
Ereignisreiche Erinnerungen an ein oft turbulentes Berufsleben in fünf Jahrzehnten als Redaktionssekretärin bei berühmten Journalisten wie Rudolf Augstein , Günter Gaus und Theo Sommer , mit dem sie einige Jahre verheiratet war, und als Privatsekretärin der Schriftsteller Carl Zuckmayer und Fritz J. Raddatz sowie bei Loki und Helmut Schmidt schildert Heide Sommer (79) in ihren kürzlich veröffentlichen Memoiren "Lassen Sie mich mal machen".
Ebenso nachhaltig wie ihre beruflichen Erlebnisse blieben ihr die frühen Kinderjahre zwischen 1943 und 1950 in Garitz und Hausen in Erinnerung, denen sie im Buch etliche Seiten widmet. Im Gespräch mit dieser Zeitung erzählte die im Kriegsjahr 1940 als Heide Grenz in Berlin geborene Autorin noch so manches mehr.
Als die Bomben auf Berlin fielen, wo die Pianistin Emmy Grenz mit Töchterchen Heide viele Monate auf sich allein gestellt war, während Vater Artur Grenz (1909-1988) als Komponist, Dirigent und Bratschist mit dem Berliner Kammerorchester im ganzen Reichsgebiet auf Tournee war, pachteten die Eltern 1943 in Garitz das noch heute bestehende "Blaue Teehaus" an der Dr. Georg-Heim-Straße mit Garten, Wiese und Wäldchen, wo die Familie die Kriegsjahre als Selbstversorger in Sicherheit überleben konnte. "Es war ein großes Geschenk und eine fantastische Kindheit ohne Gefahr und Entbehrungen", erinnert sich Heide Sommer.
Auf dem Hintern den Berg hinunterrutschen
Die jeweils dreimonatigen Tourneepausen, die Artur Grenz zum Komponieren und Arrangieren, aber auch für die Gartenarbeit zur Versorgung der Familie nutzte, stießen in der Nachbarschaft auf Unverständnis. Im August 1944 wurde er in einem anonymen Brief an die Reichskulturkammer denunziert: "Es kann doch nicht möglich sein, dass dieser Herr nur zum Komponieren beurlaubt ist, wenn tausend andere Komponisten im Waffenrock ihre Pflicht tun." Doch auch eine lustige Anekdote verbindet die Autorin mit Garitz: Als im Januar 1945 ihr jüngster Bruder Thomas zur Welt kommen sollte, schaffte es der Arzt "Fehser nicht mit seiner Pferdekutsche den schwer vereisten, steilen Staffelsberg hinauf, und meine Mutter musste im Pelzmantel auf dem Hintern den Berg hinunterrutschen", heißt es im Buch.
Bismarck-Wohnung in Hausen
Nach Kriegsende bezogen die Eheleute Grenz mit ihren drei Kindern die für sie wieder geöffnete Bismarck-Wohnung in Hausen, und die nun sechsjährige Heide kam dort in die Dorfschule: "Vier Jahrgänge in einem Raum." Zuhause in der Bismarck-Wohnung spielten die Kinder auf Bismarcks rundem Plüschsofa immer Fangen, "obwohl uns das strengstens verboten war". Im März 1946 gründeten die Eltern , unterstützt von der amerikanischen Führung, in der Bismarck-Wohnung ihre Kissinger Musikschule. Ein enger Freund des Paares wurde der von ihnen als Lehrer angestellte Violinist Hans Bürger (1920-2010), der mit Ehefrau Marta, als Flüchtling aus Oberschlesien zunächst im Kissinger Hof untergebracht, jetzt das frei gewordene "Blaue Teehaus" beziehen durfte, wo das Ehepaar noch bis 1962 mit Tochter Renate und Sohn Manfred wohnen blieb. "Hans Bürger war eine Institution in unserer Familie, der wohl beste Lehrer an der Musikschule und eine Stütze meiner Eltern ", erinnert sich Heide Sommer ebenso genau an diesen Violinisten wie an ihre eigenen Auftritte als Siebenjährige bei den von den Eltern in Bismarcks Empfangssaal veranstalteten Abendkonzerten oder den Kurkonzerten im Kurgarten, wo sie kleine Blumensträuße aus eigenem Garten an die Solisten verteilen durfte.
Von Kinderbande gequält
Noch heute muss Heide Sommer über dieses Erlebnis lachen: "Als mein jüngster Bruder eines Tages zur Tür lief, weil es geklingelt hatte, stand draußen ein großer Mann mit riesigem Schnauzbart. Der Kleine bekam einen Riesenschreck und schrie laut: Mutti, Mutti, der Herr Bismarck ist gekommen! Müssen wir nun ausziehen?" Als gar nicht lustig blieb anderes in Erinnerung haften: Ständig wurde Heide von einer ebenfalls in der Oberen Saline wohnenden Kinderbande und deren Anführer, dem "bulligen Herbert", gequält oder geschlagen und eines Tages mit einer quer gespannten Wäscheleine, die unerwartet vor ihr hochgezogen wurde, vom Fahrrad geholt. "Die Narben sind teilweise heute noch zu erkennen."
Tief enttäuscht wurde die achtjährige Schülerin vor dem Besuch des 1948 zum Bischof von Würzburg geweihten Julius Döpfner . Sie war die Auserwählte, zu dessen Begrüßung ein Gedicht aufzusagen, weshalb sie die Verse lange geübt hatte. Doch es wurde nichts daraus: Die Kleine ist gar nicht getauft, und ein Heidenkind kann man dem katholischen Bischof doch nicht zumuten, meinten die Häusler. "Ich erlitt einen Schock und war lange Zeit krank." Die Eltern aus der Kirche ausgetreten, die Kinder nicht getauft, so konnte die Familie im bigotten Mainfranken nicht leben, nennt Heide Sommer als einen Grund für den Umzug nach Hamburg, wo der Vater 1949 eine Anstellung als Solo-Bratscher beim Rundfunkorchester des damaligen NWDR bekommen hatte.
Spaziergänge mit ihrer Mutter
Zu Heide Sommers schönen Erinnerungen an Bad Kissingen gehören die Spaziergänge mit ihrer Mutter zur Unteren Saline, zum Gradierwerk und zur Pumpe. "Unfassbar faszinierend für kleine Kinder, wir konnten nicht genug davon bekommen." Damals gab es dort auch noch das Café mit weiß eingedeckten Tischen, darauf dickes Porzellan und schweres Silber. Sommer: "Das leise Klimpern der Silberlöffel in den Tassen beim Umrühren, das ist mir als das eleganteste Geräusch meines Lebens in Erinnerung geblieben und steht für mich für höchste Vornehmheit und unerreichbaren Luxus."
Buchverstellung
Über diese und andere Anekdoten aus ihren Kinderjahren in Garitz und Hausen will Heide Sommer in Bad Kissingen bei ihrer Buchvorstellung sprechen - am 16. Oktober im Buchfachgeschäft "seitenweise. Die Buchhandlung" (Ludwigstraße).
Informationen zum Buch
Heide Sommer: "Lassen Sie mich mal machen: Fünf Jahrzehnte als Sekretärin berühmter Männer", Ullstein-Verlag, gebunden, 256 Seiten, Preis: 22 Euro, ISBN 978-3550200168