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Bad Kissingen
Sortiment angepasst: Erfolg der Kissinger Jugendarbeit
Der Arbeitskreis Prävention hat es geschafft, dass Koffein-Päckchen aus dem Automaten genommen und Energy-Drinks ab 18 Jahren verkauft werden. Warum das Verständnis des Betreibers Ausschlag geben war.
Snack-Automat gegenüber der Realschule Bad Kissingen       -  Seit kurzem besteht mehr Jugendschutz beim Snack-Automaten gegenüber der Realschule.
Foto: Angelika Despang | Seit kurzem besteht mehr Jugendschutz beim Snack-Automaten gegenüber der Realschule.
Angelika Despang
 |  aktualisiert: 19.07.2024 18:00 Uhr

In bester Lage steht ein Snack-Automat seit einigen Wochen gegenüber der Realschule in Bad Kissingen, vor dem Bekleidungsgeschäft Tropics. Neben Süßigkeiten und Getränken werden dort auch Energy-Drinks , E-Zigaretten und Vapes (Einweg-E-Zigaretten) verkauft (wir berichteten).

Kinder und Teenager tummeln sich davor, Schulen und Eltern sind weniger begeistert.

Bis vor kurzem gab es auch Koffein-Pouches zu ziehen. Dass dies inzwischen nicht mehr möglich ist und es die Energy-Drinks erst ab 18 Jahren gibt, ist dem Arbeitskreis Prävention zu verdanken. Und einer entgegenkommenden Betreiberfirma.

Keine gesetzliche Beschränkung 

„Der Automat ist gut frequentiert“, sagt Christian Fenn , Streetworker beim Verein „Kissinger Drogenhilfe “ (Kidro). „Wir haben mehrfach beobachtet, wer dort einkauft und manchmal auch was.“

Kidro ist zusammen mit der kommunalen Jugendarbeit, der Caritas , weiteren Fachorganisationen, Schulen und der Polizei im Arbeitskreis Prävention des Landkreises Bad Kissingen vertreten.

Weil es von gesetzlicher Seite keine altersbedingte Zugangsbeschränkung für Koffein-Pouches und Energy-Drinks gibt, der Automat aber bei Kinder und Jugendlichen sehr beliebt ist, wurde der Arbeitskreis aktiv.

Vermieter und Betreiber engagiert

„Uns war klar, dass das Angebot des Automaten legal ist“, berichtet Miriam Nusser, Leiterin der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Caritas Bad Kissingen, „daneben geht es aber um die Frage: was ist pädagogisch vertretbar?“

Zunächst wurde die Firma Bocks Sportswear, Inhaber des Tropics-Ladens, angeschrieben, um Kontakt zur Automatenfirma herzustellen. „Wir wollten nicht, dass es Unruhe gibt und haben deshalb vermittelt und uns dafür eingesetzt, dass das Produkt vom Betreiber herausgenommen wird“, bestätigt Tobias Bocks auf Anfrage der Redaktion.

Das geschah umgehend. Miriam Nusser ist froh über die prompte Umsetzung: „Die Familie Bocks hat sich sehr engagiert und ich finde es klasse, dass die Betreiberfirma rein aufgrund des Anschreibens gleich reagiert hat.“

Nach einem Telefonat hat sich die Firma zudem bereit erklärt, die Energy-Drinks für eine Probezeit mit einer Altersbeschränkung zu belegen, „obwohl dies vom Gesetz nicht gefordert wird“, betont Rabea Daniel von der kommunalen Jugendarbeit des Landkreises.

„Somit haben die Verantwortlichen sofort reagiert und die Bedenken des Arbeitskreises und den Präventionsgedanken ernst genommen.“

Eltern haben Verantwortung

Aus pädagogischer Sicht könne man hinterfragen, ob der Automat gegenüber der Schule gut positioniert ist. „Wir versuchen ja schon seit Jahren, Süßigkeiten aus den Schulen zu verbannen, weil sie ungesund sind“, gibt Christian Fenn zu bedenken.

Aber es gibt auch noch die Verantwortung der Eltern. „Jeder kann zu seinem Kind sagen: Ich möchte nicht, dass du dort etwas kaufst“, so Fenn. Auch Rabea Daniel appelliert an die Eltern, mit ihren Kindern das Konsumverhalten zu besprechen.

Pouches schwer zu dosieren

Doch was ist so schlimm an Energy-Drinks und Koffein-Pouches?

„Sowohl die Pouches als auch die Energy-Drinks sind für Kinder und Jugendliche äußert bedenklich. Es gibt Warnhinweise auf der Verpackung, dass unter 16-Jährige und Schwangere diese Produkte nicht verzehren sollen“, erklärt Rabea Daniel.

Pouches sind kleine Päckchen, die Koffein und verschiedene Aromastoffe enthalten und unter die Lippe gelegt werden. Die Inhaltsstoffen werden über die Schleimhäute rasch aufgenommen und wirken so schnell im Körper. „Damit sind sie schwerer zu dosieren“, sagt Miriam Nusser. „Es gibt den Warnhinweis auf der Packung, dass man nicht mehr als zwei nehmen soll, aber die Kinder schauen nicht darauf.“

Energy-Drinks gefährlicher als gedacht

Für Energy-Drinks fordern Verbraucherschützer schon seit Längerem eine Altersbeschränkung wie in anderen EU-Ländern.

„Man darf nicht vergessen, dass Energy-Drinks hochdosiert sind, mit sehr viel Koffein, Taurin und Zucker“, sagt Christian Fenn . „Zudem kommt: die Jugendlichen trinken sie wegen ihrer Wirkung. Sie trinken sie, um sich zu pushen. Die Stimmung wird also mit einem Stoff reguliert. Das ist schon drogentypisches Verhalten.“

Alle Stoffe, die psychoaktiv wirken, seien Drogen. „Das stimmt uns skeptisch. Der Unterschied zu illegalen Drogen ist nicht gegeben.“

Gute Lösung

Deshalb ist der Arbeitskreis Prävention mit dem Ergebnis zufrieden: „Es ist eine Frage der Verfügbarkeit. Wie sehr erleichtert es eine Gesellschaft Jugendlichen, an solche Produkte zu gelangen“, sagt Miriam Nusser. „Wenn es schwerer ist, ranzukommen, ist das schon ein Erfolg.“

Deswegen sei sie froh, dass die Betreiberfirma sich mehr auferlegt hat, als es das Gesetz vorgibt.

Das findet auch Christian Fenn gut: „Es muss sich ja auch wirtschaftlich lohnen. Und mit dieser Lösung kann man sagen, das halten wir alle aus.“

Hintergrund

Den Arbeitskreis Prävention gibt es seit 1991 im Landkreis Bad Kissingen. Dieses Netzwerk ist ein regionaler Zusammenschluss von Fachleuten, die gemeinsam aktiv für ein gesundes Aufwachsen eintreten. Die Leitung und Organisation des Arbeitskreises liegen bei der kommunalen Jugendarbeit des Landratsamtes Bad Kissingen.

Als feste Mitglieder beteiligen sich Fachkräfte aus den Bereichen Streetwork, erzieherischer und gesetzlicher Jugendschutz, Gesundheitsamt, Schulsozialarbeit, Sucht- und Erziehungsberatung, Schule, Jugendsozialarbeit an Schulen, offener Jugendarbeit, gemeindlicher Jugendarbeit und der Polizeiinspektionen.

Ziele sind die frühzeitige Aufklärung, um vor Drogenmissbrauch und Drogenabhängigkeit zu schützen, die Netzwerkarbeit und Ressourcenbündelung von Fachkräften sowie die Öffentlichkeit für die Sucht- und Drogenproblematik zu sensibilisieren.

 

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