Was ist wichtiger für ein Orchester: ein Dirigent oder ein dritter Streicher? Die überraschende Antwort beim Sommerkonzert des Bayerischen Kammerorchesters Bad Brückenau (BKO) lautete: Letzteres. Dahinter verbirgt sich eine Geschichte, die mit einer musikalischen Bearbeitung, einem Künstlerpaar und einer guten Flasche Wein zu tun hat.
Beethovens Sonate für Violine und Klavier Nr. 9 A-Dur opus 47: Sie bereitete BKO-Manager Pavol Tkac einiges Kopfzerbrechen. Denn - so berichtete er dem Publikum des Sommerkonzerts im König-Ludwig-I.-Saal - die Bearbeitung dieser sogenannten Kreutzer-Sonate für Violine und Streichorchester von Richard Tognetti erfordert eigentlich drei Cellisten . Ansonsten, so Tkac, müsse in der Bearbeitung einiges weggelassen werden - worunter der Hörgenuss leidet.
Nun ist das BKO in seiner Stammbesetzung eigentlich zu klein, kann nur zwei Cellisten aufbieten. Woher einen dritten nehmen, zumal das schmale Budget die Beschäftigung eines zusätzlichen Musikers nicht zuließ.
Der Mann als Begleitmusiker
Die Lösung hieß: Familienbande. Beim Sommerkonzert traten Sarah Christian und Maximilian Hornung als Solisten auf - sie an der Violine, er am Violoncello. Die beiden Augsburger sind privat ein Paar. Und so schilderte Tkac der Violin-Professorin an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart das Problem.
Diese sei dann selbst auf die Idee gekommen, ihren Mann als Begleitmusiker einzubinden. Der "Deal" - er ging wunderbar auf. Auch wenn die fällige Flasche guten Weins nicht billig war, wie Pavol Tkac zugab.
Und so saß Maximilian Hornung seiner Partnerin quasi "zur Seite", als diese den sehr anspruchsvollen Solopart bei der fast 40-minütigen Kreutzer-Sonate mit Leben erfüllte. Und zwar nicht nur durch ihr leidenschaftliche Spiel, sondern durch ihre charakteristische Mimik.
Vor der Pause hatte Hornung selbst als Solist bei Franz Schuberts "Arpeggione-Sonate" geglänzt, einem Werk, das sehr zart und melancholisch wirkt, aber auch tänzerische Elemente aufweist.
Was bei beiden Solisten beeindruckte, war das perfekt wirkende Zusammenspiel mit dem Orchester - und das ohne Dirigent und die Möglichkeit, ausgiebig vorher gemeinsam zu üben.
An drei Tagen hatten sich die Musiker im Vorfeld zu je zwei bis dreistündigen gemeinsamen Proben getroffen. Dabei hatte Sarah Christian als Konzertmeisterin auch eine Führungsrolle eingenommen. Darin besitzt sie Erfahrung in der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.
Nach dem Sommerkonzert verhehlte die Violinistin nicht, dass die kleine Besetzung ohne Dirigent in der "vergrößerten Kammermusik" Vorteile aufweist. Dieser würde womöglich die Sache verkomplizieren.
Vor den beiden komplexeren Werken war das BKO mit Peter Warlock in die Urzeit der Sonate gereist. Sein "Capriol Suite" entstand zwar in den 1920er-Jahren, lässt aber französische Renaissance-Tänze des 16. Jahrhunderts einfließen. Dementsprechend volkstümlich und nach "alter Musik" klangen die Stücke.
Übrigens: Tatsächlich saß ein echter Dirigent im Saal: Johannes Moesus, der ehemalige Leiter des BKO, gab sich die Ehre als Zuhörer des Sommerkonzertes , wurde von vielen Besuchern herzlich empfangen. Als ordnende Hand für das Orchester benötigt - so der allgemeine Eindruck - wurde er nicht.