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Bad Kissingen
Sophie Rosentreter in Bad Kissingen: Demenz mit Leichtigkeit begegnen
Vom Top-Model hin zum Engagement gegen Demenz: Sophie Rosentreter durchlebte einen Berufswandel um 180 Grad. Am 28. April gastiert sie in Bad Kissingen.
Bei den Bad Kissinger Gesundheitstagen am 28. April ist Sophie Rosentreter ab 11 Uhr im Rossini-Saal zu hören und zu sehen. Foto: Katrin Schoening       -  Bei den Bad Kissinger Gesundheitstagen am 28. April ist Sophie Rosentreter ab 11 Uhr im Rossini-Saal zu hören und zu sehen. Foto: Katrin Schoening
| Bei den Bad Kissinger Gesundheitstagen am 28. April ist Sophie Rosentreter ab 11 Uhr im Rossini-Saal zu hören und zu sehen. Foto: Katrin Schoening
Johannes Schlereth
 |  aktualisiert: 18.08.2022 22:20 Uhr
Die 21. Bad Kissinger Gesundheitstage finden vom 27. bis 29. April statt. Hierzu ist für den 28. April eine Referentin geladen, die in Hamburg geboren wurde, in der Model-Castingshow "Model92" unter die Top-Ten kam, woraufhin eine internationale Model-Karriere für sie begann. Der nächste Wegpunkt sollte für sie bei dem Fernsehsender MTV liegen. Selbst auf dem Cover des Playboys war sie zu sehen: Die heute 42-jährige Sophie Rosentreter kann auf eine bewegte Karriere zurückblicken.

Durch einen Schicksalsschlag in ihrem privaten Umfeld krempelte sie ihr Leben um und engagiert sich seit 2009 hauptberuflich für ein Bewusstsein gegenüber der Krankheit Demenz. Was geschah und wie sie darauf reagierte, erzählt sie im Gespräch mit der Saale-Zeitung.

Frau Rosentreter, was ist Ihnen passiert, dass Sie ihr gesamtes berufliches Umfeld derart geändert haben?
Sophie Rosentreter: Meine Oma ist an Demenz erkrankt. Das war ein riesen Schock für mich und meine Familie. Wir haben sie dann sieben Jahre zu Hause gepflegt, irgendwann ging das nicht mehr. In ihren zwei letzten Jahren im Heim wurde sie eigentlich immer nur vor dem Fernseher geparkt. Ich war ja damals schon beim Fernsehen, da kam mir die Idee, Filme für Demenzkranke zu machen.

Wie haben Sie die Pflege ihrer Großmutter im Heim wahrgenommen und was müsste sich in den Pflegeheimen ändern?
Ich war mittlerweile mit Vorträgen in rund 300 Heimen deutschlandweit. Ich kann feststellen, dass das Personal mittlerweile aufgeklärter ist als vor einigen Jahren. Es gibt aber immer noch die Gefahr der Pflegefalle. Das heißt, dass keine Beschäftigung stattfindet, sondern sich der Umgang mit den Patienten auf Füttern und die Medikamentengabe beschränkt. Es dreht sich zwar um den Menschen, aber nicht um dessen Innenleben.

Ihre Filme zeigen ganz alltägliche Szenen, beispielsweise begleiten Sie Kinder mit der Kamera bei einem Besuch im Tierpark, oder eine Hausfrau bei ihren täglichen Herausforderungen. Was macht die Filme für demenziell erkrankte Menschen und deren Angehörige sehenswert?
Demenz heißt ja übersetzt in etwa "weg vom Geist", die kognitive Fähigkeit lässt nach, während die Gefühlsebene stärker wird. Einen Menschen mit Demenz zu erleben, heißt also ungefilterte Gefühle zu sehen. Man begegnet dem Menschen weg vom Verstand, sie hängen nicht mehr in ihren alten Rollen fest. Häufig haben demenziell veränderte Menschen deswegen ganz andere Hobbys und Wünsche als in ihrem Leben vor der Demenz, etwa Blumen pflanzen, Singen oder Malen. Wir begegnen den Erkrankten also auf der Gefühlsebene mit unseren Filmen, wodurch auch Pflegende und Angehörige einen Zugang bekommen.

Sie haben Pflegende und Angehörige angesprochen, wer nutzt denn letztlich schwerpunktmäßig ihre Angebote?
Sowohl Pflegende als auch Angehörige. Aber auch Krankenhäuser nutzen unsere Angebote.

Wie soll denn eine ideale Pflege demenziell veränderter Menschen Ihrer Meinung nach aussehen?
Es gibt den Ausspruch einer Erkrankten: "Gebt mir das Gefühl gebraucht zu werden", da müssen wir ansetzen. Jetzt im Frühling kann man zum Beispiel gemeinsam Blumen pflanzen. Damit werfen wir einen Anker im Jetzt. Das ist besser, als in der Vergangenheit zu leben und an den Menschen zu denken, der damals noch nicht erkrankt war. Demenz hat zwei Seiten, ich finde es ist besser, wenn man sich die Schöne ansieht, als immer nur die schlechte, von wegen "damals war alles besser". Demenz ist nämlich nicht das Ende, sondern ein Umbruch im Leben. Deswegen gibt es auch immer noch schöne Dinge zu erleben. Wir müssen der Demenz mit einer gewissen Leichtigkeit begegnen. Wichtig ist dabei vor allem, dass alle Angebote von Angehörigen oder Pflegenden begleitet werden.

Aktuell gibt es in Deutschland den viel diskutierten Pflegenotstand. Erfordert ihr Ansatz mit der Verbesserung der Betreuung der Erkrankten nicht einen enormen Anstieg beim Personal?
Den Notstand haben wir auch in Krankenhäusern. Eine Möglichkeit zur besseren Betreuung demenziell veränderter Personen könnte der Einsatz von ehrenamtlichen Helfern in der Pflege sein. Man könnte aus dem Freien Sozialen Jahr ein verpflichtendes Soziales Jahr machen. Man kann beim Arbeiten mit demenziell veränderten Menschen so viel lernen. Etwas vorspielen, läuft da nicht, das merken sie sofort. Im Umgang mit ihnen findet man also auch sich selbst.

Wie sehen Sie ihr Unternehmen in der Zukunft, es gibt ja mittlerweile konkurrierende Start-Up-Unternehmen, die versuchen einen ähnlichen medialen Ansatz für demenziell veränderte Personen zu wählen, beispielsweise durch Videospiele.
Ich finde, dass das eine super Sache ist. Wir leben ja auch im Zeitalter der Digitalisierung, dass die dann auch in der Pflege Einzug hält ist nur konsequent. Allerdings hängt Deutschland, was die Digitalisierung angeht, anderen Ländern hinterher. Abgesehen davon, belebt Konkurrenz das Geschäft. Was ich mir für die Zukunft vorstellen kann wäre eine Art Demenzkanal im Fernsehen. Hier könnte ich mir auch vorstellen, als Moderatorin zu arbeiten.

Frau Rosentreter, Sie gastieren im Rahmen der Bad Kissinger Gesundheitstage am 28. April um 11 Uhr im Rossini-Saal. Können Sie mir einen kurzen Einblick in die Themengebiete geben, die Sie in Ihrem Vortrag ansprechen werden?
Ich gehe sehr ans Eingemachte. Ich spreche über meine private Situation, schildere aber auch die Welt der Demenz. Hier gehe ich auf Betroffene, Angehörige und Pflegende ein. Selbstverständlich wird auch der Tod zur Sprache kommen. Ich versuche in meinem Vortrag Brücken zwischen den einzelnen Gruppen zu bauen, so dass zum Beispiel Angehörige ein Bewusstsein für die Probleme der Pfleger bekommen. Das ist wichtig, denn alle Beteiligten müssen Hand in Hand arbeiten, um gestärkt aus der Diagnose "Demenz" raus zu gehen.

Das Gespräch führte Johannes Schlereth.
 
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