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Hammelburg
Theatergruppe "Spectaculum" spielt in Hammelburg: Aufstieg und Fall der schlechtesten Sopranistin der Welt
Eine alternde, aber von sich überzeugte Möchtegern-Diva, ein Pianist, der das Geschäft wittert und einige Schmeichler - das sind die Zutaten für die Tragikkomödie „Glorious“ des Spectaculum.
Spectaculum auf Schloss Saaleck zeigt Stück Glorious       -  Huldigung für eine klägliche 'Königin der Nacht': Pianist Cosme McMoon ( Markus Arneth) und Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann, rechts). Daneben Foster Jenkins Freundin Dorothy (Sandra Eichelbrönner-Fickert).
Foto: Steffen Standke | Huldigung für eine klägliche "Königin der Nacht": Pianist Cosme McMoon ( Markus Arneth) und Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann, rechts). Daneben Foster Jenkins Freundin Dorothy (Sandra Eichelbrönner-Fickert).
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 17.07.2024 02:42 Uhr

Dass diese „Königin der Nacht“ das hohe C selten sauber trifft, weiß Cosme McMoon. Eigentlich trifft sie kaum einen Ton. Dennoch widerspricht der junge Pianist nicht, als die Möchtegern-Sopranistin meint, selbst das hohe F - das noch über dem hohen C - geschafft zu haben. Was sonst kaum eine kann.

Doch diese reiche, aber talentfreie Frau zahlt gut. Und so lässt sich McMoon engagieren. Er erlebt mit ihr eine bespiellose Karriere - die tragisch endet.

Das wahre Schicksal der Florence Foster Jenkins

Das Stück „Glorious“, das die Laienspielgruppe Spectaculum derzeit auf der Freilichtbühne von Schloss Saaleck gibt, beruht auf wahren Tatsachen. Im New York der späten 1930er- und 1940er-Jahre wurde die alternde Millionenerbin Florence Foster Jenkins (1868 bis 1944) zum Star. Nicht, weil sie gut singen konnte, im Gegenteil. Aber sie machte sich beliebt - als Gespött der High Society. Ohne es zu merken. Der Dramatiker Peter Qilter hat ihr Schicksal für die leichte Bühne aufbereitet. 

Die Geschichte beginnt irgendwann im Jahr 1944. Amerika steht im Krieg und Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann) denkt über ihre große Karriere als Opernsängerin nach. Dabei soll sie der junge Pianist McMoon (gespielt von Regisseur Markus Arneth) unterstützen. Deswegen hat sie ihn zum Kaffeekränzchen geladen.

Dame hat von Operngesang keine Ahnung

Zwischen lauter Nettig- und Belanglosigkeiten merkt der Musiker natürlich schnell, dass diese Dame sehr von sich überzeugt ist: „Ich liebe es einfach, wenn mich alle lieben." Und auch, dass sie von Operngesang keine Ahnung hat.

Wie sonst erklären sich Aussagen wie „Ich bin immer eingesungen". Immerhin bescheinigt er ihr nach einigem Gekrächze höflich ein „Talent, ohne Unterlass singen zu können" und eine „strapazierfähige Kehle". Darüber hinaus versucht er aber, ihre Stimme (und seine Ohren) zu schonen.

Erster Teil des Stückes zieht sich etwas

Wie gesagt: Weil die Kundin gut zahlt, lässt sich der Klavierspieler auf einen Deal mit Foster Jenkins ein. Ansonsten muss man anmerken, dass der erste Teil des Stückes sich etwas zieht. Das Nichttalent der Hauptfigur erkennt der Zuschauer ja schnell.

Da hätte es die Begebenheit nicht unbedingt gebraucht, als die selbsterklärte Diva nach einem Unfall auf dem Weg ins Aufnahmestudio gewahr wird, dass sie (bei einem spitzen Schrei) das hohe F erreicht hat.

Überraschende Wendungen im zweiten Teil von „Glorious“

Und auch das Zweifeln McMoons, ob er diesen lukrativen, aber künstlerisch peinlichen Job überhaupt annehmen soll, dauert zu lange. Die Figur der zwar lustigen, aber eigentlich unnötigen slowenischen Haushaltshilfe Marija (Lidija Macek-Sollfrank) wirkt etwas aufgesetzt.

So richtig Fahrt nimmt „Glorious" erst einige Minuten nach der Pause auf. Da taucht plötzlich ein Kritiker von der „Gesellschaft der Musikliebhaber von Amerika" auf und hält Foster Jenkins den Spiegel vor.

Kritiker tritt auf den Plan

Der etwas hölzern wirkende Theodore van Wellerhoff (Roger Jaruczak) hält Madame Jenkins für „eine Schande", einen „Affront gegenüber dem musikalischen Erbe und den Komponisten". Er fordert, sie solle „aufhören", droht mit einer Petition.

Opern und Arien seien „eine Kunstform, kein Zirkus", ihre Bewunderer nur gekommen, um sich über sie lustig zu machen, erregt sich van Wellerhoff weiter und zieht das vernichtende Fazit: „Lieber kämpfen und sterben müssen, als leben und hören müssen." 

Die Diva macht weiter

Die Diva schluckt, (ver)zweifelt kurz - und macht doch weiter. Bestärkt wird sie durch ihren Lebensgefährten und Weiberhelden St. Clair Bayfield (Torsten Korff), Freundin Dorothy (Sandra Eichelbrönner-Fickert) - und natürlich McMoon.

Ein Soloauftritt in der mächtigen Carnegie Hall vor Tausenden von Menschen steht an - der vermeintliche Höhepunkt der Karriere. Ein Triumph, wenn das Haus voll ist, ein Desaster, wenn keiner kommt. 

Fortan wirkt die Figur der „First Lady der gleitenden Tonleiter" nicht einfach nur lächerlich, sondern tragisch. Der Lack ist irgendwie ab, das Ende absehbar.

Steiler Aufstieg bis in die Carnegie Hall

Dennoch scheint der steile Aufstieg von Foster Jenkins weiterzugehen. Der Auftritt in der Carnegie Hall wird zum Publikums-Blockbuster (auch wenn die Besucher eigentlich nur über die Sangeskünste der Diva lachen). Und bei einem Herzanfall ihres Lebensgefährten St. Clair stirbt nicht dieser, sondern nur Dorothys Pudel Ricky. Doch all diese Szenen scheinen unwirklich, vergiftet.

Der finale Absturz der Arien-Queen wirkt dann etwas verschenkt: Dass sie einen Monat und einen Tag nach dem Auftritt in der Carnegie Hall stirbt (wie in der Wirklichkeit), wird lediglich vorgetragen, nicht vorgespielt. Immerhin steht am Ende die Erkenntnis, dass die Diva „ganz und gar zufrieden“ mit sich gewesen sei. Sie habe „die Stimme eines Engels“ gehabt, „makellos glorios“.

Auslastung von rund 60 Prozent

Das Stück „Glorious" bescherte dem Spectaculum an den ersten beiden Aufführungstagen - Fußball-EM hin oder her - eine Auslastung von jeweils rund 60 Prozent. Besonders erwähnenswert eine als schillernde Opern-Diva überzeugende Anne Rauschmann.

Übrigens: auf Youtube ist Florence Foster Jenkins als „Königin der Nacht" wirklich zu hören. Bilden Sie sich selbst ein Urteil:

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Mehr zum Spectaculum in Hammelburg lesen Sie hier:

 

 

Spectaculum auf Schloss Saaleck zeigt Stück Glorious       -  Umgeben von Schmeichlern: Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann, links), die sich für eine der größten Sopranistinnen der Welt hält.
Foto: Steffen Standke | Umgeben von Schmeichlern: Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann, links), die sich für eine der größten Sopranistinnen der Welt hält.
Spectaculum auf Schloss Saaleck zeigt Stück Glorious       -  Eine mäßige 'Carmen': Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann) hält sich für ein Arientalent. Pianist Cosme McMoon (Markus Arneth) macht gute Miene zum bösen Spiel.
Foto: Steffen Standke | Eine mäßige "Carmen": Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann) hält sich für ein Arientalent. Pianist Cosme McMoon (Markus Arneth) macht gute Miene zum bösen Spiel.
Spectaculum auf Schloss Saaleck zeigt Stück Glorious       -  Ein Desaster von Beginn an: Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann) singt bei Cosme McMoon (Markus Arneth) vor.
Foto: Steffen Standke | Ein Desaster von Beginn an: Florence Foster Jenkins (Anne Rauschmann) singt bei Cosme McMoon (Markus Arneth) vor.
 
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