberg ein Zentrum der Herstellung schönster Spielwaren. Doch nicht mal in der Ortschronik „300 Jahre Sandberg“ sei davon etwas erwähnt, ist Schütze erstaunt.
Friedrich Meinel kam 1877 aus Klingenthal im Vogtland nach Kissingen und eröffnete hier die Musik-Instrumenten-Niederlage, Export en gros & en detail in der Ludwigstraße 65. Er heiratete Antonie Zapf, deren Vater 1874 in Bad Kissingen einen Laden für Holz- und Galanteriewaren hatte. Der übergab das Geschäft seinem Schwiegersohn.
Segen für die arme Rhön
Gleich nach Übernahme vergrößerte Meinel den Laden und gründete eine Holzschnitzschule in Sandberg. 1896 schrieb die Saale-Zeitung: „Die von Herrn Meinel 1877 ins Leben gerufene Industrie ist für die arme Rhön zum Segen geworden, mehr als 30 Arbeiter, darunter zahlreiche Familienväter sind ständig, theils in der Fabrik zu Sandberg, theils in der Hausindustrie in Sandberg, Premich etc. beschäftigt, die Steinaspe, die „Linde der Rhön“ (heute Espe oder Zitterpappel) zu bearbeiten.“
1882 wurde Friedrich Meinel bei der 1. Bayerischen Landes-Industrie-Gewerbe- und Kunstausstellung in Nürnberg mit einer Großen Bronzenen Medaille für „eine reiche Sammlung preiswürdiger, in Holz geschnitzter Pferde zu Spielzeug bestimmt“ ausgezeichnet.
Meinels Interesse richtete sich mehr und mehr auf die Spielwarenfabrikation. Er warb mit Kissinger Trachtenpuppen und „Natura weißen Holzpferden und sortierten Tieren“. 1888 erhält er auf der Ausstellung in Brüssel eine Silber-Medaille. Sogar bis nach Amerika und China wurden seine Spielwaren verschifft, fand Schütze heraus.
In einem Jahresbericht der Handels- und Gewerbekammer Würzburg schrieb Meinel 1897: „Die Kissinger Rohr- und Holzwarenindustrie nimmt von Jahr zu Jahr bedeutendere Dimensionen an.“
1890, vier Jahre nach dem Tod seiner Frau Antonie, heiratet Friedrich Meinel Lina Schachenmayer.
Nach dem Tod vergessen
Nach der Jahrhundertwende werden Meinels Sandberger Spielwaren erneut prämiert, und zwar bei der dritten und letzten großen Bayerischen Landes-Industrie-Gewerbe- und Kunstausstellung in Nürnberg 1906. Aber nur noch wenige Jahre sind dem Spielzeugfabrikanten vergönnt. 1911 stirbt Friedrich Meinel. Seine Frau führt das Geschäft kurze Zeit weiter, aber schon 1913 führt eine Statistik in Sandberg nur noch sechs Holzschnitzer-Heimarbeiter auf. Friedrich Meinel versinkt in Vergessenheit.
Hilla Schützes Verdienst ist es, den Spielzeugfabrikanten der Rhön wiederentdeckt zu haben. Auf ihren Wegen traf sie auf weitere weiße Pferde. Eines entdeckte sie in einem Baseler Museum, ein anderes in Nürnberg. Ihre Informationen über die Herkunft der Pferde wurden dort dankbar aufgenommen.
In Münnerstadt stieß sie in einem Schaufenster ebenfalls auf ein weißes Pferd. Doch irgendetwas stimmte an dem Pferd nicht, erzählte Schütze. Im Gespräch mit dem Restaurator wurde es klar: Der Unterkiefer war abgebrochen, der Restaurator hatte einen neuen angebracht, dabei aber das Maul geschlossen.